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Renten- und Altersarmut: Dramatisieren oder beschwichtigen hilft nicht

Im Wortlaut von Matthias W. Birkwald,

Von Matthias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag




Altersarmut gibt es heute schon, aber sie droht künftig weiteren Teilen der Bevölkerung – wenn sich die Politik nicht ändert. Die folgenden Zahlen erzählen diese Geschichte. Sie sind das Ergebnis einer Kürzungspolitik, die unter Rot-Grün begann und von den Regierungsfraktionen fortgesetzt wurde. Die herrschende Politik nimmt Altersarmut nicht nur in Kauf, sie hat sie mitverursacht.

2003 trat das Sozialgesetzbuch XII (SGB XII), also die "Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung" in Kraft. Seither ist die Zahl der Grundsicherungsbeziehenden allein bis zum Jahr 2010 um satte 80 Prozent gestiegen! Von ehemals 439.000 Menschen im Jahr 2003 auf 797.000 im Jahr 2010.

Wer nun, wie die BILD-Zeitung behauptet, fast die Hälfte aller Renterinnen und Rentner lebe unter der Armutsgrenze, dramatisiert die gegenwärtige Lage der Altersarmut. Wer – wie Union und FDP – darauf verweist, dass "nur" 2,6 Prozente der Menschen im Rentenalter Grundsicherung beziehen, beschwichtigt die aktuelle Situation der über 65-Jährigen. Beides ist falsch.


Richtig ist: Die offizielle Armutsrisikoquote der über 65-Jährigen lag im Jahr 2010 bei 14,2 Prozent.

Die Rentenzahlbeträge sinken stetig. Im Jahr 2000 erhielten langjährig Versicherte, also jene mit 35 Versicherungsjahren und mehr, noch durchschnittlich 1021 Euro Rente überwiesen, im Jahr 2011 waren es nur noch 953 Euro. Jeder Jahrgang, der neu in Rente geht, erhält im Schnitt weniger Rente als der Jahrgang zuvor. Wer in 2012 in Altersrente ging erhielt durchschnittlich nur noch 716 Euro. Bei Frauen im Westen waren es nur magere 493 Euro!

Wen verwundert es dann noch, dass auch die Zahl der ausschließlich in einem Minijob arbeitenden Menschen im Rentenalter zwischen den Jahren 2000 und 2011 um knapp 60 Prozent gestiegen ist!1

Rot-Grüne Verarmungspolitik

DIE LINKE. steht für Gute Arbeit, Gute Löhne und eine Gute Rente für die Lebensstandardsicherung. Gute Löhne braucht es für eine gute Rente. Genau damit aber hat die rot-grüne Regierung gebrochen. Die Politik der Agenda 2010 führte zur Explosion des Niedriglohnsektors, zu Lohndumping, zu schlecht bezahlter Leiharbeit und zu Minijobs.

Inzwischen wird fast ein Viertel aller Beschäftigten im Niedriglohnsektor ausgebeutet. Im Jahr 2010 lag der durchschnittliche Stundenlohn im Niedriglohnsektor bei 6,68 EUR in Westdeutschland und 6,52 EUR im Osten.2 Niedrige Löhne bedeuten per se niedrige Renten.

Die sinkenden gesetzlichen Renten sollten durch private Vorsorge ausgeglichen werden. Alle Versicherten, so hieß es, sollen neben der gesetzlichen Rente noch vier Prozent ihres Bruttoeinkommens in eine Riester-Rente einzahlen. Das wird auch von Menschen mit ohnehin schon geringen Einkommen erwartet, zum Beispiel von den immerhin 23 Prozent Vollzeitbeschäftigten, die im Jahr 2012 höchstens 1.800 Euro brutto verdienten.

Die Riester-Rente sollte den Niveauverlust der gesetzlichen Rente sogar überkompensieren. Sie wird aber die Lücke in der Altersvorsorge nicht einmal annähernd schließen können. Wesentlich weniger Arbeitende riestern als ursprünglich kalkuliert. Im März vergangenen Jahres gab es 15,5 Millionen Riester-Verträge. Das sind gerade einmal zwischen 37 und 41 Prozent der potenziellen Sparerinnen und Sparer. Und derzeit sind es nur 15,6 Millionen. Verträge, nicht Riester-Sparerinnen. Das heißt: Die Mehrheit derer, die eine Rentenlücke zu füllen haben, riestern nicht. Ein Hauptgrund: Ihnen fehlt schlicht das Geld für die Prämien. Und außerdem sind die Zinsen und Renditen mickrig.

Riestern nützt nichts, eine solidarische Mindestrente schon

Den Menschen mit niedrigen Einkommen nützt Riester nichts. Dafür hat sich die Riester-Rente in erster Linie als ein gigantisches Förderprogramm für die Versicherungswirtschaft erwiesen. Zwölf Milliarden Euro an Steuergeldern sind zwischen 2002 und 2012 in Form von Subventionen in die Riester-Rente geflossen. Elf Milliarden davon flossen an die Versicherer, eine Milliarde ging an die Versicherten. Gründe genug, dass die Menschen ihre Riester-Verträge freiwillig und kostengünstig in die Gesetzliche Rentenversicherung überführen können sollten. Das haben wir LINKEN vorgeschlagen.

Außerdem fordert DIE LINKE, alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, also auch Beamtinnen und Beamte, Selbständige und Politikerinnen und Politiker. Mittelfristig muss ohne Beitragsbemessungsgrenze gelten: Je höher das Erwerbseinkommen, desto höher die Einzahlungen in die Rentenversicherung. Damit ein Umverteilungsspielraum entsteht, müssen die hohen Rentenansprüche abgeflacht werden. Auch die Arbeitgebeinnen und Arbeitgeber müssen sich – wie früher – zur Hälfte an der Finanzierung der wieder den Lebensstandard sichernden gesetzlichen Rentenversicherung beteiligen. Für die Arbeitnehmerinnen wäre das unter dem Strich sogar günstiger als heute mit Riester und Betriebsrenten. Millionäre, Großerben und Spitzenverdiener müssen über höhere Steuern stärker in die Pflicht genommen werden.

DIE LINKE kämpft für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, eine sanktions- und repressionsfreie soziale Mindestsicherung an Stelle von Hartz IV und eine Solidarische Mindestrente, die ihren Namen verdient, zur Vermeidung und Bekämpfung von Armut und Altersarmut. Unser Ziel lautet: Niemand soll von weniger als 1050,- Euro im Alter leben müssen.

 

1 vgl. Bundesagentur für Arbeit, Beschäftigungsstatistik: Geringfügig entlohnte Beschäftigte nach Altersgruppen. Deutschland – Zeitreihe, Nürnberg 2012
2 vgl. Thorsten Kalina/Claudia Weinkopf, Niedriglohnbeschäftigung 2010: Fast jede/r Vierte arbeitet für Niedriglohn, IAQ-Report 1/2012.

 

linksfraktion.de, 17. Juni 2013