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»Raus aus dieser Kriegslogik«

Im Wortlaut von Gregor Gysi,

Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisiert die geplante Anschaffung von Kampfdrohnen. Diese Waffen erleichterten die Kriegsführung und machten so aus der Bundeswehr noch stärker eine Interventionsarmee, sagte Gysi im DLF. Er wünsche sich jedoch eine Verteidigungsministerin, die die Kriegsführung erschwere.

Foto: Jakob Huber

 

 

Gregor Gysi im Gespräch mit Tobias Armbrüster, Deutschlandfunk

 

Tobias Armbrüster: Bewaffnete Drohnen zählen zu den umstrittensten militärischen Systemen. Es sind unbemannte Flugzeuge, von denen Raketen abgefeuert werden können, und derjenige, der sie abfeuert, kann das bequem per Knopfdruck machen, aus dem Sessel sozusagen, Tausende von Kilometern entfernt.

Ursula von der Leyen, die Bundesverteidigungsministerin, hat jetzt gesagt, dass sie solche bewaffnungsfähigen Drohnen auch für die Bundeswehr will, und sie will diese Drohnen mit Waffenoption anschaffen, um damit die deutschen Soldaten im Auslandseinsatz besser zu schützen. –

Am Telefon ist jetzt Gregor Gysi, der Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag. Schönen guten Morgen!

Gregor Gysi: Schönen guten Morgen, Herr Armbrüster.

Armbrüster: Herr Gysi, das klingt doch erst mal ganz gut: eine Kampfdrohne, um den Einsatz unserer Soldaten sicherer zu machen.

Gysi: Abgesehen davon, dass ich ja schon den Einsatz für falsch halte, ist das eine Waffe, die aus der Bundeswehr noch stärker eine Interventionsarmee macht statt einer Verteidigungsarmee. Ursprünglich laut Grundgesetz sollte die Bundeswehr mal die Bundesrepublik Deutschland verteidigen, heute wird sie immer stärker weltweit eingesetzt, und ich sage mal, die Kriege, die wir in den letzten Jahren hatten, ob ich den gegen Afghanistan nehme, oder da, wo sich Deutschland nicht beteiligt hat, Irak und Libyen, nirgendwo gab es die Ergebnisse, die vorher erzählt worden sind. Mit Krieg kann man die Probleme der Menschheit nicht lösen, ganz im Gegenteil.

Armbrüster: Aber immerhin handelt es sich bei diesen Auslandseinsätzen um eine demokratische Entscheidung. Das Parlament wird immer gefragt, und so will es die Bundesverteidigungsministerin auch beim Einsatz dieser neuen Drohnen handhaben. Was ist dagegen zu sagen, wenn das Parlament vorher gefragt wird?

Gysi: Dagegen ist zu sagen, dass auch die Mehrheit des Parlaments gelegentlich falsche Entscheidungen trifft. Das wissen wir nicht nur vom Bundesverfassungsgericht, sondern auch aus anderen Gründen. Die Frage ist überhaupt, wie wir an die Probleme der Menschheit herangehen wollen. Ich sage mal ein Beispiel: Jährlich sterben 70 Millionen Menschen, davon 18 Millionen an Hunger, obwohl wir eine Landwirtschaft weltweit haben, die die Menschheit zweimal ernähren könnte. Warum? Da finden wir keine Antwort.

Wir reden über die Behandlung von Flüchtlingen, was wichtig ist, aber wann bekämpfen wir mal die Fluchtursachen? Wissen Sie, wir konzentrieren uns so auf die militärische Seite, und es kommt noch was hinzu bei den Drohnen. Es wird ja alles anonymer. Da sitzt jemand wirklich Tausende Kilometer entfernt, drückt auf einen Knopf und es passiert. Dann gibt es fehlgeleitete Drohnen, die auch mal eigene Leute umbringen. Dann gab es in den USA Todeslisten, die abgearbeitet wurden mit den Drohnen, oder andere Stellungen wurden bekämpft.

Was heißt hier der Schutz der eigenen Soldaten? Es sind genügend auch Soldaten von uns umgekommen im Krieg in Afghanistan. Auch Zivilisten sind umgekommen. Nein, ich glaube, das ist nicht die Lösung. Und sich immer weiter zu bewaffnen, wissen Sie, zu sagen, jetzt brauchen wir wieder eine neue Waffe, um noch besser Krieg führen zu können, das ist nicht meine Logik.

Armbrüster: Herr Gysi, jetzt sagt Frau von der Leyen ausdrücklich, es soll eben genau nicht ein solcher Einsatz, es sollen nicht solche Drohneneinsätze werden, wie sie die Amerikaner machen, mit Waffen, bei denen sie Todeslisten abarbeiten, sondern es soll nur in ganz gezielten Fällen eingesetzt werden, und wie gesagt: jeweils nur mit Parlamentsvorbehalt.

Gysi: Erstens mit Parlamentsvorbehalt, das hat ja das Bundesverfassungsgericht entschieden. Dafür brauchen wir nicht Frau von der Leyen, um das noch mal zu bestätigen. Aber ich habe nichts dagegen, dass sie es bestätigt. Und zweitens muss ich Ihnen mal sagen, die Abgeordneten können doch die Situation gar nicht einschätzen. Da kommt eine militärische Einschätzung, wonach das dringend erforderlich ist. Dann beschließen wir das auch und dann passiert nachher was ganz anderes.

Wissen Sie, diese Drohnen haben keinen Verteidigungscharakter. Diese Drohnen haben einen Interventionscharakter. Und auch wenn sie heute sagt, sie will das gar nicht so einsetzen wie die USA, aber sie hat sogar mal gesagt, es geht gar nicht so sehr um den Einsatz. Wozu dann? Wozu brauchen wir sie denn, wenn sie eigentlich so gut wie gar nicht eingesetzt werden sollen? Braucht man dafür solche Waffen?

Es ist doch auch nicht schlecht, dass Deutschland auf Atomwaffen verzichtet hat. Andere Länder haben die Atomwaffen. Sind wir dadurch unfreier, oder ist unsere Sicherheit gefährdeter als die anderer Länder? Ich kann das nicht feststellen. Wissen Sie, wo ich raus will ist aus dieser Kriegslogik, die uns immer stärker umtreibt.

Armbrüster: Aber sollten, Herr Gysi, die Parlamentarier im Bundestag nicht eigentlich alles tun, um deutsche Soldaten im Auslandseinsatz, egal ob man jetzt dafür oder dagegen ist, um solche deutschen Soldaten im Auslandseinsatz wirklich optimal zu schützen?

Gysi: Ja, ich habe nichts dagegen. Ich will ja nicht, dass ein einziger Soldat ums Leben kommt. Ich will allerdings auch nicht, dass Zivilisten durch uns ums Leben kommen. All das verurteilen wir. Nur eins muss ich auch sagen: Drohnen – das dürfen wir nicht vergessen – erleichtern die Kriegsführung, und ich finde, wir brauchen eine Bundesverteidigungsministerin, die die Kriegsführung erschwert, nicht erleichtert.

Armbrüster: Wieso erleichtern die die Kriegsführung?

Gysi: Ja, weil Du dann sagen kannst, wir haben ja noch Drohnen, wenn ihr da in Schwierigkeiten kommt, schicken wir die Drohnen los. Dann nimmt die Bereitschaft der Soldaten wieder zu. Verstehen Sie? Das ist eine Erleichterung der Kriegsführung, wenn man sagt, ihr seid dann in einer ernsten Situation, da kann das und jenes passieren. Und dann wird zumindest eine Sicherheit vorgegaukelt. Die gibt es ja auch nicht mit Drohnen.

Es sind ja massenhaft amerikanische Soldaten umgekommen, obwohl die USA über Drohnen verfügten. Auch das ist doch wieder ein leeres Versprechen. Aber wenn man so eine Sicherheit vorgaukelt, dann nimmt die Bereitschaft zur Kriegsführung wieder zu. Ich wünsche mir eine Bundesverteidigungsministerin, die das Kriegführen bei allen Seiten, auch bei unserer so schwer wie möglich macht und nicht so leicht wie möglich.

Armbrüster: Können wir es uns denn leisten, Herr Gysi, außenpolitisch und auch militärisch immer noch weltweit wie Zwerge aufzutreten?

Gysi: Nein, außenpolitisch nicht. Wir haben außenpolitisch Gewicht, das müssen wir einsetzen. Aber ich bestreite, dass man dieses Gewicht nur hat, indem man gleichzeitig sich militärisch engagiert. Ich nenne mal ein Beispiel, das mag jetzt unpassend sein, ist mir egal: China zum Beispiel ist eine starke Macht auch außenpolitisch, aber militärisch, zum Glück, beteiligen sie sich so gut wie gar nicht.

Nun ist das kein demokratisches Land, das weiß ich, aber ich finde diese Gleichsetzung von außenpolitischer Bedeutung und militärischer Bedeutung falsch. Man macht nicht Außenpolitik über Militär. Man kann Außenpolitik auch ganz anders gestalten. Da gibt es viele Staaten, die eine Bedeutung haben außenpolitisch, ohne dass man weltweit ihre Soldaten antrifft wie bei uns inzwischen.

Armbrüster: Aber muss Außenpolitik nicht sinnvoll unterfüttert werden mit zumindest einem gewissen militärischen Drohpotenzial, was man im Hintergrund hat?

Gysi: Ein Drohpotenzial ist noch was anderes als ein Einsatz. Ich bin ja nicht dagegen, dass wir eine Bundeswehr haben, deren erster Auftrag und eigentlich auch einziger sein muss unsere Landesverteidigung und, solange wir in der NATO sind, logischerweise auch Bündnisverpflichtung. Aber noch ist ja kein NATO-Land angegriffen worden. Nur wissen Sie, was mich so stört ist die ganze Herangehensweise. Ich höre immer so schnell das Militär, nicht, verstehen Sie, so als letzte Variante. Was passiert denn vorher? Dann gibt es Ausnahmen und dann wird uns immer vorgeführt, dass die nichts bringen. Ich sage mal Stichworte Syrien, Ukraine etc. Darauf will ich jetzt gar nicht weiter eingehen.

Weltweit hat sich wieder eine militärische Logik eingeschlichen, und zwar überall, und ich glaube, die bringt uns nicht weiter. Wenn ich mir heute Afghanistan ansehe, Irak ansehe, Libyen ansehe, kann ich nur sagen, was haben denn die Kriege gebracht. Nichts! Im Gegenteil: Die Verelendung hat zugenommen. Also scheint es doch nicht die Lösung zu sein.

Vielleicht müssen wir mal andere Wege gehen. Vielleicht müssen wir mal über Ursachenbekämpfung nachdenken. Vielleicht müssen wir außenpolitisch konfliktvorbeugend tätig sein, einfach anders denken, anders agieren. Dafür werde ich mich engagieren. Ich glaube nicht an diese fantastische Wirkung des Militärs, wie leider viele im Bundestag.

Armbrüster: Und mit Ihrer ablehnenden Haltung zu solchen Auslandseinsätzen und auch zu solchen Drohnenkäufen verbauen Sie sich dann immer eine Zusammenarbeit mit der SPD und auch mit den Grünen.

Gysi: Nein! Außerdem: Ich bin doch hier nicht auf einem Basar. Ich handele doch nicht über Drohnen über eine Koalition, die ja noch überhaupt gar nicht zur Debatte steht. Die SPD ist gerade in einer Großen Koalition. Aber ich sage Ihnen, ich glaube ...

Armbrüster: Aber das ist ja einer der größten Stolpersteine.

Gysi: Nein, das sehe ich anders. Ich denke und im Ernst – aber das wäre ein neues Thema -, dass wir uns, was Militärpolitik und Außenpolitik betrifft, leichter verständigen können als bei der Frage der Umverteilung. Die SPD hat eine Umverteilung von unten nach oben organisiert und sie nur zu stoppen, würde uns nicht reichen. Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten, und da weiß ich überhaupt noch nicht, wie man die SPD dazu bringen will.

Da sehe ich größere Schwierigkeiten als auf den anderen Gebieten, weil auch die SPD inzwischen begriffen hat, dass die Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen etc. nichts gelöst haben. Trotzdem, natürlich: Ich sage ja nicht, dass es leicht ist. Aber ich sage Ihnen, die Umverteilungsfrage wird schwieriger.

Armbrüster: Gregor Gysi war das, der Fraktionsvorsitzende der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, live hier heute Morgen bei uns in den "Informationen am Morgen". Vielen Dank, Herr Gysi!

Gysi: Bitte Schön, Herr Armbrüster.

 

Deutschlandfunk, 3. Juli 2014