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PISA: Beschämender Befund der sozialen Spaltung bleibt

Im Wortlaut von Diana Golze,

 

Von Diana Golze, Leiterin des Arbeitskreises Lebensweise und Wissen

Der Schock war groß. 2001 bescheinigte die internationale Schulleistungsuntersuchung der OECD dem deutschen allgemeinbildenden Bildungssystem im Vergleich zu anderen Staaten eine eher mittelmäßige Stellung. Das Land der Dichter und Denker und Heimat der berühmten Ingenieurskunst auf Mittelmaß herabgestuft, auch wenn die Aufruhr zu den Ergebnissen größer war als der wirkliche Neuigkeitswert zu den Defiziten in bestimmten allgemeinbildenden Teilen. Von wirklicher Brisanz allerdings war die Festschreibung der Tatsache, dass Bildung und soziale Herkunft nicht nur in mittelbarem Zusammenhang stehen, sondern das Kinder und Jugendliche durch die bestehende undurchlässige Dreigliedrigkeit des deutschen Schulsystems unwiderruflich auf eine Bildungslaufbahn gedrängt werden, die sie nicht mehr  - oder nur schwer - verlassen können. Benachteiligt werden – und dies war der eigentliche Skandal dieser Pisa- Studie – Kinder und Jugendliche aufgrund des Einkommens ihrer Eltern, und zwar in Deutschland so stark wie in keinem anderen Vergleichsland. Studien, die im Nachgang zu PISA entstanden, belegen, dass Kinder aus den Familien im Hartz IV-Bezug schon in der Grundschule von Lehrkräften bei gleicher Leistung schlechter benotet werden als Kinder aus Elternhäusern mit höherer Schulbildung. Und es war auch PISA, das schwarz auf weiß belegte, dass Deutschland das Schlusslicht bei der Integration von Migrantenkindern ist.  Besonders traurig: Die Defizite liegen auch hier im System. Denn obwohl Kindern mit Migrationshintergrund die notwendige Lernbereitschaft und eine positive Einstellung attestiert wurde, waren ihre Erfolgschancen in Deutschland geringer als in jedem anderen der 17 untersuchten Staaten.

Nun, gut zehn Jahre später, jubelt die deutsche Öffentlichkeit über die Rehabilitierung des deutschen Bildungssystems. Glücklich wird verkündet, dass Schülerinnen und Schüler der neunten Klassen in Deutschland wieder besser lesen können und dies sogar im Vergleich zu anderen Industrienationen! Jenseits davon, dass die Jubler ausblenden, dass in diesem Vergleich Länder wie Spanien „überholt“ wurden, die im Jahr 2012 bereits im vierten Jahr der Wirtschaftskrise waren, eine steigende Arbeitslosigkeit vor allem im öffentlichen Bereich mit Sicherheit nicht spurlos am Bildungssystem vorbeigegangen ist  und eine Jugendarbeitslosigkeit von über 50 Prozent und damit die verbundene Perspektivlosigkeit bei jungen Menschen leider nicht Gegenstand der Vergleiche gewesen ist, scheint die große Erleichterung auch ansonsten mehr als fraglich – in jedem Fall übertrieben. Noch immer sind es die Kinder aus sogenannten Bildungshaushalten, die in größeren Anteilen an unseren Gymnasien zu finden sind. Noch immer wird der Bildungsweg von Kindern und Jugendlichen durch die Gesellschaft dadurch vorgegeben, welchen sozialen Status die Eltern haben. Und das bleibt der traurige Befund: Man kann darüber klagen, dass 15-Jährige zu wenig Freude an Mathematik haben und man kann sich darüber freuen, dass sie wenigstens gern und vor allem wieder besser lesen können. Aber dass wir noch immer keine Lösungen gefunden haben, durch Armut von Familien entstehende  Benachteiligungen auszugleichen und jedem Kind die Förderung und Unterstützung zukommen zu lassen, die es braucht, das ist beschämend.

linksfraktion.de, 15. Januar 2014