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»Selbstverständlich halte ich am Sozialismus fest«

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Über seinen Bruch mit Gerhard Schröder, die Verstaatlichung der Produktionsmittel, den Vorwurf des Populismus und den SPD/PDS-Senat in Berlin. Ein Gespräch mit Oskar Lafontaine

Oskar Lafontaine führt mit Gregor Gysi die Linksfraktion im Bundestag. Er war lange Jahre Mitglied der SPD. Im ersten Kabinett Gerhard Schröders war er bis zu seinem Rücktritt im Februar 1999 Finanzminister

Sehen Sie sich eigentlich immer noch als Sozialdemokraten?

Ich sehe mich als Sozialdemokraten, als Sozialisten, als Linken - ganz wie Sie wollen. Titel und Etiketten sagen meistens nichts darüber aus, was einer wirklich ist. Ich kenne viele sogenannte Linke, deren Abstimmungsverhalten im Bundestag für mich keine linke Politik ist.

Zum Beispiel?

Es gibt eine ganze Reihe Linker in der SPD, die keine Probleme hatten, völkerrechtswidrigen Angriffskriegen zuzustimmen und die in der letzten Legislaturperiode die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 unterstützten. Mit ihnen stimme ich ebensowenig überein wie mit Anhängern des Stalinismus oder streng staatssozialistischer Vorstellungen, die mit Demokratie und Freiheit nicht vereinbar sind.

Sozialstaat in der Krise

Sie finden Zuspruch, da Sie als Person und Ihre Fraktion die einzigen sind, denen man eine Verteidigung des Sozialstaates zutraut. Aber ist der Sozialstaat unter kapitalistischen Rahmenbedingungen überhaupt noch zu retten? War er nicht eine Variable zweier entfallenener Determinanten, nämlich des starken Wirtschaftswachstums nach 1945 und der Systemkonkurrenz durch das sozialistische Lager?

Ja, der Sozialstaat war ein Produkt einer spezifischen Konstellation. Ich erinnere mich noch an ein Gespräch mit Willy Brandt nach dem Fall der Mauer, bei dem er sagte: Ich bin gespannt, was das für uns Sozialdemokraten und Sozialisten im Westen bedeuten wird. Er ahnte, daß der Wegfall der Systemkonkurrenz große Gefahren für das sozialdemokratische Modell mit sich bringen würde.

Was das Wirtschaftswachstum angeht, so resultierte es aus zwei Bedingungen: Der Existenz stabiler Wechselkurse, wie sie 1944 auf der Konferenz von Bretton Woods festgelegt worden waren, und der Genehmigungspflicht für Kapitaltransaktionen über die nationalstaatlichen Grenzen hinweg. Beides erschwerte die Devisenspekulation und den Abfluß von Kapital aus dem produktiven Sektor in das globale Spielcasino.

Aber da beides heutzutage im Rahmen der Globalisierung Fakt ist: Führt nicht jeder sozialstaatliche Zugriff auf Großvermögen zu einer Kapitalflucht?

Nein. Die Politik in anderen Ländern beweist das Gegenteil. Die Zahlen sind hier eindeutig. Wenn Deutschland die Steuer- und Abgabenquote seiner Nachbarländer hätte, hätten sämtliche Sozialkürzungen der letzten Jahre vermieden werden können. Ich habe im Wahlkampf jedem eine goldene Uhr versprochen, der den Gegenbeweis dazu antreten kann. Wir haben nach der OECD-Statistik eine Steuer- und Abgabenquote von rund 36 Prozent, in unseren Nachbarstaaten sind es rund 40, 44 oder gar 48 Prozent. Und diese Staaten sind ebenso der Globalisierung ausgesetzt. Und vergessen wir nicht: Deutschland ist als Exportweltmeister der größte Profiteur der Globalisierung.

Gegenbeispiel: Als nach der Wahl von Francois Mitterand zum französischen Präsidenten im Jahr 1982 ein keynesianischer Wechsel in der Wirtschaftspolitik eingeleitet wurde, brachte das Großkapital Milliardenbeträge außer Landes und zwang die Volksfrontregierung zum Einlenken.

Die französischen Sozialisten haben damals zu schnell nachgegegeben. Frankreich litt nach dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems stark unter der Devisenspekulation, der Franc stand unter Druck und verlor immer mehr an Wert gegenüber der Mark. Vor diesem Hintergrund hat der damalige Finanzminister Pierre Beregovoy eine überstürzte Wende zur monetaristischen Politik eingeleitet.

Demnach sind Sie für eine Rückkehr zum System fester Wechselkurse?

Ja. Auch hier gilt der Satz von Rousseau: Zwischen dem Starken und dem Schwachen führt die Freiheit zur Unterdrückung, während das Gesetz befreit. Jede schwache Währung wird zum Spielball der starken Währungen, wenn es keine Regeln gibt.

Rücktritt 1999

Auch Sie versuchten als Bundesfinanzminister eine Wende zu mehr Gerechtigkeit und sind am Widerstand der Big Players gescheitert.

Das war der wesentliche Konflikt meiner kurzen Amtszeit. Schröder distanzierte sich auf Druck von Banken und Industrie von dem Steuerkonzept, das ich als Finanzminister vertreten und für das ich die Zustimung der SPD-Länder- und Kommunalpolitiker bekommen hatte. Darin war eine Senkung des Spitzensteuersatzes und die Marginalisierung der Unternehmenssteuern, wie sie dann von meinem Nachfolger Hans Eichel durchgesetzt wurden, nicht enthalten. Weiterhin schlug ich eine Harmonisierung der Steuern in der EU und die Einführung eines Mindeststeuersatzes in allen Mitgliedsstaaten vor, um einen Dumpingwettlauf zu verhindern. Das war dann der Zeitpunkt, als die britische Sun mich als »gefährlichsten Mann Europas« auf die Titelseite brachte.

Hätten Sie, statt zurückzutreten, nicht in Regierung, Partei und Öffentlichkeit in die Offensive gehen können?

Das Problem war: Der Kanzler hielt sich an keine Absprache mit mir. Unter diesen Voraussetzungen konnte ich mir keine erfolgreiche Fortsetzung meiner Arbeit mehr vorstellen. Mein Fehler war nicht der Rücktritt, sondern daß ich Schröder den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur gelassen habe. Außerdem gab es im Februar 1999 nicht nur den Steuerstreit im Kabinett, sondern es drohte auch die Beteiligung am Krieg gegen Jugoslawien.

Wie ist das im Kabinett diskutiert worden?

Es gab den sogenannten Vorratsbeschluß des Bundestages vom Oktober 1998, wo bereits der NATO-Einsatz gegen Jugoslawien angedroht wurde. Ich habe dem damals zugestimmt, weil das Auswärtige Amt unter Minister Kinkel in einem Brief an mich klargestellt hatte, daß damit keine Erlaubnis zum Kriegführen intendiert war, sondern lediglich der Aufbau einer Drohkulisse, um dem jugoslawischen Präsidenten Milosevic ein Einlenken in der Kosovo-Frage abzutrotzen. Kurz danach waren aber Schröder und Fischer bereits in Washington gewesen und hatten dem US-Präsidenten Clinton die Zusage gegeben, auch ohne UN-Beschluß einen militärischen Angriff auf Jugoslawien zu unterstützen. Das war ein eindeutiger Bruch der Zusagen mir gegenüber. Im Kabinett habe ich dann noch versucht, sowohl den völkerrechtswidrigen Charakter eines solchen Krieges - es gab keine Unterstützung durch den Weltsicherheitsrat - als auch die Art der Kriegführung zu thematisieren. »Was soll eigentlich militärisch in Jugoslawien gemacht werden?« war meine Frage, die weder Fischer noch Scharping beantworten konnten. Bomben auf Städte und Dörfer und das Töten unschuldiger Zivilisten sind mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren. Aber meine Argumente stießen auf taube Ohren.

Verstaatlichung oder Regulierung

Zurück zu Ihrer politischen Gesamtstrategie. Taucht da der Sozialismus überhaupt noch auf, oder geht es nur noch um die Verteidigung des Sozialstaates?

Selbstverständlich halte ich am Ziel Sozialismus fest. Die Verteidigung des Sozialstaates ist notwendig, aber sie reicht nicht aus. Meine sozialistische Utopie zielt auf eine Gesellschaft mit einem Höchstmaß an Freiheit und Selbstbestimmung. Darin eingeschlossen ist auch die aktive Teilhabe der Menschen an der Kultur, was sich vom bloßen Konsumismus, wie Pasolini das Freizeitverhalten in unserer Zeit gekennzeichnet hat, unterscheidet.

Sozialismus bedeutet aber vor allem eine andere Ökonomie.

Ich bin für einen starken Staat bei Fortexistenz von Markt und Wettbewerb. Öffentliches oder staatliches Eigentum bietet keine Garantie für mehr Gerechtigkeit. Das zeigt der Berliner Bankenskandal am eindrücklichsten. Die Berliner Bankgesellschaft war im Landesbesitz, und trotzdem hat sie sich nicht anders verhalten als die Privatbanken und zur skandalösen Bereicherung einiger weniger auf Kosten der Allgemeinheit beigetragen. Wir brauchen eine stärkere Regulierung des Bankensektors, um beispielsweise die Plünderung der kleinen Leute zu verhindern. Es kann nicht angehen, daß die Ärmsten die höchsten Kreditzinsen zahlen und die niedrigsten Guthabenzinsen bekommen, während die Wohlhabenden von niedrigen Kreditzinsen und hohen Renditen profitieren. Die Banken sind große Maschinen der Umverteilung von unten nach oben.

Wie wollen Sie das ändern?

Der Staat muß für Dispokredite Höchstgrenzen festlegen, um Wucherzinsen zu verhindern. Außerdem muß er sicherstellen, daß Zinsveränderungen durch die Zentralbank von den Privatbanken an die Kunden weitergegeben werden. Geschieht das nicht, kann die Zentralbank nicht mehr steuern - keynesianische Geldpolitik für Beschäftigung und Wachstum wird unmöglich.

Warum reden Sie nicht über Verstaatlichung?

Weil es nicht in erster Linie auf die Besitzverhältnisse ankommt, sondern auf die Regeln, denen die Besitzer der Produktionsmittel - unabhängig ob staatliche oder private - folgen müssen. Wenn die nicht stimmen, kann man in einem Staatsbetrieb genauso ausgebeutet werden wie in einem privaten Unternehmen. Selbstverständlich müssen viele Privatisierungen der letzten Jahre rückgängig gemacht werden. Das fängt bei den Berliner Wasserbetrieben an. Im Bildungssystem wie im Gesundheitssystem hat der Staat die Aufgabe, für das Wohl der Allgemeinheit zu sorgen - Privatschulen und private Leistungen bei der medizinischen Betreuung sind nur als Ergänzung sinnvoll.

Gegenthese: Verstaatlichungen sind keine hinreichende, wohl aber eine notwendige Bedingung für die Steuerung der Wirtschaft durch die Gesellschaft.

Wenn der Staat die Regeln für das Wirtschaftsleben festlegt, ist das eine Art Verstaatlichung, ein mehr oder weniger starker Eingriff. Aber das Problem sehen Sie doch bei den Energiepreisen: Eigentlich müssen Preissteigerungen bei Strom von den jeweiligen Länderverwaltungen genehmigt werden. Aber die segnen in der Regel alles ab, da die Energiewirtschaft die Beamten »pflegt«.

Müßte das Privatfernsehen - die größte gesellschaftliche Katastrophe nach 1945 - nicht verstaatlicht werden?

Ich war stets ein Anhänger des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Die Privatisierung hat nur zu Programmverflachung und Brutalisierung geführt. Die Überführung der Privatsender in öffentlich-rechtliche Trägerschaft wäre mein Herzenswunsch. Aber realistisch ist das in absehbarer Zeit nicht. Ein Fortschritt wäre schon eine Regulierung dergestalt, daß der Gesetzgeber fernsehfreie Tage einführt, damit das Familienleben wieder zu seinem Recht kommt. Der völlig überhöhte Fernsehkonsum ist ein klassisches Beispiel für die schädliche Wirkung des Neoliberalismus. Viel wichtiger noch: Die ganze Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse zerstört die Familien und das Gemeinschaftsleben. Anstelle eines unüberschaubaren Nebeneinanders von Ein-Euro-Jobs, Mini-Jobs und Teilzeitjobs brauchen wir mehr standardisierte Vollzeitarbeitsplätze - nur so können Menschen in die Lage versetzt werden, eine Familie zu gründen und zu erhalten.

Linke und Blauhelme

Zur Außenpolitik. Die Linke im Bundestag fordert eine Beendigung der Bundeswehreinsätze zur Unterstützung der US-Kampfeinsätze wie Enduring Freedom. Aber schließt das auch das Ende der Beteiligung an sogenannten Peace-Keeping-Missionen wie ISAF in Afghanistan und KFOR im Kosovo ein?

Peace-Keeping sollte im Grundsatz möglich sein. Schon als stellvertretender SPD-Vorsitzender habe ich mich Anfang der neunziger Jahre dafür stark gemacht, in klarer Abgrenzung zur militaristischen Position.

Was bedeutet das zum Beispiel für die ISAF?

Die deutsche Unterstützung für den ISAF-Einsatz muß sofort eingestellt werden, weil es dazu eine Vorgeschichte gibt, nämlich die Unterstützung der Amerikaner für Al Qaida und Taliban vor dem 11. September sowie die flächendeckende Bombardierung Afghanistans danach. Es kann nicht sein, daß Peace-Keeping-Einsätze dazu mißbraucht werden, die Trümmer, die die US-Politik hinterläßt, wegzuräumen. Die Soldaten sind dann nämlich dem Haß und Rachebedürfnis der Menschen ausgesetzt, deren Familien Opfer der Bomben wurden.

Populismus von links

Bisweilen werden Sie als Populist beschimpft. Ist das nicht auch ein Kompliment?

Das könnte man so sehen, wenn gemeint ist, daß ich die Bevölkerung verstehe und dem Volk »auf’s Maul schaue«. Aber es ist anders gemeint, nämlich daß ich Dinge verspreche, die nicht haltbar sind. Dafür bin ich jedoch die falsche Adresse. Als SPD-Kanzlerkandidat war ich 1990 einer der wenigen, die dem Volk nicht nach dem Munde geredet, sondern vielmehr, obwohl es unpopulär war, auf die Folgen der verfehlten Einführung der D-Mark zum Wechselkurs von 1:1 hingewiesen haben. Heute heißt es, das Wahlprogramm der Linken sei nicht finanzierbar. Dabei sind wir die einzige Gruppe, die die Reichen und Vermögenden steuerlich belasten will. Die beiden großen Volksparteien, das zeigen auch die Koalitionsverhandlungen, trauen sich nicht, den Reichen ans Geld zu gehen, und damit wird die Finanzkrise des Staates fortgesetzt.

Als populistisch wird insbesondere Ihre »Fremdarbeiter«-Rede kritisiert.

Bei dieser Rede habe ich mich insofern mißverständlich ausgedrückt, als wenig informierte Zuhörer den Schluß ziehen konnten, ich wolle gegen Zuwanderer polemisieren. Dabei ging es mir um Polemik gegen die Kapitalisten in Deutschland, die osteuropäische Arbeitskräfte schamlos ausbeuten. Ansonsten war die Aufregung ein Beispiel für eine verlogene Kampagne: Ein führender Politiker der Linken wurde wegen eines Begriffs angegriffen, den im selben Jahr der Spiegel, die FAZ, die Bundeszentrale für politische Bildung und die SPD-Bundestagsfraktion auch verwendet hatten, ohne daß jemand daran Anstoß genommen hätte. Der Versuch, mich als Nationalisten darzustellen, ist schon deswegen lächerlich, weil ich mich als einer der ersten für ein erweitertes Staatsbürgerrecht eingesetzt habe.

Was generell die linke Position zur Zuwanderung angeht, würde ich folgende Punkte herausheben: Zum einen brauchen wir einen Mindestlohn, damit Schluß ist mit der Ausbeutung in Deutschland. Gleichzeitig muß der Zustrom von Arbeitskräften begrenzt werden, da wir fünf Millionen Arbeitslose haben und die Linke vor allem jene im Auge haben muß, die sie gewählt haben. Unter diesen Arbeitslosen, das möchte ich unterstreichen, gibt es auch viele Migranten. Eine Forcierung von Einwanderung ganz generell ist dagegen eine Position des BDI, um mit diesem Druckmittel die Löhne nachhaltig zu senken. Die Linke darf sich dem nicht blauäugig anschließen, will sie nicht die Arbeitnehmerinteressen preisgeben.

Bedeutet das, wie Ihnen viele unterstellen, Grenzen dicht?

Ganz allgemein gesagt muß man Perspektiven für die Notleidenden in den Herkunftsländern eröffnen. Deswegen befürworte ich verstärkte Investitionen dort sowie eine Erhöhung der Entwicklungshilfe. Die Konzentration auf die Flüchtlinge ist verfehlt, da nach allen verfügbaren statistischen Daten nicht die Ärmsten der Armen nach Europa kommen, sondern die Gesunden und Gutausgebildeten.

Berlin: WASG contra PDS

Beim Parteibildungsprozeß zwischen Linkspartei.PDS und WASG ist Berlin eine Sollbruchstelle. Dort droht die WASG, bei den Wahlen nächstes Jahr gegen die PDS anzutreten, wenn diese ihre Koalitionszusage an die SPD erneuert.

Eine solche Bedingung ist nur nachvollziehbar, wenn sie inhaltlich begründet ist. Wer postuliert, man dürfe sich nicht an Landesregierungen beteiligt, solange der Neoliberalismus die Politik bestimmt, handelt unpolitisch. Nur solange die PDS - neben der FDP - auch in Länderregierungen vertreten ist, haben Union und SPD keine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat, um das Mehrheitswahlrecht zu beschließen. Würden sich die Vertreter der reinen Lehre durchsetzen, könnten künftig kleinere Parteien nicht mehr in den Bundestag kommen.

Wie bilanzieren Sie die Arbeit des SPD/PDS-Senats in Berlin?

Es kamen in dieser Konstellation Entscheidungen zugunsten der sozial Schwächeren zustande, die keine andere Koalition so getroffen hätte. Man kann natürlich diskutieren, ob das ausreicht. Aber unfair ist es, dem jetzigen Senat die Schuld an den Altlasten zu geben, die die vorherige große Koalition zu verantworten hat.

Aber gerade weil der Diepgen-Senat Milliardenlöcher hinterlassen hat und es deswegen keine Gestaltungsspielräume in Berlin mehr gibt, müßte sich die Linke auf die Opposition konzentrieren: In Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften den Sozialkahlschlag stoppen anstelle über ihre Senatoren das Elend zu verwalten.

Wenn es sicher ist, daß man in der Opposition für die Sozialschwachen mehr herausholen kann, dann wäre ich damit einverstanden. Aber ich habe große Zweifel. Nehmen Sie zum Beispiel die Umzugsverordnungen in Folge von Hartz IV: In der Regierungsverantwortung kann die Linke viele Wohnungsräumungen verhindern, die ansonsten gnadenlos exekutiert würden. Für die Betroffenen ist das wichtig.

Interview: Jürgen Elsässer

junge Welt, 15. November 2005