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Seehofers erschreckendes Demokratieverständnis

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Von Klaus Ernst, Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Landesliste Bayern

 

 

Seit Wochen kommt die CSU nicht mehr zur Ruhe, weil immer mehr Details über die Beschäftigungsaffäre bekannt werden. Nun hat CSU-Chef Horst Seehofer die Debatte zum zweiten Mal für beendet erklärt. Bayerns Ministerpräsident offenbart damit ein erschreckendes Demokratieverständnis.

Mehr als zehn Jahre lang besserten Bayerische Landtagsabgeordnete, darunter auch Mitglieder von Seehofers Kabinett, ihre Familieneinkommen auf, indem sie ihre Eltern, Frauen und Kinder mit öffentlichen Geldern beschäftigten. Dabei ist es Landtagsabgeordneten seit mehr als zwölf Jahren verboten, Familienangehörige ersten Grades anzustellen.

Eine Ausnahme galt für Verträge, die vor dem 01. Dezember 2000 geschlossen wurden. Sie durften unbefristet fortbestehen, denn der Landtag wollte lange bestehende Arbeitsverträge schützen. Doch mindestens zwölf CSU-Abgeordnete missbrauchten diese Ausnahmeregelung. Sie engagierten noch kurz vor Fristablauf ihre Ehefrauen und selbst minderjährige Kinder.
Mit Landwirtschaftsminister Helmut Brunner, Innenstaatssekretär Gerhard Eck und Kulturstaatssekretär Bernd Sibler haben sogar drei Mitglieder aus Seehofers Regierungsmannschaft ihre Ehepartner angestellt, als im Landtag bereits über eine Verschärfung der Beschäftigungsregeln debattiert wurde. Seehofer sprach ihnen trotzdem sein „uneingeschränktes Vertrauen“ aus.

Das erste Mal hatte er die Debatte schon Anfang Mai für beendet erklärt, nachdem seine Minister und Staatssekretäre angekündigt hatten, das Geld zurückzuzahlen. Immerhin ist jedes dritte Mitglied der Bayerischen Staatsregierung persönlich in die Affäre verstrickt! Doch auch jeder fünfte CSU-Landtagsabgeordnete beschäftigte in der aktuellen Legislaturperiode einen Verwandten ersten Grades bei sich. Hier sieht Seehofer allerdings keine Notwendigkeit, dem Freistaat das Geld zu erstatten.

Es scheint, als betrachtet die CSU den Bayerischen Staat noch immer als Beute. Anders lässt sich die dreiste Mitnahmementalität so vieler Abgeordneter und Kabinettsmitglieder nicht erklären. Doch wenn es nach Seehofer geht, soll nicht mehr darüber gesprochen werden. Er will mit aller Kraft raus aus der Regierungskrise und zwar so schnell wie möglich. Immerhin findet in diesem Jahr nicht nur die Bundestagswahl, sondern auch die Landtagswahl in Bayern statt.
Dass öffentliche Debatten ein grundlegender Bestandteil der Demokratie sind, hat sich in seiner Partei noch immer nicht herum gesprochen. Dabei liegt die Affäre um den zurückgetretenen CSU-Sprecher Hans Michael Strepp, der die Berichterstattung über den Bayerischen SPD-Parteitag verhindern wollte, schon ein paar Monate zurück.

Und so versucht Seehofer die kritische Berichterstattung über die Beschäftigungsaffäre erneut per Regierungserklärung zu beenden. Er offenbart damit nicht nur seine Hilflosigkeit, sondern vor allem ein erschreckendes Demokratieverständnis.

linksfraktion.de, 6. Juni 2013