Zum Hauptinhalt springen

Regionale Integration in Lateinamerika - Solidarische Alternativen zur Freihandelspolitik der EU

Im Wortlaut von Heike Hänsel,

Im Rahmen der Bolivarianischen Alternative für Amerika (ALBA), der seit der Gründung durch Venezuela und Kuba im Jahr 2004 zahlreiche weitere Staaten Lateinamerikas beigetreten sind, wird ein komplementärer Austausch von Waren und Dienstleistungen organisiert. Mit der Gründung regionaler Entwicklungsbanken und der Einrichtung einer gemeinsamen Währung erweitern sich die Spielräume für eine selbstbestimmte, solidarische Entwicklung. Gleichzeitig wird die Einflussnahme durch die von den USA und der Europäischen Union beherrschten multilateralen Institutionen und Banken zurückgedrängt. Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, sieht darin eine dringend notwendige Alternative zur neokolonialen Politik der EU und Ansätze für eine solidarische Weltwirtschaftsordnung.

Anlässlich des EU-Lateinamerika-Gipfels demonstrierte Heike Hänsel im Mai 2010 in Madrid zusammen mit tausenden Menschen aus Europa und Lateinamerika gegen die neoliberale Freihandelspolitik der EU.

Anlässlich des EU-Lateinamerika-Gipfels demonstrierten im Mai 2010 in Madrid tausende Menschen aus Europa und Lateinamerika gegen die neoliberale Freihandelspolitik der EU. Für die Fraktion DIE LINKE nahm ich an den Protesten teil. Soziale Bewegungen, Gewerkschaften, Umweltgruppen und linke Parteien aus Lateinamerika und Europa lehnen die Freihandelsabkommen ab, die die EU mit lateinamerikanischen Staaten und Staatengruppen abschließen möchte. Die Proteste in Madrid richteten sich gegen die katastrophalen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen, die von den Abkommen zu erwarten sind. Die Verhandlungsziele der Europäischen Union sind auf billige Rohstoffe und freien Marktzugang für ihre Unternehmen in Lateinamerika, das heißt Wettbewerb und Verdrängung ausgerichtet. Sie stehen damit im klaren Gegensatz zu den politischen und wirtschaftlichen Integrationsprozessen in Lateinamerika. Sie gefährden die Existenz lokaler Produzenten in Lateinamerika und nehmen den Regierungen dort wichtige entwicklungspolitische Instrumente aus der Hand.

Zu dieser Politik, die sich allein an den Profitinteressen westeuropäischer Konzerne ausrichtet, wird in Lateinamerika derzeit ein konkretes Gegenmodell erprobt: Linke Regierungen arbeiten äußerst erfolgreich daran, die ökonomische und politische Abhängigkeit Lateinamerikas von den Industriestaaten durch verstärkte regionale Integration und eine Diversifizierung der Außenbeziehungen zu verringern. In der zunehmenden Süd-Süd-Kooperation, die sich in Projekten wie ALBA sowie mit der Gründung eigenständiger regionaler Entwicklungsbanken und dem Aufbau einer neuen Finanzarchitektur vollzieht, liegt ein großes Potenzial für eine eigenständige, soziale Entwicklung auf dem Kontinent. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung und zur Verwirklichung sozialer Rechte. Die Bundesregierung hat diese Entwicklung bislang nicht unterstützt, sondern im Gegenteil durch eine aggressive EU-Handelspolitik gezielt torpediert.

Als Entwicklungspolitikerin stelle ich fest, dass die solidarische Zusammenarbeit zwischen den ALBA-Staaten bereits viel zur Überwindung von Armut in Lateinamerika beigetragen hat. ALBA ist ein wichtiger Aufbruch zu einer «zweiten Unabhängigkeit» Lateinamerikas. Länder wie Kuba und Venezuela treten als entwicklungspolitische Akteure auf und führen erfolgreiche Programme in weniger entwickelten Ländern durch, etwa in Haiti und Nicaragua. Diese Hilfe ist oft angepasster und nachhaltiger als die der westlichen Geber. Und sie ist nicht mit neoliberalen Strukturanpassungsprogrammen verbunden. Bolivien hat z.B. durch die Verstaatlichung seiner Erdgasförderung die finanziellen Mittel erhalten, die Kinder- und Müttersterblichkeit in kürzester Zeit um mehr als 30% zu senken. Auf diese Ansätze nahm ein Antrag der Fraktion DIE LINKE, den wir im Vorfeld des EU-Lateinamerika-Gipfels in den Bundestag einbrachten, positiv Bezug. Die ALBA-Staaten formulieren auch die Idee eines «Sozialismus des 21.Jahrhunderts». Damit ergeben sich auch neue politische Perspektiven für linke Bewegungen und Parteien in Europa. Eine Ausweitung der Zusammenarbeit ist daher eine wichtige Aufgabe auch für die Fraktion DIE LINKE.

Von Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

linksfraktion.de, 25.08.2010