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Solidarischer Föderalismus

Im Wortlaut von Bodo Ramelow,

Gastkolumne in Neues Deutschland

Bei der Föderalismusreform wurde in der ersten Stufe die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern neugeordnet. Nun steht die zweite Stufe an, in der es um die Finanzen geht. Der »Marsch in den Schuldensstaat« müsse gestoppt werden, lautet die Parole, die die Politiker der großen Koalition unter dem Beifall von FDP und Grünen dafür ausgegeben haben. In der »Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen« unter dem Vorsitz von Peter Struck (SPD) und Günter Oettinger (CDU), die sich in dieser Woche das erste Mal in Berlin getroffen hat, präsentieren sich vor allem diejenigen als Retter und Heiler, die zuvor dafür gesorgt haben, dass das Staatsdefizit so rasant gewachsen ist. Denn die neoliberale Klientelpolitik der Steuersenkungen für die Vermögenden und Großunternehmen wurde aus dem Kredithahn finanziert.

Der Gedanke, dass das Problem des Staatsdefizits auch einnahmeseitig angepackt werden muss, ist in der Koalition wie bei FDP und Grünen tabu. Sie bieten eine simple Idee an: Mehr Schulden zu machen, soll gesetzlich verboten werden. Struck und Oettinger plädieren für einen »Nationalen Stabilitätspakt«, in dem sich Bund und Länder verpflichten, ihre Staatsausgaben und Kredite zu begrenzen. Dabei geht es ihnen um ein Mini-Maastricht für die Länder. Haushaltsstabilität hätte Vorrang vor sozialer Stabilität.

Das alles wird mit wohlfeilen Floskeln (Steuerautonomie, Schuldenbremse!) vermarktet. Wenn eine Wirtschaftsflaute oder Steuergeschenke die Einnahmen senken, sollen Länder und Gemeinden beim Personal und den Sozialausgaben sparen oder Notzuschläge auf die Einkommensteuer erheben. Natürlich wissen alle, die ein totales Schuldenverbot wollen, dass sie sich damit auf eine volkswirtschaftliche Geisterfahrt begeben. Gerade Bayern und Baden-Württemberg hätten ohne die Hilfe des von ihnen jetzt geschmähten Schuldenstaats nicht die Finanzkraft erlangt, die sie heute egoistisch gegen einen solidarischen Föderalismus abschotten wollen. Ihre starre Haltung hat zwei Gründe: Erstens sind sie im Unterschied zu schwächeren Bundesländern nicht auf Steuerzuschläge angewiesen. Sie spekulieren darauf, dass Unternehmen und gut ausgebildete Leute aus anderen Ländern zu ihnen wandern. Zweitens wollen sie die Transfers an die schwächeren Bundesländer langfristig zurückfahren.

So streitet nur noch die Linkspartei für einen sozialen Bundesstaat, in dem die starken Länder die Verpflichtung haben, die schwächeren zu stützen. Wir wollen keinen Wettbewerbsföderalismus, in dem die eine Gebietskörperschaft die andere nieder konkurriert. Doch auch die Linke muss sich dem Problem des Staatsdefizits stellen. Allein im Jahr 2005 hatte der Bund ca. 38 Mrd. Euro an Zinsen zu zahlen. Wir plädieren für eine zielgerichtete Entschuldungspolitik, die es den Ländern ermöglicht, einen Teil ihrer Schulden in den Erblastentilgungsfonds zu überführen. Vermögen, Unternehmensgewinne und Börsenumsätze müssen für einen steuerlichen Beitrag für die Entschuldung der öffentlichen Hand herangezogen werden.

Von Bodo Ramelow

Der Autor ist Mitglied der Kommission zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen.

Neues Deutschland, 10. März 2007