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Renten - Beruhigungspille mit Nebenwirkungen

Interview der Woche von Volker Schneider,

Zum 01. Juli dieses Jahres sollen rund 20 Millionen Seniorinnen und Senioren rund 1,1 Prozent mehr Rente bekommen. Nach Jahren der Nullrunden und Rentenkürzungen scheint diese Minierhöhung ein Lichtblick. Warum kritisiert DIE LINKE dennoch diese Absicht der Regierungskoalition?

Zunächst einmal, auch 1,1 Prozent „Erhöhung“ sind angesichts einer Inflationsrate von aktuell 2,8 Prozent real nichts anderes als eine Rentenkürzung. Die Rentnerinnen und Rentner haben also weniger in der Tasche und müssen auch noch höhere Beiträge in die Pflegeversicherung zahlen. Damit die 1,1 Prozent überhaupt erreicht werden, bedarf es einer zeitlich befristen Manipulation der Rentenformel. Der sog. Riester-Faktor, der im Ergebnis den Anstieg der Renten dämpft, wird bis zur nächsten Bundestagswahl nicht mitgerechnet.

Ohne diesen Griff in die Trickkiste wären bei Anwendung der gültigen Rentenformel die Renten lediglich um 0,46 Prozent gestiegen und das mitten im von der Großen Koalition ständig bejubelten Aufschwung. Da muss einem angesichts der sich abzeichnenden Eintrübung der Konjunktur aufgrund der internationalen Finanzkrise Angst und Bange werden, wie es mit „Erhöhungen“ in der Phase des Abschwungs aussehen wird. Kurz, es ist einfach nicht mehr zu übersehen, dass die dauernden, im Ergebnis rentensenkenden Eingriffe in die Rentenformel zu einem Rentenniveau führen, dass ein auskömmliches Leben im Alter nicht mehr sichert und steigende Altersarmut provoziert.

Verlässlichkeit ist für die Rentnerinnen und Rentner enorm wichtig. Welche Folgen sind zu erwarten, wenn die Riester- Kürzungsfaktoren in den Jahren 2012 und 2013 „nachgeholt“ werden?

Die Beruhigungspille, die da verteilt wird, hat ausgesprochen unerfreuliche Nebenwirkungen. Es ist ja nicht so, als würden hier großzügig Geschenke verteilt. Der die Rente kürzende Riester-Faktor in der Rentenformel wird nicht gestrichen, sondern lediglich ausgesetzt und in den Jahren 2012 und 2013 nachgeholt. Nun muss man wissen, dass 2011 letztmalig die sog. Schutzklausel zur Anwendung kommt. Mit dieser wird verhindert, dass die Renten sinken, wenn sich bei Berechnung des Rentenwertes der bisherige Rentenwert durch die Dämpfungsfaktoren verringert. Statt des errechneten Minus gibt es dank der Schutzklausel „nur“ eine Nullrunde. Wird 2012 und 2013 zusätzlich zu der Wirkung der regulären Dämpfungsfaktoren auch noch die jetzt unterbleibende Dämpfung nachgeholt, steht zu befürchten, dass die Rentnerinnen und Rentner in diesen beiden Jahren nicht nur aufgrund der Inflationsrate sondern auch in Euro und Cent weniger in den Taschen haben werden.

Warum erfüllt die Rentenformel schon lange nicht mehr die ihr zugedachte Funktion, die Rentnerinnen und Rentner an der gesellschaftlichen Wohlstandsentwicklung teilhaben zu lassen und sie damit der Tagespolitik zu entziehen?

Mit der Einführung der dynamisierten Rente im Jahr 1957 orientierte sich die Rentenformel und somit auch die Rentenerhöhung an der durchschnittlichen Bruttolohnentwicklung der abhängig Beschäftigten. Damit war garantiert, dass auch die Rentnerinnen und Rentner am steigenden gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben konnten. Schröders rot-grüne Bundesregierung hat mit diesen Grundsatz gebrochen und durch die Einführung von Dämpfungsfaktoren die Rentnerinnen und Rentner von dieser Entwicklung abgehängt. Die Veränderung der Rentenformel unter Walter Riester und Ulla Schmidt hat dazu geführt, dass die Renten allein seit 2001 um 7,5 Prozent gekürzt wurden.

DIE LINKE besteht auf der Wiedereinführung der alten bewährten Rentenformel. Wie begründet sie diese Forderung?

Nur die alte Rentenformel garantiert, dass der einmal erarbeitete Lebensstandard auch im Alter gehalten werden kann. Und: sie ist aus sozial- und wirtschaftspolitischer Sicht nicht nur vertretbar, sondern geradezu notwendig: Schon jetzt müssen die abhängig Beschäftigten einen insgesamt höheren Anteil für die gesetzliche und die private Vorsorge aufbringen, um drohende Sicherungslücken im Alter schließen zu können. Wer deshalb auf mehr „Eigenvorsorge“ setzt, statt auf die solidarische Umlagefinanzierung, trägt dazu bei, die wachsende Ungleichheit in der Solidargemeinschaft zu vergrößern. Außerdem wollen wir nicht nur zurück in die „guten alten Zeiten“, sondern unser Ziel ist es, die gesetzliche Rentenversicherung weiterzuentwickeln und zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung auszubauen.

Die Rentnerinnen und Rentner erhalten nun eine Mini- Erhöhung. Junge Familien, die weit stärker unter der der Inflation und Mehrwertsteuererhöhung leiden, bleiben jedoch auf der Strecke. Ist die Erhöhung ein Manöver auf Kosten der jungen Leute?

Bezahlbare Renten für die jüngere Generation und ein würdevolles Leben im Alter dürfen keine Gegensätze sein. Sie müssen aber politisch gestaltet werden. Denn Rentenkürzungen können keine Bildungsinvestitionen ersetzen oder Kinderarmut verhindern. Die Ungerechtigkeit besteht nicht zwischen Jung und Alt sondern zwischen Oben und Unten in dieser Gesellschaft. Fakt ist, dass gerade Familien und Geringverdienende vom derzeitigen Wirtschaftsaufschwung nicht profitieren. Die Ursache liegt in einer völlig verfehlten Wirtschafts- und Sozialpolitik der Großen Koalition, die allein auf eine einseitige Entlastung der Unternehmen abzielt.

linksfraktion.de, 25. März 2008