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Präsident Santos muss sich in Berlin erklären

Im Wortlaut von Heike Hänsel,

 

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, zum Besuch des kolumbianischen Präsidenten

Am Mittwoch wird Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammenkommen, um für politische und finanzielle Unterstützung für seine Regierung zu werben. In Berlin und Brüssel rennt er damit offene Türen ein – dort ist man begeistert von dem smarten neoliberalen Oligarchen. Offiziell werden die Gelder aus Deutschland und der EU für Maßnahmen nach einen möglichen Ende des sozialen und bewaffneten Konfliktes mit den Guerillaorganisationen in dem südamerikanischen Land verwendet. Doch für den Frieden braucht es mehr als die blinde Unterstützung für die rechtsgerichtete Führung von Santos, der von der Bundesregierung als Garant für die eigenen Interessen in der Region gesehen wird. Meiner Meinung nach ist eine Stärkung der Strukturen der ländlichen Wirtschaft ebenso notwenig wie eine wirtschaftliche Zusammenarbeit, die konkrete Vorschläge von Basisorganisationen berücksichtigt.

Die Vorschläge von Basisorganisationen beziehen sich auf den Schutz der Ökosysteme, ländliche Bildungsprogramme und Ernährungssouveränität. Zahlreiche  Basisorganisationen drängen auch auf die Gleichstellung von Mann und Frau. In Kolumbien wurden viele dieser Ideen aus dem Widerstand gegen die Umsetzung des Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kolumbien/Peru geboren.

Ein Friedensabkommen in Kolumbien wird nur erfolgreich sein, wenn es andere bewaffnete Akteure wie die ELN und eine kleinere Gruppe EPL einschließt. Außerdem müssen die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Akteure von den Megaprojekten der Agrarindustrie sowie des Bergbaus und der Energiewirtschaft ablassen. Diese Vorhaben sorgten in der Vergangenheit immer wieder für massive soziale Konflikte.

In Kolumbien steht die Bodenfrage weiterhin auf der Tagesordnung. Ein Friedensabkommen wird nur dann Erfolg haben, wenn der kolumbianische Staat die Rückübertragung der über sechs Millionen Hektar gewaltsam entwendeten Bodens an seine ursprünglichen Besitzer garantiert.

Die Europäische Kommission hat für den Zeitraum zwischen 2014 und 2017 67 Millionen Euro für kommunale wirtschaftliche Entwicklungsprojekte und andere Vorhaben genehmigt. Sie sollte auch die Unterstützung von Vorschlägen der Wahrheitskommission und der sogenannten Gemeinschaften zum Aufbau des Friedens (CONPAZ) in diese Förderung aufnehmen. Diesem Verband gehören 110 Gemeinschaften von Landarbeitern, Afrokolumbianern und Angehörigen der indigenen Bevölkerung an.

Meiner Meinung nach trägt ein am 5. August unterzeichnetes „Rahmenabkommen für die Teilnahme der kolumbianischen Streitkräfte an den Krisenbewältigungsoperationen der Europäischen Union“ nicht zur einem möglichen Friedensabkommen in Kolumbien bei. Es ist unverständlich, weshalb Kolumbien nun um Finanzmittel für Maßnahmen nach dem laufenden Konflikt bittet, wenn die Regierung zugleich mehr als 500.000 aktive Soldaten finanziert. Die EU täte gut daran, die Präsenz ziviler Friedensorganisationen zu stärken. Bei meinen verschiedenen Besuchen in Kolumbien konnte ich mich vergewissern, wie unterschiedlich die Lebensqualität und die Lebensbedingungen auf dem Land und in den Großstädten sind. Ein Grund dafür ist die Abwesenheit ziviler staatlicher Strukturen und eine sträflich vernachlässigte Entwicklungspolitik. Anderseits habe ich das politische Potenzial erlebt das in den CONPAZ-Gemeinden liegt.

Ich erwarte, dass Frau Merkel auch die massiven Sorgen über die laufende Reform der Militärstrafgesetze in Kolumbien anspricht. Wenn das Vorhaben umgesetzt wird, könnten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Verschwindenlassen, außergerichtliche Hinrichtungen, sexuelle Gewalt, Folter und Zwangsvertreibung der Militärjustiz unterstellt werden. In diesem Fall würden diese Verbrechen – so meinen Menschenrechtler – nie aufgeklärt. Die Gespräche zwischen Merkel und Santos in Berlin werden zeigen, wie viel die Bundesregierung für die Durchsetzung ihrer neoliberalen Politik in Lateinamerika zu opfern bereit ist.