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»Rettungsprogramm für die Finanzindustrie«

Im Wortlaut von Klaus Ernst,


 

Von Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag und Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit und Finanzen

Wie soll die Infrastrukturlücke in Deutschland geschlossen, welche Investitionen sollen getätigt werden? Diese überaus wichtigen gesellschaftlichen Fragen ließ der Minister hinter verschlossenen Türen von einer Expertenrunde erarbeiten, der insbesondere Investoren angehören.

Einer von ihnen ist Jürgen Fitschen, Vorstandschef der Deutschen Bank. Genau diese Bank zahlte Milliarden wegen organisierter Zinsmanipulationen und faulen Hypotheken in den USA. Mit zu den Hauptgeschädigten zählten Kommunen. Ausgerechnet der Chef dieser Bank berät die Bundesregierung, wenn es um die Stärkung kommunaler Investitionen geht. Aktuell ermittelt der Staatsanwalt auch wegen Steuerbetrug gegen die Deutsche Bank.

Der Rest des ausgewählten Kreises aus Industrie und Finanzwelt zeichnet sich mehrheitlich auch nicht als Kenner von Infrastrukturpolitik aus. Sie sind Kapitalbesitzer und können im eigenen Profit-Interesse die Empfehlung der Experten-Kommission kreieren. TTIP lässt grüßen! Auch hier wurden Blaupausen für die Verträge direkt von den Konzernen und ihren Lobbyverbänden verfasst.

Unterm Strich laufen die Vorschläge auf ein weiteres Rettungsprogramm für die Finanzindustrie hinaus. Sie sucht derzeit händeringend nach gewinnbringenden Anlagemöglichkeiten mit geringem Risiko. Wahrscheinlich ist dies Ausgangspunkt der Initiative des Ministers. Die Investitionslücke ist nur Vehikel.

Obwohl sich der Staat nahezu kostenfrei Geld leihen könnte: Durch Schuldenbremse und den Verzicht auf Steuererhöhungen für Betuchte hindert er sich selbst daran, die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur eigenständig zu stemmen. Die Anbetung der „schwarzen Null“ bewirkt zudem, dass selbst bei Einhaltung der Schuldenbremse vorhandene Spielräume für eine Nettokreditaufnahme des Staates ungenutzt bleiben.

Die Vorschläge der Kommission dienen dazu, mit öffentlicher Unterstützung neue renditeträchtige Anlagen für überschüssiges Kapital zu bieten und mithilfe einer teureren und risikoreicheren Verschuldungsform die Schuldenbremse zu umgehen. Öffentliches wird privatisiert. Die Steuerzahler werden in Geiselhaft genommen und die Bürger zahlen über neue Gebühren die Rendite. "Bürgerfonds" sollen den Eindruck vermitteln auch Kleinanleger profitierten. Allerdings verfügt nur eine Minderheit der Bürger überhaupt über Anlagekapital.

Die Kommission favorisiert einen Mix aus öffentlichem und privatem Kapital. Doch es gibt massenhaft schlechte Erfahrungen mit ÖPP (Öffentlich-private Partnerschaften). Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfe dokumentieren: Finanzierungs- und Verwaltungskosten sind höher, die Flexibilität geringer, die Risiken ungleich verteilt.

Ab 5 Millionen Euro sollen im kommunalen Bereich verpflichtend Gutachter über die Umsetzungsart der Investition entscheiden. Bisher muss ein Gutachten bezeugen, dass eine Umsetzung als ÖPP günstiger ist als eine herkömmliche Beschaffung. Künftig gilt die Beweislastumkehr: die herkömmliche Beschaffung soll ihre wirtschaftliche Überlegenheit beweisen. Hier blitzt das Interesse der privaten Anleger hervor, die als „Experten“ ÖPPs favorisieren. Und es eröffnet sich das Spielfeld der Manipulation.

Die Ausweitung von ÖPP ist eine Gegenstrategie zur Stärkung der öffentlichen Investitionspolitik. Die Planung der Infrastruktur erfolgt nach Renditelogik, nicht nach gesellschaftlichem Bedarf. Transparenz und Kontrolle müssen häufig erst eingeklagt werden.

Der Staat entledigt sich personell und strukturell der Aufgabe, zukünftig öffentliche Dienstleistungen überhaupt anbieten zu können. Personelle Ressourcen und Know-How werden für immer abgebaut; der Staat wird handlungsunfähig. Einer kommunalen Selbstverwaltung wird so dauerhaft der Boden entzogen.

Dreist ist der Vorschlag zur weiteren Privilegierung von Kapitalerträgen und Unternehmen. Der steuerliche Abzug einer kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung ist eine Steuersenkung für Kapitaleinkünfte, welche bereits heute viel niedriger als Arbeitseinkommen besteuert werden. Soll diese Steuerreform aufkommensneutral erfolgen, erfordert dies eine Steuererhöhung in anderen Bereichen - etwa bei den Arbeitseinkommen. Die bessere Alternative wäre die Abschaffung der unfairen Abgeltungssteuer.

Alarmierend ist auch der Vorschlag, künftige Haushaltsüberschüsse prioritär für Investitionen zu verwenden. Diese Vorfahrtsregelung birgt die Gefahr, dass Sozialausgaben zur abhängigen Variable gemacht werden. Der durch „Schulden-Bremse“ und „Steuer-Bremse“ in Ketten gelegte Staat soll sich auch noch eine „Sozialstaats-Bremse“ anlegen.

Es ist zu begrüßen, dass die Gewerkschaften über ihre Sonderpositionierung der Kommission eine Absage erteilt haben. Die Kommission ist eine Zumutung, ihre Vorschläge erst recht.

»Staat soll sich auch noch eine Sozialstaats-Bremse anlegen«

Die Kommission favorisiert einen Mix aus öffentlichem und privatem Kapital. Doch es gibt massenhaft schlechte Erfahrungen mit ÖPP (Öffentlich-private Partnerschaften). Bundesrechnungshof und Landesrechnungshöfe dokumentieren: Finanzierungs- und Verwaltungskosten sind höher, die Flexibilität geringer, die Risiken ungleich verteilt.

Ab 5 Millionen Euro sollen im kommunalen Bereich verpflichtend Gutachter über die Umsetzungsart der Investition entscheiden. Bisher muss ein Gutachten bezeugen, dass eine Umsetzung als ÖPP günstiger ist als eine herkömmliche Beschaffung. Künftig gilt die Beweislastumkehr: die herkömmliche Beschaffung soll ihre wirtschaftliche Überlegenheit beweisen. Hier blitzt das Interesse der privaten Anleger hervor, die als „Experten“ ÖPPs favorisieren. Und es eröffnet sich das Spielfeld der Manipulation.

Die Ausweitung von ÖPP ist eine Gegenstrategie zur Stärkung der öffentlichen Investitionspolitik. Die Planung der Infrastruktur erfolgt nach Renditelogik, nicht nach gesellschaftlichem Bedarf. Transparenz und Kontrolle müssen häufig erst eingeklagt werden.

Der Staat entledigt sich personell und strukturell der Aufgabe, zukünftig öffentliche Dienstleistungen überhaupt anbieten zu können. Personelle Ressourcen und Know-How werden für immer abgebaut; der Staat wird handlungsunfähig. Einer kommunalen Selbstverwaltung wird so dauerhaft der Boden entzogen.

Dreist ist der Vorschlag zur weiteren Privilegierung von Kapitalerträgen und Unternehmen. Der steuerliche Abzug einer kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung ist eine Steuersenkung für Kapitaleinkünfte, welche bereits heute viel niedriger als Arbeitseinkommen besteuert werden. Soll diese Steuerreform aufkommensneutral erfolgen, erfordert dies eine Steuererhöhung in anderen Bereichen - etwa bei den Arbeitseinkommen. Die bessere Alternative wäre die Abschaffung der unfairen Abgeltungssteuer.

Alarmierend ist auch der Vorschlag, künftige Haushaltsüberschüsse prioritär für Investitionen zu verwenden. Diese Vorfahrtsregelung birgt die Gefahr, dass Sozialausgaben zur abhängigen Variable gemacht werden. Der durch „Schulden-Bremse“ und „Steuer-Bremse“ in Ketten gelegte Staat soll sich auch noch eine „Sozialstaats-Bremse“ anlegen.

Es ist zu begrüßen, dass die Gewerkschaften über ihre Sonderpositionierung der Kommission eine Absage erteilt haben. Die Kommission ist eine Zumutung, ihre Vorschläge erst recht.

Handelsblatt, 21. April 2015