Zum Hauptinhalt springen

Sagen, was ist

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

EU-Politik gegen Rußland

Von Sevim Dagdelen, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages für die Fraktion DIE LINKE

 

 

Das Parlament der Krim entschied sich am Donnerstag für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Fast zeitgleich sollte auf dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs ein Signal für die Unterstützung der Souveränität der Ukraine und die Verteidigung des Prinzips der territorialen Unversehrtheit in Europa ausgesandt werden. Allein schon die völkerrechtswidrige Anerkennungspraxis auf dem Balkan und der NATO-Krieg 1999 lassen aber Zweifel aufkommen, daß es den EU-Verantwortlichen tatsächlich um den Schutz von Demokratie und Völkerrecht geht. Die EU-Kommission hatte der neuen ukrainischen De-Facto-Regierung aus Rechtskonservativen, Nationalisten und Faschisten bereits vor dem Gipfel Hilfe zugesagt. Mit insgesamt elf Milliarden Euro will man ihnen unter die Arme greifen. Bedingungen dafür, wie etwa die Heranziehung der Oligarchenvermögen – Fehlanzeige.

Das war auch nicht zu erwarten. Denn zum einen geht es um eine erneute Bankenrettung: Gerade österreichische, aber auch französische und deutsche Banken hätten bei einer Staatspleite der Ukraine eine Menge zu verlieren. Zum anderen soll der Umsturz abgesichert und das Land als Frontstaat gegen Rußland etabliert werden. Nicht zu stören scheint, daß so eine Regierung gestützt wird, an der die faschistische Partei Swoboda mit mehreren Ministern beteiligt ist: Der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats Andrij Parubyi war Gründer der Sozial-Nationalen Partei, sein Stellvertreter Dmitro Jarosch agierte als Chef der rechtsextremen Schlägertruppe »Rechter Sektor«. Im Gegenteil. Die EU nahm als Grundlage für die Sanktionsliste gegen 18 ukrainische Verantwortliche, die man für die Morde auf dem Maidan verantwortlich macht, eins zu eins eine von der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft, an deren Spitze der Swoboda-Mann Oleg Machnitzki steht, übermittelte Liste. Internationale Ermittlungen zu Informationen aus einem Telefongespräch des estnischen Außenministers Urmas Paet und der Chefin des Europäisch Auswärtigen Dienstes Catherine Ashton zur Identität der mutmaßlichen Mörder von Demonstranten und Sicherheitskräften werden selbstverständlich nicht befürwortet.

Die neue Regierung in Kiew tritt gegen Minderheitensprachen auf und droht mit Parteiverboten. Der angekündigte Beitritt zur NATO schürt zusätzlich die Kriegsgefahr. Es wird ständig neues Öl ins Feuer gegossen. Teil der Eskalationspolitik ist die ultimative Forderung nach Einhaltung von Prinzipien, an die man sich selbst nicht hält. Wer auch nur wagt, auf die Rolle der Faschisten hinzuweisen, wird als Oligarchenunterstützer gebrandmarkt und zum Schweigen gebracht. In diesen Zeiten der Propagandaschlacht gilt es mehr denn je zu sagen, was ist. Nein zum Krieg und zu einer weiteren Zuspitzung: Die Krise in der Ukraine bedarf einer politischen Lösung.

 

junge Welt, 7. März 2014