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Privilegien für Unternehmen bei der Erbschaftsteuer sind zum Teil verfassungswidrig

Im Wortlaut von Richard Pitterle,

 

Von Richard Pitterle, steuerpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Privilegien von Unternehmen im Erbschaftsteuerrecht teilweise gekippt. Insbesondere für große Unternehmen sind die Begünstigungen unverhältnismäßig und nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

Eigentlich eine gute Nachricht, denn die Verschonungsregelungen für Unternehmensvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer wurden in den letzten Jahren eifrig genutzt um riesige Summen am Fiskus vorbeizuschleusen. Der SPIEGEL spricht von 105 Milliarden Euro, die seit 2009 steuerfrei auf Erben und Beschenkte übertragen wurden. Zudem ergab sich bei der Erbschaftsteuer ein Einfallstor für Steuerumgehungen, indem zum Beispiel durch die Gründung sogenannter Cash-GmbHs Privatvermögen in Unternehmensvermögen umgewandelt wurde. Genutzt hat das alles vor allem den Reichen und Superreichen.

Angebliche Gefährdung der Unternehmen ist Augenwischerei

Besonders ein Argument wird in dieser Diskussion immer wieder ins Felde geführt: Die Erbschaftsteuerlast bedrohe Familienunternehmen und dementsprechend die dortigen Arbeitsplätze in ihrer Existenz. In der Realität ist allerdings bis heute kein Fall bekannt, in dem ein Unternehmen wegen der Erbschaftsteuer tatsächlich vor dem Aus gestanden hätte. Zudem gilt die vom Bundesverfassungsgericht auch beanstandete Lohnsummenregelung, die die Steuerbefreiungen des Unternehmens an den Erhalt der Arbeitsplätze geknüpft hat, nicht für Betriebe mit 20 oder weniger Beschäftigten. Diese machen jedoch über 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland aus und konnten also trotz Steuerbefreiungen Entlassungen vornehmen.

Ganz klar: Arbeitsplätze sollen erhalten werden. Wenn aber ein Unternehmen tatsächlich mal wegen der Erbschaftsteuer in Schieflage geraten sollte, könnte man dieses Problem auch durch entsprechende Stundungsmöglichkeiten beheben. Eine wie bisher praktizierte weitgehende bis vollständige Befreiung von der Erbschaftsteuer ist jedoch weder notwendig noch sinnvoll. Insofern ist es bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht sich in seinem Urteil nicht weiter vorgewagt und die Begünstigung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftsteuer als generell unzulässig eingeordnet hat.

Schäuble hat sich bereits zugunsten der Unternehmen festgelegt

Dass die Bundesregierung nach diesem Urteil mehr Steuergerechtigkeit bei der Erbschaftsteuer schaffen wird, ist jedoch ohnehin nicht zu erwarten. Zwar hat es hier in den letzten Tagen einen durchaus interessanten Vorstoß aus den Reihen der SPD gegeben, der ebenfalls von "Spielraum nach oben" bei der Erbschaftsteuer ausgeht. Das Bundesfinanzministerium ließ jedoch bereits einige Tage vor der Urteilsverkündung verlauten, Unternehmerinnen und Unternehmer von einer höheren Erbschaftsteuer verschonen zu wollen, unabhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Die starre Haltung des Bundesfinanzministeriums ist gleich in doppelter Hinsicht eine bittere Pille: Zum einen ist es nämlich in Anbetracht des vielerorts immensen öffentlichen Investitionsstaus in den Bundesländern schon als grob fahrlässig zu bezeichnen, auf den gegebenen Spielraum für Mehreinnahmen zu verzichten. Zum anderen zeugt das vorzeitige Festlegen Schäubles auf die Linie der Unternehmen auch von einem Mangel an Respekt vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

linksfraktion.de, 17. Dezember 2014