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Schlecker: Ein Großunternehmen als Würstchenbude

Im Wortlaut von Sabine Zimmermann,

Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, erklärt, warum die Politik für die Schlecker-Pleite mitverantwortlich ist, sich deshalb für die Beschäftigten und ihre Arbeitsplätze einsetzen muss.
 

 

Vertreter von Union und FDP lehnen eine Rettung von Schlecker ab. Sie verweisen darauf, dies sei das Ergebnis einer Marktwirtschaft. Aber die Politik ist für die Pleite mitverantwortlich. Wie eine Anfrage der LINKEN bei der Bundesregierung aufdeckt, nutzte Schlecker eine gesetzliche Regelung, nach denen Großunternehmen mit tausenden Beschäftigten um eine solide Rechungsführung herumkommen und sich einer Kontrolle durch einen Aufsichtsrat entziehen können. Als sogenannter „eingetragener Kaufmann“ war Anton Schlecker nicht verpflichtet Insolvenz anzumelden und kann auch nicht für eine Insolvenzverschleppung strafrechtlich belangt werden. Neben Schlecker gibt es mindestens acht weitere Großunternehmen mit über 1.000 Beschäftigten, die als „eingetragener Kaufmann“ oder selbständig geführt werden.

Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, fordert: „Sonderregelungen wie beim eingetragenen Kaufmann darf es nicht mehr geben. Der Gesetzgeber ist gefordert alle Schlupflöcher zu schließen, mit denen Großunternehmen einer umfassenden Transparenzpflicht und Kontrolle entgehen können. Dazu muss auch ein Stärkung der Mitbestimmung der Beschäftigten gehören. Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten müssen zwingend einen Aufsichtsrat einrichten, der zur Hälfte aus Vertretern der Beschäftigten besteht.“ Zimmermann sieht die Politik wegen ihrer Mitverantwortung bei der Schlecker-Pleite in einer besonderen Pflicht, sich für den Erhalt der Arbeitsplätze einzusetzen: „Der derzeitige Insolvenzplan kann nicht das letzte Wort sein. Ein mögliches neues Unternehmensmodell ist auch mit staatlichen Geldern zu unterstützen, sofern die Belegschaft Einfluss auf die Geschäftspolitik bekommt. Es gehe bei der Unternehmensrettung um zehntausende Beschäftigte und ihre Familien, nicht um Anton Schlecker“, so die Abgeordnete.

Im Einzelnen

Die Drogeriekette Schlecker wurde von seinem gleichnamigen Besitzer Anton Schlecker als sogenannter „eingetragener Kaufmann“ geführt. So war es ihm möglich, die für Großunternehmen üblicherweise geltenden Transparenzpflichten und Kontrollgremien zu umgehen. Laut der Bundesregierung sind wirtschaftlich besonders bedeutende Unternehmen (meist als GmbH oder Kapitalgesellschaft organisiert) „strengeren Anforderungen an die Rechnungslegung unterworfen“. Jedoch sind „einzelkaufmännisch geführte Unternehmen von der Pflicht zur Offenlegung der Gewinn- und Verlustrechnung befreit, wenn sie einzelne besonders wichtige Angaben veröffentlichen (z. B. Umsatzerlöse, Beteiligungserträge, Angaben zurr Personalaufwand)“. Dies war bei Schlecker der Fall. Hinzu kam die fehlende Mitbestimmung über einen Aufsichtsrat, da laut Bundesregierung „Aufsichtsräte nur für solche Unternehmensformen vorgeschrieben sind, bei denen typischerweise die Inhaber an der Geschäftsleitung nicht beteiligt sind. Die Einflussnahme z. B. auf die personelle Zusammensetzung der Unternehmensleitung durch einen Aufsichtsrat ist bei Einzelkaufleuten nicht angezeigt.“

Schlecker ist kein Einzelfall, es gibt es mindestens acht weitere Großunternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten, die als sogenannter „eingetragener Kaufmann“ geführt werden. Das teilt die Bundesregierung auf Berufung des Unternehmensregisters beim Statistischen Bundesamt mit. Genauere Angaben, um welche Unternehmen es sich handelt, würden ihr nicht vorliegen. Ferner gibt es dutzende Firmen, die als eingetragener Kaufmann registriert sind und für hunderte Mitarbeiter eine beträchtliche Verantwortung tragen, aber ebenso wenig nicht verpflichtet sind, eine transparente Rechnungsführung zu betreiben. Sie können bei einer Insolvenzverschleppung strafrechtlich nicht belangt werden. Wie die Bundesregierung mitteilt, sieht das Gesetz für alle persönlich haftenden Gesellschafter „ein Recht, nicht aber eine Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrags vor.“ Damit entfällt die Strafbarkeit, nach der bis zu drei Jahren Gefängnis drohen.

Der Fall Schlecker zeigt, es gibt gesetzlichen Regelungsbedarf. Anton Schlecker hat seine Firma wie ein Patriarch geführt und der Gesetzgeber hat dies zugelassen. Daran ändern auch die jährlichen Geschäftsberichte durch externe Wirtschaftsprüfer nichts. Bereits seit 2003/2004 sollen die Probleme bei Schlecker deutlich geworden sein, 2009 die finanzinterne Kontrolle Alarm geschlagen haben. In den Berichten der Wirtschaftsprüfgesellschaft Ernst & Young sucht man danach vergebens. Im Sommer 2011 schrieben sie noch: Es wird „eine Verbesserung der Ergebnissituation im Vergleich zum Vorjahr erwartet. Die Planung sieht vor, dass Ende 2011 der Turn-Around und 2012 ein positives Ergebnis erreicht wird.“ Bekanntlich kam es tatsächlich zu einem Umschwung (Turn-Around), der aber in der Insolvenz endete. Pro Bericht bekamen die Prüfer von Ernst & Young übrigens über 300.000 Euro.

linksfraktion.de, 29. März 2012