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Ein Schild mit der Aufschrift »Geschlossen« hängt in einem Schaufenster © iStock/Heiko119

Schluss mit dem Chaos!

Im Wortlaut von Alexander Ulrich,

Durch die zweite Welle und den zweiten Lockdown hat sich die wirtschaftliche und soziale Corona-Krise nochmals deutlich verschärft. Selbst die zweckoptimistische Prognose des Bundeswirtschaftsministeriums geht mittlerweile davon aus, dass das ökonomische Vorkrisenniveau frühestens im Verlaufe des Jahres 2022 wieder erreicht werden kann. Zudem bestehen weiterhin erhebliche Risiken für die wirtschaftliche Erholung, etwa durch die Corona-Mutationen und die Unklarheit darüber, ob die Impfstoffe vor einer Weitergabe des Virus schützen.

Umso wichtiger, dass die öffentliche Hand „klotzt und nicht kleckert“, wie es in Regierungskreisen so oft, so schön heißt. Doch das Selbstbild von einem Kabinett, das zupackt und den Bürgern und Unternehmen unbürokratisch hilft, um sie über die Krise zu bringen, geht leider weit an der Realität vorbei. Bei der Auszahlung längst beschlossener Hilfsgelder herrscht seit Monaten das pure Chaos. Von den für 2020 beschlossenen Unterstützungsmitteln in Höhe von 43 Milliarden Euro wurden lediglich 37 Prozent ausgegeben!

Besser läuft es in der zweiten Welle nicht. So sind von dem im Rahmen der Überbrückungshilfen I und II beschlossenen Gelder in Höhe von 24,6 Milliarden Euro lediglich 2,1 Milliarden abgeflossen. Offensichtlich liegt das nicht daran, dass keine Unterstützung mehr benötigt wird – wir stehen am Beginn einer enormen Insolvenzwelle. Dass der Großteil der Gelder immer noch nicht geflossen ist, kann nur mit der intransparenten und bürokratischen Vergabepraxis erklärt werden. 

Dadurch werden vor allem Kleinunternehmen und Solo-Selbstständige massiv benachteiligt. Großkonzerne verfügen über genügend Anwälte und Experten, um alle Anträge richtig auszufüllen und dafür zu sorgen, dass sie die Mittel bekommen, auf die sie einen Anspruch haben. Bei den Kleinen scheitert der Antrag hingegen oft schon am Honorar für den Steuerberater, da die Regierung selbstgestellte Anträge nicht zu akzeptieren bereit ist.

Hier muss sich dringend etwas ändern. Die Hilfsgelder helfen nur, wenn sie Pleiten verhindern. Dafür müssen sie vor der Pleite bei den Empfängern ankommen. Die Bundesregierung muss die Vergabeverfahren erheblich beschleunigen und entbürokratisieren. Sie sollte die Möglichkeit schaffen, dass Solo-Selbstständige ihre Anträge selbst stellen, statt auf einen Termin beim völlig überlasteten Steuerberater zu warten. Detailüberprüfungen können auch nachtäglich erfolgen. Jetzt muss das Geld schnell fließen, so wie es immer wieder versprochen wurde. Außerdem müssen die Hilfen für Kleinunternehmen, etwa im Einzelhandel, deutlich erhöht werden. 

Auch ist es gerade in niedrigeren Einkommensgruppen nicht länger zumutbar, dass die Beschäftigten in Form des Kurzarbeitergeldes mit extremen Einkommensverlusten konfrontiert werden. Die Lohnersatzleistungen für Beschäftigte müssen dringend erhöht werden. Und die Pharmakonzerne müssen gezwungen werden, die Patente für die Impfstoffe freizugeben! Die Privatunternehmen sind offensichtlich nicht bereit oder nicht in der Lage, die Produktion hochzufahren. Dieses Marktversagen ist inakzeptabel – es kostet Menschenleben und verschärft die Krise weiter. 

Auch muss der Gesundheitsschutz für alle Menschen ausgebaut werden: mehr Homeoffice ist gut, hilft aber wenig, wenn sich das Virus in den Werkshallen und Packzentren ungehindert ausbreitet. Alle Menschen müssen Zugang zu FFP2-Masken erhalten, um sich schützen zu können. Es braucht eine zentrale Beschaffung und eine kostenlose Ausgabe an Menschen, die sich dieses Schutzniveau sonst nicht leisten können. Damit auch sozial Benachteiligte die Möglichkeit haben, sich angemessen zu schützen, müssen die Leistungen der Grundsicherung erhöht werden.