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Solidarität für Griechenland wie für Deutschland nach 45!

Nachricht von Gregor Gysi, Gesine Lötzsch, Sahra Wagenknecht,

Das US-amerikanische Hilfsprogramm »Marshall-Plan« lief von 1948 bis 1952

 

Das griechische Parlament hat nach einer mehrstündigen nächtlichen Debatte am frühen Donnerstagmorgen den zweiten Teil von Gesetzen verabschiedet, deren Inhalte der Regierung Tsipras von den Gläubigern als Bedingung für Gespräche über ein drittes Kreditprogramm diktiert wurden. “Tsipras soll weiter kürzen - dabei sagen fast alle Ökonomen, dass das die Krise verschlimmert. Tolles ‘Hilfsprogramm’!”, twitterte Sahra Wagenknecht am Mittwoch.

“Wir haben 92 Jahre zurückgezahlt. Wir haben einen Schuldenschnitt von 50 Prozent erlebt. Wir hatten eine Stundung von 37 Jahren”, hielt Gregor Gysi Kanzlerin Merkel, ihrem Vizekanzler Gabriel und ihrem Finanzminister Schäuble während der Griechenland-Sondersitzung des Bundestages am 17. Juli vor und empfahl: “Darüber sollten wir vielleicht einmal nachdenken, statt so zu tun, als ob wir in unserer Geschichte alles gemeistert hätten.”

Gesine Lötzsch wollte es genau wissen und fragte bei der Bundesregierung nach: Auf welche Gesamtsumme beliefen sich jeweils die Kriegsschulden des Deutschen Reiches nach dem Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg? Und durch welche Sach-, Geld und sonstigen Leistungen des Deutschen Reiches, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik wurden bis heute wann welche Tilgungen in jeweils welchen Tilgungsraten an jeweils welchen Staat vorgenommen? Die Antwort des Finanzministeriums ist sehr aufschlussreich:

Demnach betrug die deutsche Reparationsschuld nach dem Ersten Weltkrieg 138 Milliarden Goldmark. Nach Berechnung der Alliierten wurden davon 21,8 Millarden Goldmark - nach deutscher Berechnung 67,7 Milliarden - getilgt. Die Differenz ergibt sich aus der Unterschiedlichen Bewertung der Sachlieferungen. Nach dem 2. Weltkrieg machten die deutschen Vor- und Nachkriegsschulden (1952) den damaligen Wert von 28,5 Milliarden D-Mark aus. Zur Ankurbelung der Wirtschaft und des Wiederaufbaus erhielt Westdeutschland allein aus dem Marshall-Plan der USA 1,4 Milliarden Dollar. Dieser Wert entspricht heute etwa dem Gegenwert von 100 Milliarden Dollar.

Dann wurde auf der Londoner Schuldenkonferenz 1952 ein beträchtlicher Schuldenschnitt und Zahlungserleichterungen mit den Gläubigerstaaten verhandelt. Durch die Aufgabe des Goldstandards und die Vereinbarung niedriger Zinssätze sowie den Wegfall des Zinseszins sanken die Vorkriegsschulden um insgesamt 6,2 Milliarden D-Mark. Der Schuldenschnitt bei den Nachkriegsschulden betrug 8 Milliarden D-Mark. Die Zinsrückstände wurden bis zur Wiedervereinigung gestundet.

Die Zahlung der letzten Zinsrückstände erfolgte am 3. Oktober 2010. Sogenannte Sparauflagen wurden durch die Gläubigerstaaten nicht verhängt.

“Wolfgang Schäuble und Angela Merkel verschreiben Griechenland eine vergiftete Medizin. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Gläubigerstaaten Westdeutschland weder erpresst noch mit Kürzungsauflagen überzogen haben. Im Gegenteil: Es gab Wirtschaftshilfen, einen erheblichen Schuldenschnitt und Stundungen bis zur Wiedervereinigung. Ich finde, Griechenland verdient die gleiche Solidarität, die Westdeutschland damals erfahren hat”, kommentiert Gesine Lötzsch.