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Raus aus dem Steuersumpf

Interview der Woche von Barbara Höll,

Barbara Höll, Sprecherin für Steuerpolitik, über die aktuelle Steuerschätzung für Deutschland, fehlende Transparenz im Kampf gegen internationale Steuerhinterziehung, den Fall Uli Honeß und die Versprechen der SPD, die sich nicht mit ihrem Abstimmungsverhalten im Bundestag decken



Am Mittwoch wird die Steuerschätzung für Deutschland präsentiert. Kann sich Finanzminister Schäuble freuen?

Barbara Höll: Angesichts eines seit langem nicht ausgeglichenen Bundeshaushalts, laut neuester Schätzung sinkenden Steuereinnahmen sowie der immer noch starken Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen hat der Finanzminister meines Erachtens keinen Grund zur Freude. Im Jahr 2014 werden nach Schätzungen des Finanzministeriums rund drei Milliarden Euro weniger an Steuereinnahmen eingenommen, gegenüber der Prognose vom 31. Oktober 2012. Auch die enormen Risiken für den Haushalt sind da noch nicht berücksichtigt. Einen Grund zur Freude hätte der Finanzminister, wenn er für eine längst überfällige steuerliche Entlastung unterer und mittlerer Einkommen sorgen würde. Das Ganze gegenfinanziert durch eine moderat stärkere Belastung hoher und sehr hoher Einkommen sowie einer Abschaffung der Abgeltungsteuer.

Rainer Brüderle von der FDP behauptete letzthin in der Zeitung DIE WELT, dass es insbesondere die rund zehn Prozent der Gutverdienenden seien, die rund 50 Prozent zum Steueraufkommen beitragen. Wie gerecht sind die Steuerlasten in Deutschland verteilt?

Die Äußerung von Rainer Brüderle ist schlichtweg irreführend. Er spricht nur von der Einkommensteuer, wo in der Tat rund zehn Prozent gutverdienenden Steuerzahlerinnen und Steuerzahler – hier reden wir über Einkünfte ab 184.000 Euro pro Jahr – über 50 Prozent des Aufkommens der Einkommensteuer erbringen. Warum das so ist, lässt Rainer Brüderle völlig außer Acht. Rund ein Drittel der Steuerpflichtigen zahlt nämlich gar keine Steuern. Daraus schließen dann einige Leute, unter anderem Herr Brüderle, das Reiche und Vermögende schon zu hoch belastet seien.

Der Anteil am Steueraufkommen sagt aber noch lange nichts über die Steuerbelastung aus. Seit Mitte der neunziger Jahre konnten die rund 5.000 Haushalte mit den höchsten Einkommen ihren Anteil am Gesamteinkommen um rund 50 Prozent steigern, die Einkommenszuwächse korrespondierten aber nicht mit einem zunehmenden Anteil am Steueraufkommen dieser Spitzenverdiener. Dieser blieb weitestgehend konstant. Die massiven Einkommenszuwächse, verbunden mit einem stagnierenden Anteil am Steueraufkommen bedeuten im Umkehrschluss, dass die reale Steuerbelastung der Reichen in Deutschland gesunken ist. Dementsprechend ist der hohe Anteil der hohen Einkommen am Aufkommen der Einkommensteuer Ausdruck der starken und wachsenden Ungleichheit in der Verteilung von Einkommen und Vermögen. Das schlägt sich dann in der Einkommensteuerstatistik nieder. Insbesondere müssen bei der Debatte um die Steuerbelastung auch Verbrauchsteuern betrachtet werden, die zahlen nämlich alle. Menschen und Familien mit geringem Einkommen spüren diese Belastung deutlich stärker.

24 Billionen Euro – das ist laut Schätzungen des Netzwerks Steuergerechtigkeit das Gesamtvermögen, das in Steueroasen versteckt wird. Wie viel davon entgeht uns jährlich?

Wie viel Deutschland durch Steuerhinterziehung und Steuerumgehung letztlich an Steuereinnahmen entgehen ist schwer bezifferbar. Es dürften sich aber um einige Milliarden Euro handeln. Für Deutschland schätzt der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, ein weltweites Hinterziehungsvolumen von rund 400 Milliarden Euro. Nach den Berechnungen von Tax Justice Network entgehen den Staaten weltweit mindestens 148 Milliarden Euro pro Jahr an Steuereinnahmen durch internationale Steuerhinterziehung. Das Wichtigste im Kampf gegen internationale Steuerhinterziehung und Steuerumgehung ist Transparenz, diese ist bisher nicht gegeben, zu undurchsichtig ist das Steuerhinterziehungs- und Vermeidungssystem. Eines der zentralen und effektivsten Instrumente, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen, ist der automatische Informationsaustausch in Sachen Steuerangelegenheiten. Einen ersten Schritt hätte die Bundesregierung kürzlich gehen können, indem sie unserem Antrag auf Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung gemäß § 371 Abgabenordnung, zugestimmt hätte. Auch die SPD, die dies ja auch fordert, lehnte unseren Antrag ab. Das ist unglaublich.

Und dann der "Fall Hoeneß". Der Bayernmanager hatte abgewartet, ob ihn das Steuerabkommen mit der Schweiz rettet. Kaum im Bundesrat gestoppt, startet die Schweiz nun einen neuen Anlauf bei der Bundesregierung. Was ist von solchen Abkommen zu halten?

Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Ziel eine Doppelbesteuerung zu vermeiden sind grundsätzlich zu begrüßen. Doch kommt es wie bei jedem Vertrag auf die Ausgestaltung eines solchen Abkommens an. Das Steuerabkommen mit der Schweiz ist ja ein besonderes Abkommen mit zwei großen Blöcke. Zum einen die Behandlung der Altfälle, zum anderen die Behandlung zukünftiger Fälle. Bei der Art der Ausgestaltung liegt der Hase im Pfeffer, wie es so schön heißt.

Mit dem Steuerabkommen wäre Uli Hoeneß anonym geblieben. Die Anonymität, für die Steuerhinterzieher gerne auch etwas mehr gezahlt hätten, ist eines der zentralen Gründe, warum dieses Abkommen zu Recht gescheitert ist. Dass Uli Hoeneß auf das Abkommen vertraute, spricht dafür, dass er um die Brisanz des Abkommens im Zuge seiner Steuerhinterziehungsstraftat wusste.

Die Schweiz pochte seit jeher auf die anonyme Abgeltungsteuer, um ihr Bankgeheimnis wahren zu können. Die internationalen Entwicklungen tendieren jedoch zu einem automatischen Informationsaustausch in Sachen Steuerangelegenheiten. Dies torpedierte bisher die Schweiz. Jüngst waren aber auch von ihr Verlautbarungen zu vernehmen, wonach sie den automatischen Informationsaustausch, wenn er denn internationaler Standard würde, akzeptieren würde.

Am vergangenen Freitag hatte Ihre Fraktion zwei Anträge in den Bundestag eingebracht, mit denen Steuerhinterziehern das Handwerk hätte gelegt werden können. Alle anderen Fraktionen haben das abgelehnt. Nur einen Tag später sagt die SPD, dass sie im Falle eines Wahlsiegs entschlossen gegen Steuerhinterzieher vorgehen wird. Wie glaubwürdig ist das?

Wir haben dem Bundestag zwei gute Anträge vorgelegt, zum einen "Steueroasen trockenlegen – offshore und hierzulande", zum anderen "Straffreiheit bei Steuerhinterziehung durch Selbstanzeige abschaffen". Die Umsetzung, auch nur ein Teil der dort genannten Maßnahmen, hätte uns viele Schritte im Kampf gegen Steuerhinterziehung vorangebracht. Die Einrichtung einer Bundesfinanzpolizei – die Bundesregierung fordert ja ein Steuer-FBI, was an sich nichts anderes ist – wäre ein wichtiger Schritt, um Steuerhinterziehung und Steuerumgehung transparent zu machen und letztlich einzudämmen. Dass die Bundesregierung beide Anträge abgelehnt hat, verwundert nicht wirklich. Das aber auch die Grünen und die SPD diese Anträge ablehnten, erstaunt mich schon. Insbesondere dass die SPD den Antrag zur Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige ablehnt überrascht, verkündet sie doch ebenfalls, dieses längst nicht mehr zeitgemäße Instrument abschaffen zu wollen. Für glaubwürdig halte ich die Forderung daher nicht.

linksfraktion.de, 7. Mai 2013