Zum Hauptinhalt springen

Seehofer links abwatschen

Interview der Woche von Klaus Ernst,



Klaus Ernst über die Situation in Bayern eine Woche vor der Landtagswahl, anstehende Volksentscheide, die verheerenden Folgen einer bayerischen Schuldenbremse, den Fall Hoeneß, die PKW-Maut und die Heidenangst von Horst Seehofer vor einem erneuten Wahldebakel

Klaus Ernst, in Ihrer Heimat Bayern geht der Wahlkampf jetzt in mehrfacher Hinsicht in den Endspurt. Dort geben die Bürgerinnen und Bürger nicht nur am 22. September ihre Stimmen für die Bundestagswahl ab, sondern sind schon in der Woche zuvor aufgerufen, ihren Landtag und die Bezirkstage neu zu wählen. Außerdem stehen noch fünf Volksentscheide zur Abstimmung. Das hört sich nach vielen Chancen auf Veränderung an, oder?

Klaus Ernst: Diese geplanten Verfassungsänderungen sind in Wahrheit eine Mogelpackung, denn die Änderungsvorschläge sind nicht das Papier wert, auf dem sie stehen. Die Staatsregierung betreibt doch bereits seit Jahren einen massiven Verfassungsbruch. Zwei Beispiele: In Artikel 169 heißt es, "jedermann hat das Recht, sich durch Arbeit eine auskömmliche Existenz zu schaffen". Allein in Bayern hatten wir im Januar knapp 90.000 Erwerbstätige, die von ihrem Lohn nicht leben konnten und zusätzlich Sozialleistungen beantragen mussten. Gleichzeitig ist die CSU gegen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Zweites Beispiel: Artikel 158 schreibt vor, dass Eigentum gegenüber der Allgemeinheit verpflichtet. Der bayerische Sozialbericht stellt fest, dass der Vermögensreichtum in Bayern überdurchschnittlich ist. Statt die Vermögenden in die Verantwortung zunehmen, fordert die CSU seit Jahren die Abschaffung der Erbschaftssteuer.

Aber die Arbeitslosenquote liegt bei spektakulär niedrigen 3,4 Prozent, das Pro-Kopf-Einkommen liegt oberhalb des Durchschnitts, und das Bruttoinlandsprodukt wird nur noch durch Nordrhein-Westfalen getoppt. Welche Herausforderungen warten da eigentlich auf DIE LINKE?

Diese Zahlen überdecken die Wirklichkeit: Die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede haben seit den 90er Jahren zwischen Bayerns Regionen dramatisch zugenommen. So liegen die Pro-Kopf-Einkommen in den meisten Landkreisen Niederbayerns, der Oberpfalz und Oberfrankens weit unter dem bayerischen Durchschnitt. Gerade im ländlichen Raum müssen viele Menschen erleben, wie Firmen schließen, Arbeitsplätze und die Gewerbeeinnahmen verloren gehen. Wenn gute Arbeit fehlt, es kaum Kitas gibt, dann wandern Familien notgedrungen ab. Statt ganz Bayern im Blick zu haben, konzentriert sich die Staatsregierung einseitig auf die Zentren und überlässt die strukturschwachen Regionen ihrem Schicksal. Wir wollen deshalb gleich gute Bedingungen für Arbeit und Leben in allen bayerischen Regionen.

Einer der Volksentscheide, die am Sonntag zur Abstimmung stehen, will für Bayern eine Schuldenbremse einführen. Was halten Sie davon?

Die sogenannte Schuldenbremse würde dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit des Staates, insbesondere der Kommunen, massiv eingeschränkt wird. Die bayerische Verfassung verlangt in Artikel 10 ausdrücklich, dass "das wirtschaftliche und kulturelle Eigenleben Bereich der Gemeindeverbände vor Verödung zu schützen ist“. Gleichzeitig muss einem klar sein, dass die Buchhalter im Finanzministerium und nicht mehr der Landtag die Politik des Freistaates bestimmen werden. Wer also gegen die Kürzung für Bildung, Umweltschutz und Sozialleistungen ist, muss deshalb seine Stimme der LINKEN geben.

Wie kann man Großverdiener wie Uli Hoeneß dazu bekommen, ihr Einkommen in Bayern versteuern, statt es auf Schwarzgeldkonten in der Schweiz und anderswo anzuhäufen?

Zunächst einmal ärgert es mich maßlos, dass aufgrund der gesellschaftlichen Stellung bestimmter Personen mit zweierlei Maß gemessen wird. Da verliert eine Kassiererin, die einen uneingelösten Pfandbon mitnimmt ihren Job und ein Multimillionär, der den Staat um mindestens 3,2 Millionen Euro beklaut hat, wird von der bayerischen Justiz mit Samthandschuhen angefasst. Schon jetzt zeichnet sich doch ab, dass Hoeneß lediglich zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wird. Die strafbefreiende Selbstanzeige ist mithin Teil des Problems, zu dessen Beseitigung sie eigentlich beitragen soll. Sie funktioniert offensichtlich nicht, wie der Fall Hoeneß zeigt, und gehört deshalb abgeschafft.

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer charakterisierte Bayern bereits vor einiger Zeit als "das älteste, stärkste und erfolgreichste Land in Deutschland". Damit rechtfertigte er damals die zwei getrennten Wahltermine. Wird es mit dieser Begründung wohl bald auch eine freistaatliche PKW-Maut für alle Nicht-Bayern geben?

Die Aussage Seehofers amüsiert mich. Tatsächlich hat Seehofer doch eine Heidenangst davor, dass die CSU erneut ein Wahldebakel wie 2009 erlebt, würde die Landtagswahl auf den Termin der Bundestagswahl fallen. Er spekuliert mit einer niedrigen Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl, um sich und seinen Amigo-Freunden die Macht zu sichern. Was die PKW-Maut angeht: Sie wäre das Letzte, was die Pendler im Flächenland Bayern gebrauchen können. Es ist ja bezeichnend, dass Seehofer bisher kein Wort darüber verloren hat, wie eine Beschränkung der Maut auf ausländische Autofahrer funktionieren soll. Viel schlimmer als die billige Wahlkampfrhetorik Seehofers ist doch, dass es die bayerische Staatsregierung jahrelang versäumt hat in den öffentlichen Nahverkehr zu investieren. Das ist der eigentliche Skandal!

Am traditionsreichen Gillamoos-Volksfest findet, ähnlich dem politischen Aschermittwoch, alljährlich der politische Frühschoppen mit bekannter bundespolitischer Prominenz statt. Wenn beim Gillamoos-Fest DIE LINKE auch ein Zelt gehabt hätte und Sie Redner gewesen wären – was wäre ihr Schlusswort gewesen?

DIE LINKE ist die einzige Partei in Bayern, die sich nicht auf Kosten der Steuerzahlerinnen und -zahler bereichert hat. Wir sind 100% sozial und amigofrei.

linksfraktion.de, 9. September 2013