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Rechtsverschärfungen bei Hartz IV sind »unglaubliche Schweinerei«

Im Wortlaut von Katja Kipping,

Foto: ddp images/CommonLens/Axel Schmidt

 

 

Von Katja Kipping, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Report Mainz hat es in der Sendung vom 17. Mai anschaulich gemacht: Was in der verschleiernden Sprache des Gesetzesentwurfs als „Vereinfachung“ und „Verbesserung“ bei Hartz IV ausgegeben wird, ist in Wahrheit eine Rechtsverschärfung. Report hat sich auf einen wichtigen Aspekt des Gesetzes konzentriert: Entscheidungen der Jobcenter, die unbestritten rechtswidrig waren, sollen nach dem Willen der Bundesregierung nicht korrigiert werden, wenn denn der Träger einheitlich gehandelt hat. Das Jobcenter muss lediglich konsequent rechtswidrig agieren, dann können Leistungen der Grundsicherung vorenthalten werden ohne dass für das Jobcenter eine Nachzahlung droht. Das ist für Jobcenter, die vom Bund sowieso finanziell schlecht ausgestattet werden, geradezu eine Aufforderung, auf diesem Weg Gelder einzusparen. Professor Stefan Sell hat diesen Vorschlag in der Sendung als „unglaubliche Schweinerei“ bezeichnet. Dem schließe ich mich ausdrücklich an. Es lässt sich kaum treffender sagen. Daher sei er hier auch noch einmal wörtlich zitiert: „Wir haben Opfer, nämlich Hartz-IV-Empfänger, denen zu Unrecht Leistungen vorenthalten wurden, und dann geht man hin und sagt: ‚Sorry, wir müssen aber die Jobcenter entlasten‘. Das ist ein skandalöser Zynismus hoch zwei.“  

Hartz IV ist für die Betroffenen bereits jetzt ein Sonderrechtssystem mit geringeren Verfahrensrechten. Das allgemeine Sozialverwaltungsrecht ist für Hartz-IV-Betroffene ausgehöhlt. Sie werden damit zu Bürgerinnen und Bürgern zweiter Klasse gemacht. So werden beispielsweise bei Hartz IV generell rechtswidrige Bescheide lediglich ein Jahr rückwirkend korrigiert (§ 40 Abs. 1 SGB II), während im allgemeinen Sozialverwaltungsrecht die Frist für Überprüfungsanträge vier Jahre beträgt (§ 44 SGB X). Statt dieses diskriminierende Sonderrecht zu korrigieren, wird es nun weiter ausgebaut. Bereits heute gilt: Wird eine Norm durch das Bundessozialgericht abweichend von einer einheitlichen Verwaltungspraxis aller Jobcenter ausgelegt, so sind bei bestandskräftigen Bescheiden Überprüfungsanträge für die Vergangenheit nicht zulässig, somit auch keine Nachzahlungen. 

Neu ist nun, dass ein einheitliches Handeln eines jeweiligen Jobcenters ausreicht, um rückwirkende Korrekturen durch Überprüfungsanträge bzgl. bestandskräftiger rechtswidriger Bescheide auszuschließen. Die Möglichkeiten zur rechtlichen Gegenwehr gegen rechtswidrige Bescheide werden immer weiter eingeschränkt. In der Konsequenz ist zu befürchten, dass insbesondere Leistungsberechtigte, deren Kosten der Unterkunft und Heizung in einer einheitlichen Praxis von dem Jobcenter zu gering veranschlagt wurden, keine Möglichkeit mehr haben, per Überprüfungsantrag die vorenthaltenen Leistungen doch noch zu bekommen. Dass die Bescheide zu dem Zeitpunkt ihrer Verschickung schon rechtswidrig waren, hilft den Betroffenen nicht. So kann man mit sozialpolitische Schweinereien auch noch das Vertrauen in den Rechtsstaat nachhaltig beschädigen.

Ich sage: Es darf nicht sein, dass Hartz IV Leistungsberechtigte wie Bürger zweiter Klasse behandelt werden. Es müssen selbstverständlich die regulären Standards auch bei Hartz IV gelten. Dafür hat sich DIE LINKE in ihrem Antrag zu der sogenannten SGB-II-Rechtsvereinfachung ausgesprochen. Das Hartz-IV-Sonderrecht muss weg. Zudem hat DIE LINKE in ihrem Antrag verschiedene Vorschläge gemacht, wie man die Leistungen für Berechtigte ausbaut und gleichzeitig damit die Verwaltungsabläufe vereinfachen kann. Sanktionen abzuschaffen wäre ein wichtiger Baustein zu einer vernünftigen Mindestsicherung. Grundsätzlich bleibt DIE LINKE dabei: Hartz IV muss ersetzt werden durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung, die die Betroffenen vor Armut und sozialer Ausgrenzung schützt. Dazu leistet der Gesetzesentwurf der Bundesregierung leider keinerlei Beitrag.