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Schutzbund fordert mehr Kindergeld

Im Wortlaut,

Zwei Millionen Kinder in Armut / Gezielte Erhöhungen für Geringverdiener angeregt

Die Zahl in Armut lebender Kinder in Deutschland ist auf ein Rekordniveau von rund zwei Millionen gestiegen. Der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) fordert unverzüglich Maßnahmen dagegen.

Seit Einführung der Hartz-Gesetze hat die Zahl der in Armut lebenden Kinder einen neuen Höchststand erreicht. Trotz angeblich positiver Konjunktur und Wirtschaftsaufschwung waren nach Angabe der Bundesagentur für Arbeit (BA), die sich bei ihrer Berechnung auf das Bremer Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ) stützt, im März dieses Jahres 1,929 Millionen Kinder unter 15 Jahren arm. Das sind 17 Prozent aller Kinder und ungefähr 70 000 mehr als noch im März 2006.

Nach Auffassung von Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, bedürfe die vorliegende Zahlenerhebung einer Korrektur. Begrenze man die Berechnung nicht mit dem fünfzehnten Lebensjahr, sondern setze die Volljährigkeit als Maßstab, so müsse die Zahl der armen Kinder noch um 600 000 auf 2,6 Millionen erhöht werden. Hilgers bezeichnete die neuen Zahlen auf einer Pressekonferenz am Montag als »einen Skandal« und warf der Bundesregierung gleichzeitig den Bruch der Koalitionsvereinbarungen vor. »Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD steht auf Seite 118 unter Familienfreundliche Gesellschaft: Wir wollen materielle Kinderarmut reduzieren und hierzu den Kinderzuschlag mit Wirkung ab dem Jahre 2006 weiterentwickeln.« Doch selbst wenn die Koalition es jetzt noch versuchen würde, so die pessimistische Prognose von Hilgers, »für 2008 kriegen die das gar nicht mehr hin«. Der Präsident des Kinderschutzbundes fordert die Bundesregierung unmissverständlich auf, »endlich die schon für das Jahr 2006 im Koalitionsvertrag versprochene Reform des Kinderzuschlages als wirksames Mittel gegen Kinderarmut durchzuführen und schnellstmöglich in Kraft zu setzten.«

Für Heinz Hilgers ist ein Zuschlag zum jetzigen Kindergeld von 175 Euro pro Kind und ab dem dritten Kind von 225 Euro an alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ein geringes Einkommen vorweisen, angemessen. Der DKSB fordert, diesen Leistungszuschlag automatisch über die Kindergeldkasse nach Anforderung und Abgabe einer Einkommenserklärung auszuzahlen und so lange zu gewähren, wie es die ökonomischen Verhältnisse der Betroffenen verlangen.

Außerdem erachtet der Kinderschutzbund die Reform der Hartz-Gesetze für notwendig, um einen weiteren Anstieg der Kinderarmut zu verhindern. Für Bekleidung und Schulbedarf sollten einmalige Leistungszahlungen wieder eingeführt werden. Ebenso müsse der Staat für Kinder in prekären Lebenssituationen den unentgeltlichen Besuch in einer ganztägigen Bildungseinrichtung ermöglichen. Anfallende Verpflegungskosten in Schulen und Kindertagesstätten seien von staatlichen Institutionen zu übernehmen. Die organisatorische Trennung von Jugendhilfe und Arbeitslosengeld II einschließlich der Arbeitsvermittlungen ist nach Ansicht des DKSB ebenfalls aufzuheben.

Von Christian Klemm

Neues Deutschland, 28. August 2007