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»Soldaten stürzen komplett ab«

Im Wortlaut,

Zehntausende deutsche Soldatinnen und Soldaten sind seit Jahren in Auslandseinsätzen. Einige sterben, viele kehren krank in die Heimat zurück. Heinz Sonnenstrahl, Hauptmann a. D., der im Jahr 2003 die Selbsthilfeorganisation "SKARABÄUS" für erkrankte Soldaten gegründet hat, sagt im Gespräch mit Klar: "Viele Soldaten stürzen komplett ab." Die nächste Ausgabe von Klar erscheint am 16. November 2009. Sie analysiert den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP, erläutert das 10-Punkte-Sofortprogramm der neuen Fraktion DIE LINKE und berichtet über Facetten der Armut in Deutschland.

Die Bundeswehr sagt, etwa ein Prozent der eingesetzten Soldaten würde psychisch erkranken.

Heinz Sonnenstrahl: Diese Zahl bezieht sich aber nur auf die Fälle, die sich selbst melden oder von ihrem sozialen Umfeld dazu gezwungen werden. In anderen Armeen ist es mittlerweile völlig anerkannt, dass mindestens fünf Prozent eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) erleiden.

Was bedeutet PTBS?

Die Soldaten erkranken meistens nach ihrer Rückkehr an traumatischen Erfahrungen und Erlebnissen, die sie während der Einsätze machen. Sie erleben Angstzustände, Depressionen, Beziehungen gehen kaputt. Sie sind nicht mehr in der Lage, ein Leben im Alltag zu führen, viele stürzen komplett ab.

Aber die Bundeswehr hat doch eine psychologische Betreuung?

Ja, für aktive Soldaten. Die Bundeswehr ist aber eine Armee der Zeitsoldaten. Die Masse der Einsätze wird auf ihrem Rücken abgewickelt. Nach ihrer Entlassung kämpfen sie mit der PTBS-Erkränkung allein. Für sie gibt es diese Betreuung nicht.

Wie viele betrifft das?

Mindestens 3000 ehemalige Soldaten dürften seit dem Jahr 1997 aufgrund ihrer Einsätze erkrankt sein. Das ist sehr zurückhaltend geschätzt.

Wie könnte man denen helfen?

Wir bräuchten ein zentrales Institut, wo sich die ehemaligen Soldaten jederzeit melden könnten und wo ihnen umfassend, also psychologisch und sozial, geholfen wird. Trotz aller Absichtserklärungen ist da bisher nichts passiert. Der springende Punkt ist wohl, dass das viel Geld kosten würde.

Nur Kostengründe?

Politik und Militärs haben vielleicht auch Angst davor, dass der Nachschub an jungen Soldaten ausbleibt, wenn dieses Phänomen richtig bekannt würde.

Sie selbst waren in Afghanistan. Kann diese Mission erfolgreich sein?

Wir stehen jetzt seit mehr als acht Jahren in diesem Land - länger als der Zweite Weltkrieg gedauert hat. Wir müssen feststellen, dass sich die Lage nicht verbessert, sondern verschlechtert hat. Offensichtlich sind militärische Einsätze nicht geeignet, um Frieden zu schaffen.