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Profitinteressen in der ambulanten Gesundheitsversorgung aufdecken

Im Wortlaut von Achim Kessler,

Von Achim Kessler, Sprecher für Gesundheitspolitik der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Im Gesundheitssystem geht es nicht ausschließlich um die medizinische Versorgung, sondern immer auch um Geld. Um viel Geld. Etwa eine Milliarde wird in Deutschland jeden Tag im Gesundheitswesen umgesetzt. Es ist klar, dass hier auch Profit- und Kapitalinteressen umgesetzt werden.

In den letzten Jahren sind Akteure hinzugekommen, die mit Gesundheitsversorgung bislang nichts, überhaupt gar nichts, zu tun hatten: sogenannte „Private-Equity-Fonds“. Das sind Kapitalgesellschaften mit vielen Milliarden Dollar im Rücken. Ihr Geschäftsmodell sieht vor, Unternehmen zu kaufen und nach einer Zeitspanne von wenigen Jahren mit größtmöglichem Gewinn wieder zu verkaufen.

Genau diese Strategie wenden sie, neben Pflegeheimen, Reha-Einrichtungen und Krankenhäusern, vor allem auf Arztpraxen an. Sie kaufen Arztsitze, fusionieren sie zu medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und bündeln diese zu Ketten. Wenn die Profitabilität gesteigert wurde – die durchschnittliche Rendite liegt bei 18 Prozent – werden diese an den nächsten Investor mit hohem Gewinn weiterverkauft.

Letztlich zahlen die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung diese Gewinne. Denn das Ziel der Private-Equity-Gesellschaften ist nicht, für eine bessere flächendeckende medizinische Versorgung zu sorgen, sondern die Gewinnmaximierung durch Kostensenkung.

Es ist schwierig herauszufinden, wie viele Arztpraxen auf diesem Weg schon umgewandelt wurden, wie hoch der Anteil an der ambulanten Versorgung ist und erst recht, wie viel Geld so das Gesundheitssystem jedes Jahr verlässt. Die LINKE will hier Licht ins Dunkel bringen und hat daher einen Antrag ins Parlament eingebracht, mit der Forderung durch eine Meldepflicht Transparenz zu schaffen „Kapitalinteressen in der Gesundheitsversorgung offenlegen“. Dieser Antrag ist am 4. März 2020 in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Gesundheit beraten worden. Dabei stellte sich heraus:

 

  • Nur die Lobbyistinnen und Lobbyisten der MVZ und der Private-Equity-Fonds lehnen unsere Mindestforderung nach Transparenz ab. Alle anderen sind dafür und machen teils weitergehende Vorschläge, um die Verbreitung einzuschränken.
     
  • Selten waren sich die ärztlichen und zahnärztlichen Berufsverbände mit der LINKEN so einig: Wenn Kapitalgesellschaften die Versorgung beherrschen, bestimmt zum Teil nicht mehr die ärztliche Berufsethik, was in den Praxen passiert, sondern ökonomische Kriterien. Ein Zahnärztevertreter berichtete hier davon, dass Zahnärzte sich bei ihm beklagen. Sie würden dazu gedrängt, Zähne zu ziehen, statt zu erhalten, weil das rentabler sei.
     
  • Auch wenn in der ersten Lesung unseres Antrags das Problem von Vertretern der Regierungsfraktionen noch geleugnet wurde, so wurde ihnen auch auf eigene Fragen geantwortet, dass die Versorgung akut gefährdet sei.
     
  • Wenn die Private-Equity-Gesellschaften große kapitalgesteuerte Strukturen erst einmal geschaffen haben, wird es schwierig bis unmöglich, diese Fehlentwicklung umzukehren.
     
  • Es stimmt, dass es auch mit viel Aufwand kaum möglich ist, mehr über Anzahl und Profite der Private-Equity-Fonds in der Gesundheitsversorgung herauszufinden. Spätestens, wenn die Spur in Steueroasen, wie die Cayman-Inseln führt, kommen die Recherchen nicht weiter.
     
  • Investitionen sind für Private-Equity-Gesellschaften durch den gesicherten Geldfluss aus den Krankenkassen und ihre hohe Profitabilität maximal attraktiv. Das gilt umso mehr in Zeiten, in denen die Zinsen niedrig sind und extrem viel Anlagekapital vorhanden ist.
     
  • Die Pläne der Fonds gehen noch weiter: Sie wollen nicht Halt machen bei der Bildung von MVZ-Ketten, sondern Wertschöpfungsketten schaffen. Konkret bedeutet das, dass auch das, was die Ärztinnen und Ärzte in den MVZ verschreiben, zum Beispiel Physiotherapie, oder aber der Praxisbedarf aus einem Unternehmen in der Hand der eigenen Private-Equity-Gesellschaft kommt.

Wir haben uns in unserem Antrag bewusst auf die Schaffung von Transparenz beschränkt und keine weitergehenden Maßnahmen gefordert. Damit wollten wir das Thema setzen und möglichst viele Akteure in der Gesundheitspolitik mitnehmen. Dazu brauchen wir den Druck aus der Gesellschaft. Diese Strategie scheint zu funktionieren. Und wir sind sicher: Wenn erst mal Transparenz da ist, wird auch die Bundesregierung nicht umhinkönnen, Maßnahmen zu ergreifen, die unser Gesundheitssystem vor Kapitalinteressen zu schützen.

 


 

Mitschnitt der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit zum Thema "Kapitalinteressen in der Gesundheitsversorgung"

Weitere Informationen auf der Seite des Deutschen Bundestags