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Schwache Ambitionen der EU grenzen an Harakiri

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

Eva Bulling-Schröter unterwegs in ihrem Wahlkreis, hier auf dem Biobauernhof von Tim Brand in Denkendorf im Bayerischen Altmühltal. Foto: DBT/Studio Kohlmeier

 

Eva Bulling-Schröter zur EU-Klima- und Energiepolitik

Gegenwärtig wird in Brüssel der Rahmen für die Klima- und Energiepolitik nach 2020 verhandelt. Das kürzlich vorgestellte Kommissions-Paket zum Thema hat Umweltschützerinnen und -schützer geschockt. Kein Wunder, denn das EU-Klimaschutzziel bis 2030 ist in den Mitteilungen der Kommission mit 40 Prozent weniger Treibhausgase gegenüber 1990 um mindestens 15 Prozent zu niedrig angesetzt. Auch mit dem für die einzelnen Mitgliedstaaten unverbindlichen EU-Ausbauziel für erneuerbare Energien von 27 Prozent demontiert Europa seine ohnehin angekratzte Vorreiterrolle im internationalen Klimaschutz. Es liegt ebenfalls deutlich unter dem Machbaren. Im Hinblick auf die Verhandlungsposition beim UN-Klimagipfel in Paris 2015 grenzt dies an Harakiri. Mit solch schwachen Ambitionen wird die Union dort nicht punkten können. Beides wird zudem der konventionellen Kraftwerkswirtschaft nutzen und die Energiewende behindern.

Abgesehen von den schwachen Zielstellungen: Mit dem Abrücken von dem noch bis 2020 geltenden Zieltrias Klimaschutz / Ökoenergien / Effizienz geht Brüssel in die Richtung jener Marktapologeten, die der Meinung sind, ein einziges Ziel – nämlich das einer geplanten Treibhausgasminderung – reiche vollkommen aus. Vereinfacht würden die Wirtschaftsakteure dann schon selbst herausfinden, welches die preiswerteste Klimaschutzoption sei. Man könne also wählen etwa zwischen einem Brennstoffwechsel von Kohle zu Gas, dem Zubau von Ökostromanlagen oder dem Energiesparen.

Das klingt zunächst gut. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass alle drei Felder gleichzeitig beackert werden müssen. Wir brauchen neben einem großen Klimaschutzziel für jedes Jahr ambitionierte verbindliche Vorgaben für die Energieerzeugung aus Wind, Sonne und Biogas. Zwar nicht zwingend nach einzelnen Erzeugungsarten, aber in Summe. Nur so machen sich tatsächlich alle Mitgliedstaaten Gedanken über Fördermodelle, die zu einem breiten Ausbau verschiedener Technologien führen. Sie müssen so gestrickt sein, dass eine Zeit lang nicht nur vergleichsweise preiswerte Technologien, wie Wind und Wasserkraft, sondern auch die noch teureren, wie Photovoltaik oder Biogas eine Chance haben. Solche Fördersysteme haben in der Vergangenheit die Kilowattstunde Ökostrom enorm verbilligt. Ein gutes Beispiel ist das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz. Bei Neuanlagen kostet darum heute nicht nur Windstrom an Land nicht mehr als Strom aus Kohle oder Gaskraft, sondern auch Solarkraft in der Freifläche.

Der vorläufige Verzicht auf ein EU-Effizienzziel ist ebenfalls unverständlich. Liegen hier doch die größten und preiswertesten CO2-Einsparpotentiale, die aber offensichtlich nicht gehoben werden. So rechnen sich moderne Industriepumpen teilweise schon nach Monaten weil sie Unmengen Strom sparen. Dennoch werden sie vielerorts nicht ausgetauscht - aus Bequemlichkeit oder Unwissen. Genau darum fordern Wissenschaftler und Umweltschützer seit Jahren verbindliche Zielstellungen in der Effizienzpolitik, denen dann natürlich sinnvolle Instrumente und Maßnahmenkataloge folgen müssen.

Im Paket aus Brüssel steckte auch ein Vorschlag zum EU-Emissionshandel für die Zeit nach 2020. Die Ausgangslage: Noch aus der Handelsperiode 2008 bis 2012 lasten jede Menge überschüssiger Emissionsrechte auf dem System. Europaweit zwei Milliarden davon  - soviel wie die gesamten EU-Emissionen von Energiewirtschaft und Industrie eines Jahres – haben den CO2-Preis in den Keller geschickt. Der Überfluss entstand aus zweifelhaften Billigzertifikaten aus Entwicklungsländern, Überzuteilungen an die Industrie sowie krisenbedingt. Er wird sogar noch anwachsen auf 2,6 Milliarden im Jahr 2019. Anreize zum Energiesparen in der Wirtschaft kann man so vergessen. Auch die Kohleverstromung feiert fröhlich Urstände, denn der Treibhausgasausstoß kostet fast nix. 

Brüssel will nun eine so genannte Marktreserve bilden, in die schrittweise ein Teil der Zertifikatsüberschüsse fließen soll, sofern sie im Vor-Vorjahr größer sind als 830 Millionen Tonnen CO2. Sinken die Überschüsse aber unter 400 Millionen Tonnen, so werden genauso automatisch Emissionsrechte zusätzlich versteigert. Im Ergebnis wird sich der Berg heißer Luft erst gegen 2030 auf rund 650 Millionen Tonnen verringert haben. Wir werden also die nächsten 15 bis 20 Jahre mit ziemlicher Sicherheit keine CO2-Preise sehen, die den Emissionshandel zu einem Klimaschutzinstrument machen könnten. Dafür wäre es notwendig, unverzüglich alle überschüssigen Zertifikate stillzulegen und darüber hinaus den Minderungspfad doppelt so steil zu machen, wie er derzeit ist.

Fazit: Die EU-Energie- und Klimapolitik hat gegenwärtig zum Schutz der Erdatmosphäre kaum etwas zu bieten. Schwache Ziele und fehlerhafte Instrumente werden eine tatsächliche Energiewende verhindern. Ein neues EU-Parlament mit einer starken LINKEN muss dies korrigieren.

 

linksfraktion.de, 14. Februar 2014