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Spannen und hacken

Im Wortlaut von Ulla Jelpke,

Verschärftes BKA-Gesetz wird heute im Bundestag beschlossen. Regierung hat nur kosmetische Änderungen vorgenommen.

Ungeachtet breiter Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtlern wird die Regierungsmehrheit heute im Bundestag das neue BKA-Gesetz verabschieden. Auf einer Sondersitzung des Innenausschusses am Montag haben CDU/CSU und SPD noch letzte Änderungen am Gesetzentwurf vorgestellt, die aber nur marginal sind. Die Opposition ist geschlossen gegen das Gesetz.

Zur »Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus«, wie es heißt, darf das Bundeskriminalamt (BKA) künftig weit im Vorfeld von Straftaten tätig werden. Vorgesehen sind unter anderem Rasterfahndung, heimliche Observationen, das Anbringen von Peilsendern und Telefonüberwachung. Besonders brisant sind Neuregelungen, die Geheimdienst-Qualitäten aufweisen: Das BKA darf in Privatwohnungen heimlich Videokameras anbringen (»Spähangriff«), und zwar nicht nur in Wohnungen von Verdächtigen, sondern auch von deren »Kontakt- und Begleitpersonen«. Wer das ist, wird nicht erläutert. Gleiches gilt für das Anbringen von Wanzen (»Großer Lauschangriff«).

Hinzu kommen heimliche Online­durchsuchungen von Privatcomputern. Um die Spionagesoftware anzubringen, darf das BKA allerdings nicht - wie beim Spähangriff - in die Wohnung einbrechen. Diesen »Erfolg« hat die SPD in zähen Verhandlungen durchgesetzt.

Bei einer Anhörung im Innenausschuß hatten etliche Experten darauf hingewiesen, daß die Regierungspläne verfassungsrechtlich höchst bedenklich sind. Denn auf privaten Computern lagern naturgemäß eine Unmenge privater Daten, deren Schutz höchsten Verfassungsrang genießt. Der Lösungsvorschlag der Koalition ist lächerlich: Statt wie bisher von zwei BKA-Beamten sollen die Computerdateien nun zusätzlich vom Datenschutzbeauftragten des BKA durchgesehen werden. Dieser, so wird versichert, sei bei »Ausübung dieser Aufgabe weisungsfrei und darf deswegen nicht benachteiligt werden«. Nur wenn einem der drei BKA-Leute Zweifel kommen, ob die ausspionierten Daten nicht doch unter den Privatsphärenschutz fallen, wird ein Richter hinzugezogen.

Lausch- und Spähangriff sowie die Onlinedurchsuchung darf das BKA in »Eilfällen« auch ohne Richterbeschluß beginnen, bis zu drei Tage lang.

Onlinedurchsuchung und Spähangriff sollen nach fünf Jahren evaluiert werden - und zwar von der Bundesregierung selbst. Der Bundestag soll lediglich »einbezogen« werden.

Den Gesetzentwurf will die Bundesregierung noch vor Jahresende durch den Bundesrat bringen. Dort ist, nachdem die Abwahl des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) gescheitert ist, eine knappe Mehrheit zu erwarten.

Der Zustimmung der SPD zu Schäubles Gesetzentwurf liegt möglicherweise ein Kuhhandel zugrunde: Gestern rückte die SPD-Fraktion vom Koalitionskompromiß ab, der Bundeswehr per Verfassungsänderung weitreichende Inlandsbefugnisse zu übertragen. SPD-Präsidiumsmitglied Ralf Stegner ­sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung (Dienstagausgabe), Einsätze der Bundeswehr im Inland solle es »nur zur Abwehr unmittelbar drohender Gefahren aus der Luft oder von See geben«. Die SPD bestehe auf einer Eingrenzung auf diese zwei Szenarien. »Anderenfalls würde die in Deutschland bewährte Trennung von innerer und äußerer Sicherheit verwischt», sagte Stegner. Der SPD-Politiker fügte hinzu, er gehe davon aus, daß eine Änderung des Grundgesetzes für diese Legislaturperiode damit vom Tisch sei. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) kündigte an, an seinen bisherigen Plänen für einen Einsatz der Bundeswehr im Inland festhalten.

Von Ulla Jelpke

junge Welt, 12. November 2008