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Sozial-ökologische Verkehrswende statt finanzmarktgetriebener Verkehrspolitik!

Im Wortlaut von Herbert Behrens,


 

Von Herbert Behrens, Sprecher für digitale Infrastruktur der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Niemand wird ernsthaft etwas gegen einen ausgeglichenen Haushalt einwenden. Es stellt sich jedoch die Frage, welche Konsequenzen "Haushaltsdisziplin" angesichts der diagnostizierten "Wachstumsdelle" – ein Euphemismus, der das Zeug zum Unwort des Jahres hat – zeitigt und wessen Interessen durch fiskalische Selbstdisziplinierung à la Schäuble bedient werden.

Schon auf den ersten Blick wird klar, dass die schwarze Null eigentlich eine schwarz-gelbe ist. Sie setzt vollkommen verkürzend auf der Ausgabenseite an, ohne die Möglichkeit einer Verbreiterung der steuerlichen Einnahmebasis überhaupt in Betracht zu ziehen. Man könnte man meinen, dass die FDP politisch noch eine Rolle spielen würde, wenn der Begriff "Steuererhöhung" aus dem politischen Vokabular gestrichen und das Kürzungsdiktat als alternativlos dargestellt wird.

Staatshaftung für die Gewinne privater Anleger

Wer profitiert nun vom Bollwerk gegen staatliche Konjunkturprogramme, welches unter dem Label "schwarze Null" der Schuldenbremse vorauseilend aufgebaut wird? Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur wird deutlich, dass die "schwarze Null" Mittel zum Zweck der Finanzmarktstabilisierung ist. Institutionelle Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds, die auf langfristige und sichere Investitionsmöglichkeiten angewiesen sind, bekommen durch Schwarz-Rot eine neue Spielwiese eröffnet. Und dies mit verkehrs- wie haushaltspolitisch höchst kontraproduktiven Folgen. Der von Dobrindt als Projekt "mit Pilotcharakter für eine neue Generation von ÖPP-Modellen" bezeichnete Ausbau der Autobahn A7 zwischen Hamburg und Bordesholm zeigt deutlich, wo die Reise hingehen soll: Staatshaftung für die Gewinne privater Anleger (wie des bei der A 7 engagierte Dutch Infrastructure Fund) zu Lasten der Umwelt und der Bundeshaushalte von morgen und übermorgen.

Die aktuelle Wachstumsschwäche wäre eine Chance, die Weichen in Richtung einer sozial-ökologischen Verkehrswende zu stellen. Aber anstelle ein kurzfristig wirksames Investitionsprogramm aufzulegen – hier kämen vor allem Projekte ohne große Planungszeiten wie zur Verbesserung der Barrierefreiheit, des aktiven Lärmschutzes oder ein Vorziehen von Wasser- und Schienenprojekten mit Baurecht in Betracht – wird die Privatisierung öffentlicher Straßenverkehrsinfrastruktur vorangetrieben. Sollte das Modell wirklich Schule machen, sind die Pfadabhängigkeiten fatal: Um die Gewinne von Infrastrukturfonds zu sichern, muss verstärkt Politik für die Straße gemacht werden. Güterverkehr auf Schiene oder Wasserstraße, die umweltfreundlichen Alternativen zum Straßengüterverkehr, würde plötzlich die private Altersvorsorge gefährden. Dies ist an Zynismus kaum zu überbieten.

Schattenhaushalte in Milliardenhöhe

Haushalterisch hat das neue ÖPP-Konstrukt, wie alle Öffentlich-Privaten-Partnerschaften, natürlich den Charme verzögerter Haushaltswirksamkeit. Die verschwiegene Kehrseite ist, dass dadurch zukünftige Einnahmen verpfändet oder – nach drastischer formuliert – de facto Schattenhaushalte in Milliardenhöhe aufgebaut werden. Allein für das Dobrindtsche "Modellprojekt" fallen Zinskosten von fast 600 Millionen Euro an, was in Zeiten, in denen sich der Staat so billig wie nie refinanzieren kann, der blanke Hohn ist. Die Zeche zahlen künftige Generationen, denn die 600 Millionen müssen dann ganz haushaltsdiszipliniert an anderer Stelle gespart werden. Das heißt im Klartext, dass die Bildungschancen von morgen dem Beton von heute geopfert werden. Schäubles schwarze Null im Haushalt von 2015 ist dabei letztlich eine Lüge, denn er enthält bereits Belastungen für zukünftige Haushalte im zehnstelligen Bereich.

Es ist also nicht so, dass privates Kapital für Investitionen eingeworben werden muss, weil es dem Bund, da die Schuldenbremse noch nicht vollends wirksam ist, an Möglichkeiten zu einer Ausweitung, zum Beispiel verkehrs- und umweltpolitisch begrüßenswerter Investitionstätigkeit, fehlte. Der Staat wird vielmehr durch die "schwarze Null" systematisch seines konjunkturpolitischen Handlungsspielraumes beraubt, weil in Zeiten der selbst produzierten Eurokrise dem privaten Kapital die Anlagemöglichkeiten ausgehen. Die ökologischen und sozialen Folgekosten des neuen Typs finanzmarktgetriebener Verkehrspolitik dürften immens sein, daher ist es dringend geboten, diesem Spuk schnell ein Ende zu bereiten und den Weg für eine ökologische Mobilität für alle frei zu machen.

linksfraktion.de, 23. Oktober 2014