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Reichsbürger auf einer Demo vor dem Brandenburger Tor in BerlinFoto: dpa | Geisler-Fotopress | Jean MW

Reichsbürger-Razzia: Die Gefahr von rechts ist brandaktuell

Nachricht von Amira Mohamed Ali, Jan Korte, Clara Bünger, Martina Renner,

Bei einer Großrazzia waren Polizei und Bundesanwaltschaft am 7. Dezember mit mehreren tausend Einsatzkräften bundesweit gegen ein mutmaßliches Terrornetzwerk aus Reichsbürgern vorgegangen, das mit Waffengewalt eine neue Regierung installieren wollte und dabei auch Tote in Kauf genommen hätte. Es gibt aktuell mehr als 50 Beschuldigte, darunter unter anderem auch ein aktiver Soldat des KSK, Reservisten der Bundeswehr sowie die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und Berliner Richterin Birgit Malsack-Winkemann. 

Insgesamt sollen 93 Waffen beschlagnahmt worden sein. Die mutmaßlichen Verschwörer planten offenbar, bundesweit 286 "Heimatschutzkompanien" zu bilden, berichtet Clara Bünger aus dem Rechtsausschuss des Bundestags. Diese hätten im Falle eines Umsturzes Menschen "festnehmen und exekutieren" sollen. Zudem entdeckten die Ermittler "Verschwiegenheitserklärungen", die auf eine dreistellige Zahl an Mitwissern hindeuten sowie Hinweise auf Schießtrainings. Vor allem in Sachsen, Thüringen und Baden-Württemberg gebe es schon konkrete Aufbaumaßnahmen. Bei den Durchsuchungen wurden außerdem mehr als 400.000 Euro in Bar, Gold- und Silbermünzen gefunden worden sowie ein Schließfach, in dem sich Goldbarren im Wert von sechs Millionen Euro befinden sollen.

"Wie sich herausgestellt hat, besteht die Reichsbürger-Szene nicht nur aus ein paar versprengten Personen mit abstrusen Ideen, sondern reicht bis in die Eliten unserer Gesellschaft. Das ist wirklich erschreckend. Spätestens jetzt ist unmissverständlich klar, die Gefahr von rechts ist nicht abstrakt, sie ist konkret und größer als manche bisher angenommen haben. Dass die AfD, die in diese Szene ja zum Teil verwickelt ist, nun versucht, die Gefahr kleinzureden, spricht wirklich Bände", sagt Amira Mohamed Ali, Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, in ihrem Pressestatement. "Besorgniserregend ist insbesondere die mutmaßliche Beteiligung ehemaliger und aktiver Bundeswehrsoldaten und Polizisten und es bleiben weiterhin Fragen offen: Warum war die Presse vorab informiert und in welchem Umfang wurden dadurch die Ermittlungen eigentlich gefährdet? Es ist unbedingt notwendig, dass zu diesem Thema auch die Bundesregierung Rede und Antwort steht."

Jan Korte, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, hat bei der Bundesregierung beantragt, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu vor dem Bundestag eine Regierungserklärung abgibt: "Es ist gut, dass die Sicherheitsbehörden das rechte Terrornetzwerk aufgedeckt haben. Viel zu lange haben sie die 'Reichsbürger' weder ernst genommen, noch deren Aktivitäten beobachtet oder bekämpft. Dabei ist die Gefahr von bewaffneten und gut ausgebildeten rechtsextremistischen Polizisten und Soldaten und deren Umsturzpläne schon seit vielen Jahren bekannt. Erschreckend ist das nun aufgedeckte Ausmaß der Verschwörung, die von ewig gestrigen Adeligen, über Angehörige des 'Kommando Spezialkräfte' bis tief hinein in die AfD reicht, dennoch. Und vermutlich haben wir es ja erst mit der Spitze eines Putsch-Eisbergs zu tun. Wir erwarten deshalb eine vollständige Aufklärung."
 

In der dazu einberufenen Aktuellen Stunde im Bundestag sagt Martina Renner: "In der Debatte werden zwei folgenschwere Fehlannahmen deutlich: Zum einen wird das Problem falsch begriffen, weil ein großer Teil der Szene und ihrer Taten nicht als politisch rechts eingeordnet wird. Zum anderen herrscht nun oft Verwunderung darüber, dass bürgerliche Kreise an diesem Netzwerk beteiligt sind. 

Ist es wirklich so schwer zu verstehen, wer diese Leute sind, was sie wollen und warum sie gefährlich sind? Sie verbreiten Rassismus gegen Geflüchtete und antisemitische Verschwörungstheorien. Sie planen Säuberungen und Entführungen politischer Gegner:innen. Sie halten den Staat für schwach, weil er nicht hart genug durchgreife, und wollen eine autoritäre Diktatur. Nennen wir die Dinge doch beim Namen: Wir haben es mit bewaffneten Rechten zu tun, die eine Gefahr für viele Menschen und für die Demokratie sind. Wenn wir dieses Problem nicht richtig begreifen, dann werden wir es auch nicht richtig bekämpfen können. 

Die große Verwunderung, die die Zusammensetzung dieses Netzwerkes aus bürgerlichen Kreisen, der Mitte der Gesellschaft, hervorruft – eine Richterin, Polizisten, Soldaten, Ärzte – offenbart ein gefährliches Unwissen zur Geschichte der extremen Rechten. Nicht nur beim rechten 'Nordkreuz'-Netzwerk waren es Soldaten, Polizisten, Anwälte, die Waffen horteten und Gegner:innen ermorden wollten. Ein Verleger und Immobilienbesitzer, ein Adeliger und ein Rüstungsfabrikant förderten die 'Wehrsportgruppe Hoffmann'. Immer wieder waren es die bürgerlichen Kreise, von denen die rechte Gefahr für die Demokratie ausging. Die nicht abreißende Serie rechter Netzwerke zeigt: Diese Gefahr ist brandaktuell."