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Eine Bäuerin auf einem Reisfeld © UN Photo/Martine PerretFoto: UN Photo/Martine Perret

Persilschein für Konzerne

Im Wortlaut von Michel Brandt, junge Welt,

Klimaschutz wird im Lieferkettengesetz der Bundesregierung nicht einmal erwähnt. Gastkommentar von Michel Brandt

 

Das Lieferkettengesetz war die historische Chance, deutsche Unternehmen endlich wirksam für die Menschenrechte, Umwelt- und Klimaschutz in ihrem globalen Wirtschaften verantwortlich zu machen. Es hätte den Menschen entlang der Lieferkette umfangreiche Rechte geben können, um gegen profitgesteuerte Umweltzerstörung und klimaschädliche Produktion rechtlich vorzugehen. Doch diese Chance haben Wirtschaftsminister Peter Altmaier, Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller mit dem am 3. März im Kabinett verabschiedeten Sorgfaltspflichtengesetz verpasst.

Der im Frühjahr 2019 aus dem Entwicklungsministerium geleakte Entwurf eines »nachhaltigen Wertschöpfungsgesetzes« sah noch Sorgfaltspflichten zur »Einhaltung grundlegender Anforderungen des Umweltschutzes« und zur »Vermeidung von Umweltschädigungen« vor. Im aktuellen Gesetzentwurf ist davon nicht viel übriggeblieben. Unternehmen müssen den Schutz der Umwelt demnach nur dann in ihrer Sorgfaltspflicht berücksichtigen, wenn dadurch die Menschenrechte gefährdet werden. Wenn die Textilfabrik eines deutschen Konzerns in Indonesien also giftige Abwässer ins Meer leitet, wäre das nur dann problematisch, wenn es das individuelle Menschenrecht von Küstenbewohnern beeinträchtigen würde. Das nachzuweisen, sollte jedoch schwierig werden.

Darüber hinaus werden im aktuellen Entwurf nur zwei Umweltkonventionen (Quecksilber-Konvention und Stockholmer Übereinkommen über organische Schadstoffe) explizit aufgelistet, deren Umsetzung Konzerne in ihren Lieferketten berücksichtigen müssen. Damit fällt der »Kompromiss« weit hinter andere Gesetze bzw. Regelungsvorhaben zurück. Sowohl das 2017 verabschiedete französische Sorgfaltspflichtengesetz als auch der aktuelle Vorschlag für eine EU-Lieferkettenverordnung beinhalten sehr viel umfangreichere Sorgfaltspflichten. Die Ankündigung von Arbeitsminister Heil, bei dem deutschen Lieferkettengesetz handele es sich um das weitreichendste Vorhaben der ganzen Welt, ist damit eine Farce.

Die Bundesregierung hat es geschafft, den Klimaschutz in dem 64seitigen Gesetzentwurf nicht mit einem Wort zu erwähnen. Und das in einer Zeit, in der sich der Klimawandel immer deutlicher bemerkbar macht. Der Winter ist noch nicht vorbei, und doch hat er mit anhaltenden Temperaturen über 20 Grad schon mehrere Rekorde gebrochen.

Daran tragen auch deutsche Unternehmen eine beachtliche Mitschuld. Das zeigt besonders anschaulich der bisher einzigartige Fall von Saúl Luciano Lliuya – der peruanische Bergführer, der gegen RWE klagt. RWE hat nachweislich zu 0,5 Prozent zum Klimawandel beigetragen und soll sich dem Kläger zufolge finanziell an den Kosten zur Rettung seines Dorfs vor den Folgen eines schmelzenden Gletschers beteiligen. Klagen wie diese sind unter deutschem Recht jedoch kaum möglich. Deswegen tun deutsche Konzerne nicht genug, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Statt die Vorgaben des Klimaabkommens für Unternehmen im Lieferkettengesetz verpflichtend festzuschreiben, wird das Thema aus dem Entwurf gänzlich gestrichen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Sorgfaltspflicht von Konzernen effektiv nur auf den direkten Zulieferer erstreckt. Der Abbau von Rohstoffen – der menschenrechtlich und ökologisch problematischste Sektor – steht allerdings am Anfang der Lieferkette. Da es selten direkte Vertragsbeziehungen zwischen der Kobaltmine und dem Autohersteller gibt, wird einer der regulierungsbedürftigsten Bereiche der Lieferkette komplett außer acht gelassen.

Aus umwelt- und klimapolitischer Sicht liefert der Entwurf des Sorgfaltspflichtengesetzes bei weitem nicht das, was dringend notwendig wäre. Ein schwaches Lieferkettengesetz wäre nicht nur ein Freifahrtschein für deutsche Konzerne, das Klima und die Umwelt weiter zu zerstören. Es besteht zudem die Gefahr, dass es als Blaupause für die aktuell erarbeitete EU-weite Lieferkettenverordnung genutzt wird und diese mit sich in den Keller zieht. Der aktuelle Kabinettsentwurf muss dringend nachgebessert werden, bevor er am 22. und 23. April im Bundestag zur Debatte gestellt wird. Denn es braucht ein Lieferkettengesetz, das den Namen auch verdient. Das bedeutet umfangreiche, einklagbare menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten für alle beteiligten Unternehmen.

junge Welt,