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"Rauchverbot wird verschaukelt"

Im Wortlaut von Martina Bunge,

Gesundheitsausschuss-Chefin Martina Bunge, MdB Fraktion DIE LINKE., kritisiert Kompetenz-Gerangel.

Plötzlich soll es nun ganz schnell gehen mit dem Nichtraucherschutzgesetz. War bislang ein gemeinsamer Gruppenantrag von Bundestagsabgeordneten aus allen Fraktionen nach Ende der Sommerpause geplant, drückt nun überraschend die Union aufs Tempo. "Die Bundesregierung muss bereits in der Sommerpause die Arbeiten an einem konkreten Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz beginnen", forderte gestern die Drogenbeauftragte der Union, Maria Eichhorn (CSU). Eichhorn plädierte für ein umfangreiches Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Lokalen und Verkehrsmitteln.

Bisher wollte man in der Union erst die freiwillige Vereinbarung mit den Gaststätten abwarten. Hintergrund: Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hatte sich in einer Freiwilligkeitsvereinbarung verpflichtet, bis 2008 in 90 Prozent der Restaurants mindestens die Hälfte an Nichtraucherplätzen anzubieten. Bereits in diesem Jahr sollten 30 Prozent der Gaststätten dieses Angebot einhalten. Eichhorn bezweifelt das Erreichen dieses Ziels.

Um die Verwirrung über den Unions-Vorstoß jedoch komplett zu machen, schob Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt den schwarzen Peter zurück zum Parlament. Schmidt sehe derzeit keine Notwendigkeit für ein schnelles Rauchverbot in öffentlichen Räumen und Gaststätten durch die Regierung, ließ sie gestern durch ihren Sprecher Klaus Vater mitteilen. "Sie wird abwarten, was das Parlament vorlegt. Dann wird sie die Mehrheitsentscheidung umsetzen."

Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Gesundheit, Martina Bunge (Linkspartei), fühlt sich bei diesem Kompetenz-Gerangel veralbert: "Ich bin sehr überrascht und fürchte, dass das dringend notwendige Gesetz nur verschaukelt werden soll." Es sei pikant, dass Vertreter der Regierungskoalition jetzt öffentlich ein Gesetz fordern; die Gesundheitsministerin aber erst die Entscheidung des Bundestages zum Gruppenantrag abwarten will. So würde es eine zweite überflüssige parlamentarische Runde geben. Bunge sagte, dass sie den Eindruck habe, dass ein Teil der Regierungskoalition das Gesetz weiterhin im Grunde ablehnt. "Wenn wir jetzt so weiter verfahren, dann haben wir mal wieder nur miteinander geredet. Dann kommt in der Sache selbst nichts zustande." Ein Gesetz wäre zudem sofort möglich, es würden genügend Entwürfe vorliegen. Bereits in der ersten Parlamentswoche im September könnte man diese ins Parlament einbringen. "Ich erwarte, dass die Kanzlerin jetzt im Kabinett auf den Tisch haut. Sie hat die Richtlinienkompetenz." Von einem wirksamen Nichtraucherschutzgesetz erwartet Bunge konsequente und konkrete Schritte. "Dazu gehören für mich selbstverständlich rauchfreie Krankenhäuser und eine klare Abtrennung von Raucher- und Nichtraucherzonen in öffentlichen Gebäuden. Hier darf es keine Vermischungen geben."

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beraten heute und Freitag in Dessau über besseren Nichtraucherschutz. Bremen und Sachsen-Anhalt legen einen Antrag für ein Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden und in Verkehrsmitteln vor. Gaststätten sollen dazu verpflichtet werden, für Raucher und Nichtraucher getrennte Bereiche anzubieten. Sachsen zeigt sich bislang zurückhaltend. Sozialministerin Helma Orosz (CDU) setzt vor gesetzlichen Regelungen auf den Ausbau von zeitlich eng befristeten Freiwilligkeitsvereinbarungen.

Olaf Majer

Leipziger Volkszeitung, 29. Juni 2006