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Regierung betreibt Regengottideologie

Interview der Woche von Herbert Schui,

Für Herbert Schui, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, steht das Wachstumsbeschleunigungsgesetz für die nahtlose Fortsetzung der Politik der großen Koalition. Im Interview der Woche kritisiert er die Entlastung von Unternehmen in der Hoffnung, dass sie mit viel Schwung das Wirtschaftswachstum beschleunigten und Arbeitsplätze schafften. Hier wird Ideologie an die Stelle der Wirtschaftstheorie gesetzt.

Die Regierung hat ein Gesetz beschlossen, das sie selbst vollmundig Wachstumsbeschleunigungsgesetz nennt. Wie beurteilt DIE LINKE dieses Gesetz?

Wir lehnen dieses Gesetz ab. Dieses Gesetz knüpft nahtlos an den Irrsinn der Vorgängerregierungen an. Sie hatten uns bereits einen besonderen ideologischen Breitensport verordnet: Die so genannten Leistungsträger sollen verehrt werden; ihnen soll geopfert werden, damit sie mit viel Schwung das Wirtschaftswachstum beschleunigen und Arbeitsplätze schaffen. Wirtschaftstheorie, die die Ursachen der Krise erklärt und damit auch, wie wir aus ihr herauskommen können, wird ersetzt durch Regengottideologie: In der Dürre den Göttern opfern, sie versöhnen! Dann wächst wieder alles! Diese Mystik soll die Erbschaftssteuerreform im Unternehmensbereich und die anderen Steuergeschenke an die Unternehmen rechtfertigen.

Wer profitiert denn außerdem von den Steuersenkungen, die die neue Bundesregierung für Januar 2010 in Aussicht stellt?

Zunächst werden Unternehmen mit mindestens 2,4 Milliarden Euro jährlich entlastet - und zwar dauerhaft! Der höhere Kinderfreibetrag bringt nur denjenigen etwas, die hohe Einkommen haben. Die Niedriglöhnerinnen und -löhner haben nichts davon. Und für die Durchschnittsverdiener springen nur wenige Euros und Cents heraus.

Hartz-IV-Beziehende haben nichts von der Kindergelderhöhung, weil das Kindergeld voll angerechnet wird…

… das ist ein Skandal! Höhere Freibeträge und mehr Kindergeld sind - so der Gesetzentwurf - „Ausdruck einer besonderen Wertschätzung der Gesellschaft und sollen die (…) Leistungsfähigkeit von Familien mit Kindern als Keimzelle derselben weiter stärken.“ Wer also Hartz IV kriegt oder zu wenig verdient, um Einkommensteuer zu bezahlen, der ist dann in den Augen der Bundesregierung keine oder nur eine mindere „Keimzelle der Gesellschaft“.

Wie wirkt sich das Gesetz auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus?

Für die Beschäftigten gibt es wie für andere auch 20 Euro Kindergeld mehr. Aber das Geld geht bei weitem wieder drauf, wenn die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung im kommenden Jahr zunehmend unabhängig von der Höhe des Einkommens erhoben werden, wie es im Koalitionsvertrag heißt. Konkret bedeutet das, dass nicht ein bestimmter Prozentsatz vom Einkommen, sondern eine feste Prämie wie bei den privaten Versicherungen gezahlt werden muss! Das Gleiche gilt für die Pflegeversicherung. Der Unternehmeranteil bei der Finanzierung der Kranken- und Pflegeversicherung soll hingegen konstant bleiben.

Mehrere CDU-Ministerpräsidenten haben die geplanten Steuersenkungen kritisiert und mit einer Blockade im Bundesrat gedroht. Aus welchen Gründen legen sie sich mit Kanzlerin Merkel an?

CDU-Ministerpräsidenten befürworten grundsätzlich niedrige Steuern für Reiche oder Unternehmen. Sie treten ein für weniger Sozialstaat. Einige Ministerpräsidenten aber wissen nicht mehr, wo sie noch kürzen sollen, ohne ihr Amt zu verspielen.

Was bedeuten die Steuergesetze für Länder und Gemeinden?

Länder und Gemeinden werden wegen dieses Gesetzes jedes Jahr 3,8 Milliarden Euro weniger einnehmen. Gleichzeitig sollen sie ihre Neuverschuldung auf Null bringen. Die Folge: noch weniger Geld für Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser und Infrastruktur allgemein.

Welche Alternativen schlägt DIE LINKE vor?

Der Staat muss ein Zukunftsprogramm auflegen. In den Bereichen Erziehung und Bildung, Gesundheit, Umwelt, Energie, Verkehr müssen die öffentlichen Leistungen und Dienste auf das Niveau weiter entwickelter Sozialstaaten gebracht werden. Kurzfristig bedeutet das höhere Verschuldung, das geht in der Krise nicht anders.

Ein wirksames Rezept gegen die steigende Staatsverschuldung wären höhere Steuern…

… ja, die Steuereinnahmen müssen zügig angehoben werden: durch eine Millionärsteuer, durch eine Börsenumsatzsteuer und durch eine höhere Besteuerung der Gewinne großer Unternehmen. Auch bei der Einkommensteuer müssen hohe Einkommen wieder stärker belastet und niedrige und mittlere Einkommen entlastet werden. Außerdem müssen die Banken zu einer zuverlässigen Kreditversorgung verpflichtet werden. Dafür ist öffentliches Eigentum an den Banken notwendig.

www.linksfraktion.de, 8. Dezember 2009