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Foto: Rico Prauss

Pausengespräche und Klimapolitik

Im Wortlaut von Dietmar Bartsch,

Kommentar zur Petersberger Klausur der Regierungskoalition

 

Von Dietmar Bartsch, 2. stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE.

 

Die Spitzen der Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD haben sich auf dem Petersberg bei Bonn zur Klausur getroffen. „Nach der Osterpause geht es darum, das Arbeitspensum bis zum Sommer zu besprechen“, wird SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil zitiert. Ich finde, die Große Koalition gönnt sich reichlich Pausen. Fast neunzig Tage vergingen von der Bundestagswahl bis zur Vereidigung der Kanzlerin, dann war Weihnachten, nun Ostern… Ob alle Minister – einer wurde schon ausgetauscht – inzwischen tätig sind, ist schwer zu beurteilen. Weil bei Mindestlohn und Rentenpaket, bei Vorratsdatenspeicherung, Genmais oder der „Pille danach“ nicht wenige Widersprüche zwischen den Regierungsparteien zutage traten und mit dem „Fall Edathy“ auch die erste Krise ausbrach, war an den Kaminen im Januar im brandenburgischen Meseberg und jetzt auf dem rheinischen Petersberg viel Klimapflege nötig. Offenbar mit zweifelhaften Erfolg, wenn dieser nämlich in wolkige Sätze wie den von Unionsgeschäftsführer Grosse-Brömer  gefasst werden muss: „Uns verbindet der Grundgedanke, dass nicht alles in Europa auch von Europa geregelt werden muss.“ Donnerwetter, so viel Einheit war selten!

Auf der Petersberger Abschlusspressekonferenz schwärmten die Fraktionschefs wortreich und inhaltslos über die fabelhafte Atmosphäre der Zusammenkunft. Wortkarg wurden sie, als es galt, über konkrete Ergebnisse zu informieren. Volker Kauder (CDU) wusste zu berichten, dass der Mehrwertsteuersatz bei Hörbüchern auf sieben Prozent sinken soll, Thomas Oppermann (SPD) schwadronierte über Tarifpolitik und Gerda Hasselfeldt (CSU) kündigte eine Debatte über Sterbehilfe an. Das jüngste Treffen der Regierungsfraktionen nährt keine Hoffnungen dahingehend, dass die Staatsfinanzen in Europa nicht weiter einseitig zulasten von Löhnen, Renten und Sozialleistungen saniert und marode Banken gerettet werden sollen.

Die Politik der Bundesregierung ist durch drei Tendenzen gekennzeichnet: Sie weicht vor den großen Herausforderungen der Zeit aus, sie befördert Stillstand und geht mit viel Inkonsequenz kleine Schritte, manchmal sogar in die richtige Richtung. Die in Deutschland und Europa erforderliche Umverteilung von oben nach unten wird nicht angegangen, alle diesbezüglichen Wahlversprechen der heutigen Regierungsparteien sind inzwischen Makulatur – alle, von Vermögenssteuer (SPD) bis Abbau der kalten Progression (CDU). Bei Letztgenanntem trat Volker Kauder in Bonn noch einmal ganz deutlich auf die Bremse.

Mindestlohn, Steuerpolitik, Energiewende, Verbraucherschutz, Rente – wohin man auch schaut, überall gehen winzige Veränderungen einher mit der Verweigerung grundsätzlicher Lösungen in Richtung soziale Gerechtigkeit. Der Mindestlohn wird in ungenügender Höhe, mit vielen Ausnahmen und über einen sehr  langen Zeitraum gestreckt konzipiert. In der Energiepolitik wird eine Wende hin zu erneuerbaren Energien zwar in Angriff genommen, die Kosten allerdings sollen allein die abhängig Beschäftigten, die Selbständigen sowie kleine und mittlere Unternehmen tragen. In der Renten-, Lohn- und Sozialpolitik werden (25 Jahre nach der deutschen Einheit!) die Ost-West-Unterschiede fortgeschrieben. Skandal! Minimale Verbesserungen im Verbraucherschutz und bei der Verbraucherinformation sollten uns nicht die Augen vor der Tatsache verkleistern, dass da Geheimverhandlungen zu einem Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA laufen, die ganz elementare soziale, demokratische und andere Rechte der Bürgerinnen und Bürger beiderseits des Atlantiks bedrohen.

Selbstverständlich ist es nur zu begrüßen, wenn die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD betonen, dass die Konflikte in der Ukraine nur auf gewaltfreiem diplomatischem Wege gelöst werden können, und wenn Bundeskanzlerin Merkel bemüht ist, den Gesprächsfaden zu Präsident Putin nicht reißen zu lassen. Das Agieren deutscher und anderer Militärbeobachter in unklarer Mission – deren Freilassung selbstverständlich zu fordern ist – passt allerdings nicht recht in dieses Bild. Abzuwarten bleibt, ob und mit welchem Erfolg die deutsche Regierung versuchen wird, US-Präsident Obama davon abzuhalten, weiter an der Sanktionsspirale zu drehen und stattdessen ein Gipfeltreffen mit Putin anzustreben.

Ein positiver deutscher Beitrag zum Weltklima (im wörtlichen wie im übertragenen Sinne!) wäre wichtiger als langatmige Klimaberichte aus einer Koalition, die keine Liebesbeziehung ist, wie wieder und wieder betont wird.

linksfraktion.de, 29. April 2014