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Dietmar Bartsch © DBT/Inga HaarFoto: DBT/Inga Haar

»Söder ist der Ikarus der Politik«

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch, Mannheimer Morgen,

Rot-Rot-Grün ist von einer Mehrheit weit entfernt, aber das kann sich auch noch ändern, sagt Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Warum SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein Vorteil für seine Partei sein kann, und wie sie es mit ihrem Spitzenpersonal für den Wahlkampf halten will, erklärt Bartsch im Interview.

 

Herr Bartsch, wie stark ist der Wille Ihrer Partei zum Mitregieren?

Dietmar Bartsch: Wir alle wollen relevante Veränderungen in Richtung soziales und ökologisches, friedliches und demokratisches Deutschland und Europa voranbringen. Dafür ist die Bereitschaft zur Übernahme von Regierungsverantwortung durchaus ausgeprägt.

Vom linken Flügel heißt es, mit einem SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz sei Rot-Rot-Grün nach der Bundestagswahl noch unwahrscheinlicher geworden. Teilen Sie diese Einschätzung?

Wir konzentrieren uns auf uns, nicht auf andere Parteien. Olaf Scholz ist die Entscheidung der Sozialdemokraten. Es ist nicht zwingend, dass ein anderer, etwa ein linker SPD-Kandidat, der meiner Partei Konkurrenz macht, die Aussichten auf eine künftige Regierung ohne die Union erhöhen würde.

Das klingt, als ob Ihnen die SPD-Personalentscheidung sehr sympathisch ist.

Jedenfalls hat die Linke eine große Chance, das linke Feld, insbesondere auf sozialem Gebiet, umfänglich zu bestellen.

Von einer Mehrheit sind SPD, Grüne und Linke aber weit entfernt. Laufen Sie nicht einem Phantom hinterher?

Abwarten. Im nächsten Jahr gibt es vor der Bundestagswahl noch einige Landtagswahlen, die letzten wahrscheinlich in Thüringen und Sachsen-Anhalt. Daraus kann eine neue politische Dynamik entstehen. Hinzu kommt, dass Angela Merkel als populäre Kanzlerin nicht mehr antritt. Deshalb darf man die aktuellen Umfragen nicht überbewerten.

Wo sehen Sie inhaltlich die tiefsten Gräben zur SPD?

Da gibt es so viele Unterschiede, dass eine Aufzählung dieses Gespräch sprengen würde. Zu der Politik, die die Bundes-SPD aktuell in der Koalition macht, steht die Linke in harter Opposition.

Und wie ist es mit den Grünen?

Im Sozialbereich gibt es durchaus Gemeinsamkeiten. Auch die Grünen wollen zum Beispiel eine Kindergrundsicherung, um das Thema Kinderarmut entschlossen anzugehen. In der Außenpolitik sind die Unterschiede allerdings recht groß. Die Gegensätze zu Union oder FDP sind jedoch generell deutlich größer. Deshalb können SPD und Grüne für uns eher Bündnispartner sein.

Die Linke steht für offene Grenzen für Flüchtlinge und eine Auflösung der Nato. Lässt sich so etwas ernsthaft in einem rot-rot-grünen Bündnis verwirklichen?

Unsere Programmlage ist, dass die Linke die Nato in ein System kollektiver Sicherheit unter Einschluss Russlands umwandeln möchte. Damit gehen wir auch in den Wahlkampf. Was die Migration betrifft, so ist es völlig inakzeptabel, dass es nicht einmal eine öffentliche Debatte über die chaotischen Zustände in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln und vor allem Konsequenzen daraus gibt. Offene Grenzen für Menschen in Not war immer meine Position. Wie das umgesetzt wird, kann man in den Bundesländern sehen, in denen wir mitregieren.

Wie steht es eigentlich um die Spitzenkandidatur bei den Linken? Bei der letzten Bundestagswahl waren Sahra Wagenknecht und Sie angetreten.

Diese Fragen entscheiden wir im nächsten Jahr. Da lassen wir uns von Medien und anderen Parteien nicht treiben. Ich gehe davon aus, dass es wieder eine Doppelspitze geben wird.

Wem geben Sie bei der Union die größten Chancen, Kanzlerkandidat zu werden?

Da will ich nicht spekulieren. Diese Auseinandersetzung führt zu großen Zerreißproben in der Union. Fakt ist, dass Markus Söder gefühlt schon Kanzlerkandidat war, nun aber zum Ikarus der deutschen Politik geworden ist: sehr hoch geflogen und jetzt im Absturz begriffen.

Mannheimer Morgen,