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Sechs Fragen an Katja Kipping

Im Wortlaut von Katja Kipping,

41 der 76 Abgeordneten, die DIE LINKE im 17. Bundestag stellt, üben ihr Mandat bereits seit 2005 oder länger aus. Woran können sie anknüpfen? Wie wollen sie ihre Arbeit fortsetzen? Was wollen sie anders machen? linksfraktion.de fragt nach.


Katja Kipping, 31, Sprachwissenschaftlerin aus Sachsen

Welche Erfahrung, welches Ergebnis oder Ereignis hat Sie in den zurückliegenden vier Jahren besonders darin bestärkt, dass sich ihre Arbeit lohnt?

Nach einer meiner ersten Reden im Bundestag schrieb mir eine Erwerbslose, sie habe meine Rede über PHOENIX gesehen und sei unglaublich froh, endlich hätte jemand über Erwerbslosigkeit so gesprochen, dass sie sich mit ihren Problemen gemeint fühlte. Persönlich habe ich mich sehr für die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens engagiert. Vor kurzem brachte eine repräsentative Umfrage im Auftrag der LINKEN ans Licht, dass der gesellschaftliche Zuspruch dazu sehr groß ist. 70 Prozent stimmen der Aussage zu, dass ein Grundeinkommen eingeführt werden soll. Hier trägt auch meine Argumentationsarbeit Früchte.

Neue Wahlperiode, alte Kanzlerin: Mit welchen Erwartungen gehen Sie als Abgeordnete in die kommenden vier Jahre?

Zu dem Thema habe ich einen langen Artikel für das Magazin Luxemburg geschrieben. Da ich das jetzt nicht auf drei Sätze reduzieren kann, erlaube ich mir an dieser Stelle einfach auf die nächste Ausgabe der Luxemburg zu verweisen.

Was wollen Sie im Bundestag anders oder besser machen als bisher?

Ich möchte zunächst erst einmal viele Projekte fortsetzen, z.B. das regelmäßige Treffen mit den ARGE-Beiräten und den Sozialticketinitiativen aus Kommunen bundesweit. Neu hinzugekommen ist im Sommer die Mitarbeit im überparteilichen und außerparlamentarischen Bündnis für ein Sanktionsmoratorium. Was ich besser machen möchte? Nun, ich habe gerade die Ordner und das Papier, was sich im Laufe einer Wahlperiode angesammelt hatte, gesichtet und den Großteil entsorgt, weil in meinen Regalen kaum noch Platz war. In Zukunft will ich viel weniger aufheben.

DIE LINKE ist jetzt mit 76 Abgeordneten im Bundestag vertreten - 23 mehr als bislang. Was wird sich in der neuen Fraktion und für Sie als eines ihrer Mitglieder verändern?

An meinem Zuständigkeitsbereich wird sich nichts ändern. Aber es gibt viele neue interessante Kolleginnen und Kollegen - und wie die Fraktionsklausur in Rheinsberg bewies - darunter auch viele, die gerne tanzen. Insofern freue ich mich schon auf die Fraktionsweihnachtsfeier.

Warum ist Opposition nicht Mist?

Die Bilanz unserer Arbeit in den letzten vier Jahren zeigt: Wir konnten auch aus der Opposition heraus die gesellschaftliche Debatte nach links verschieben und in Einzelfällen helfen. So gab es beispielsweise in Köln die repressive Praxis der ARGE, wonach sich jeder ALG-II-Beziehende verpflichten musste, jeden Monat etwas anzusparen. Wer sich weigerte, bekam das ALG II gekürzt. Auf unsere Intervention hin musste diese Praxis eingestellt werden. Außerdem konnten wir konkrete Verbesserungen befördern, z.B. das Schulstarterpacket, die Einführung von Mindestlöhnen zumindest in einzelnen Branchen sowie die längere Auszahlung vom Arbeitslosengeld I für Ältere.

Wie können Sie als Abgeordnete dazu beitragen, dass die Bürgerinnen und Bürger selbst noch mehr für ihre Interessen streiten?

Erstens durch Aufklärung über Zusammenhänge. Zum Beispiel: Niedrige Sozialleistungen ziehen mit etwas Verzögerung das Lohngefüge nach unten. Denn je schlimmer die Situation von Erwerbslosen ist, umso eher sind die Beschäftigten zu Zugeständnissen bereit. Wenn wir über diese Zusammenhänge aufklären und die Tiraden gegen faule Erwerbslose als das entlarven, was sie sind - reine Ablenkungsmanöver von den Ursachen von Ausbeutung -, dann ist es auch leichter, die Kämpfe um Sozialleistungen und um gute Arbeit zusammenzubringen. Zweitens setzt politisches Engagement ein Mindestmaß an materieller Absicherung voraus. Denn man muss sich die Fahrt zum Treffen der Bürgerinitiative ja auch leisten können. Die Stärkung sozialer Rechte und auf kommunaler Ebene das Sozialticket wirken hier auch Demokratie befördernd. Drittens können wir als Abgeordnete politisches Engagement ganz praktisch unterstützen, indem wir beispielsweise unsere Büros als offene Büros ausgestalten, die auch von politischen Initiativen für selbstbestimmtes politisches Engagement genutzt werden - sei es zum Kopieren von Flyern während des Bildungsstreikes, als Infotelefon während einer Antifa-Demo oder als Treff- und Partyraum für die Studierendengruppe.