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Sanktionen gegen Russland: kopf- und konzeptionslose EU-Führung

Im Wortlaut von Axel Troost,

Von Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE und stellvertretender Vorsitzender der Partei DIE LINKE





Die EU-Sanktionen gegen Russland werden ausgeweitet. Der Grund: Russland unternehme zu wenig, um die Lage in der Ost-Ukraine zu beruhigen. Russland habe auch eine Woche nach dem Absturz der malaysischen Boeing keine Schritte zur Deeskalation des Konflikts im Osten der Ukraine eingeleitet. Die internationale Völkergemeinschaft sei daher gezwungen neue Sanktionen zu beschließen.

Mit diesen Maßnahmen gesteigerter Konfrontation will die EU Russland zwingen, die Unter-stützung für die Aufständischen in der Ostukraine aufzugeben. Unter welchen Bedingungen die EU aus dieser Eskalationslogik aussteigen will, bleibt völlig ungeklärt.

Seit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts sind mindestens 1100 Menschen getötet und über 3000 Bewohner verletzt worden.1 Die Zahl der Ab- und Auswanderungen aus der Kriegsregion und darüber hinaus in Richtung Russland wird auf circa 100.000 geschätzt. Der ukrainischen Armee wird in dem Bericht vorgeworfen, bei ihren Militäraktionen den Schutz von Zivilisten vernachlässigt zu haben. Weiter wird in dem UNO-Dokument festgestellt, dass bewaffnete Gruppen öffentliche Einrichtungen angegriffen, Banken ausgeraubt und Eisenbahngleise gesprengt hätten.

Seit Monaten liefern sich prorussische Separatisten heftige Kämpfe mit dem ukrainischen Militär. Das Vorgehen sowohl der Separatisten als auch der Armee müsse unter Umständen als Verletzung des Völkerrechts eingestuft und verfolgt werden. Bei Kämpfen in Donezk und Lugansk hätten beide Seiten schwere Waffen in bewohnten Gegenden eingesetzt, darunter Artillerie, Panzer und Raketen. Bei den Kämpfen habe es zahlreiche zivile Opfer gegeben.

Entscheidende Frage

Außenminister Frank-Walter Steinmeier betonte mehrfach, dass die EU auf einen Waffen-stillstand im Osten der Ukraine hinarbeite. Die entscheidende Frage ist daher: Wird man durch Verschärfung der Sanktionen einer Vereinbarung zu einem Waffenstillstand und zu Verhandlungen näher kommen? Ich stehe dieser Logik sehr skeptisch gegenüber. Selbst wenn die Kritik zutreffend ist, dass Russland keine Schritte zur Deeskalation unternommen hat, bleibt auch zutreffend, dass die ukrainische Regierung militärische Operationen gegen die Ostukraine ausgelöst hat. Ansätze zu einem Waffenstillstand und zu Verhandlungen sind bislang immer versandet. Russland forderte, die Ermittlungen zur Absturzursache unter die Leitung der Vereinten Nationen zu stellen. Dafür sollte der Weltsicherheitsrat eine entsprechende Entscheidung treffen.

Selbst wenn der Westen mit der Haltung von Russland unzufrieden ist: Fakt ist auch, dass nur bei entsprechendem Druck auf die ukrainische Regierung eine Situation für eine Verhandlungslösung geschaffen werden könnte.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte eine Waffenruhe im Umkreis von 40 Kilometern um die Unglücksstelle zugesagt; die Umsetzung blieb aus. Die ukrainischen Angriffe wirkten wie eine Großoffensive, um das Separatistengebiet in zwei Hälften zu teilen und die Millionenstadt Donezk einzukreisen.

Die Botschafter der 28 EU-Staaten haben eine Ausweitung der Liste mit Namen beschlossen, gegen die Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängt werden. Bislang hat die EU Einreiseverbote und Kontensperrungen gegen 87 Personen sowie 18 Organisationen und Unternehmen beschlossen.

Finanzsanktionen zielen auf Staatsbetriebe

Auch auf ein Handels- und Investitionsverbot für die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim sowie die Stadt Sewastopol haben sich die EU-Mitgliedsländer verständigt. Außerdem haben die EU-Botschafter erstmals Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen. Grundsätzlich wird versucht die russische Wirtschaft möglichst hart zu treffen und die negativen Folgen für die eigenen Unternehmen zu begrenzen. Beispiel dafür sind die Finanzsanktionen. Sie zielen vorrangig auf Staatsbetriebe, die sich zwischen 2004 und 2012 satte 16,4 Milliarden Euro auf dem EU-Kapitalmarkt besorgt haben und nun davon abgeschnitten werden sollen. Allen EU-BürgerInnen wäre es künftig verboten, in Anleihen oder Schuldscheine dieser Firmen mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen zu investieren. Das Verbot gilt für den Handel mit neu ausgegebenen Bonds und mit bereits bestehende Anleihen. Auch Dienstleistungen zum Einfädeln solcher Deals werden untersagt. Dies werde zu höheren Zinsen führen und "ein Klima der Marktunsicherheit befördern", das "wahrscheinlich den Abzug von Kapital beschleunigen dürfte", schreibt die Kommission.

Als weiterer Schritt wird erwogen, die Finanzsanktionen auch auf Privatunternehmen auszudehnen, die in den von Sanktionen betroffenen Branchen operieren. Dies wird unter anderem der Rüstungssektor sein – 2013 Jahr lieferte die EU Waffen im Wert von 300 Millionen Euro. Ökonomisch betrachtet sind die Sanktionen im sogenannten Dual-Use-Sektor noch deutlich gravierender. Der EU-Kommission zufolge exportiert die Gemeinschaft jedes Jahr Güter im Gesamtwert von rund 20 Milliarden Euro nach Russland, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Umgekehrt importiert sie Waren dieser Art in einem Volumen von rund drei Milliarden Euro. Nun sollen die nationalen Behörden solche Geschäfte untersagen, „wenn es Gründe gibt anzunehmen, dass sie militärischen Zwecken dienen“. Brüssel schlägt als nächsten Schritt bereits vor, auch für zivile Projekte bestimmte Exporte zu verbieten.

Die Globalökonomie ist durch den Ukraine-Krieg schon erheblich belastet. Schon jetzt, so Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, seien die Folgen des Ukraine-Konflikts in Deutschland zu spüren. Alleine in diesem Jahr dürften die deutschen Exporte nach Russland und in die Ukraine um über sechs Milliarden Euro sinken. Wegen geplanter EU-Sanktionen gegen Russland befürchtet die deutsche Wirtschaft eine Eiszeit in den Wirtschaftsbeziehungen. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet mit einem Rückgang der Exporte nach Russland um circa 17 Prozent. Das entspräche einem Handelsvolumen von sechs Milliarden Euro. Wichtig für die Unternehmen sei, dass die Sanktionen zeitlich begrenzt würden und klar definiert sein müsse, was verlangt werde, um sie zu beenden.

Risiko einer weiteren Eskalation

Auch abgesehen von den möglichen Rückwirkungen auf die globale Wirtschaftskonjunktur und den Exportweltmeister Deutschland krankt die Sanktionspolitik daran, dass die Ziele nicht präzise definiert sind. Die EU-Länder erwarten – wie die USA auch – eine andere Einstellung gegenüber den ukrainischen Separatisten. Mit einer solchen unspezifischen Ausrichtung liefert sich die EU den Interpretationen von Geheimdiensten und Mediendebatten aus. Nach Jahren einer gemeinsamen Sicherheits- und Abrüstungspolitik fällt jetzt der Westen in eine Konfrontationslogik zurück. Die bedingungslose Unterstützung der Ukraine birgt das Risiko einer weiteren Eskalation ohne Aussicht auf eine Beendigung des Krieges.

Es ist ein schwerer politischer Fehler, Russland zu isolieren und damit tiefer in die aktuelle wirtschaftliche und politische Krise hineinzutreiben. Mit dem großen Vorbild der Entspannungs- und Sicherheitspolitik hat diese politische Logik nichts mehr zu tun.


linksfraktion.de, 30. Juli 2014

1 Siehe United Nations in Ukraine