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Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur sogenannten NSA-Affäre

Im Wortlaut von Martina Renner,

 

Von Martina Renner, für DIE LINKE Mitglied im Innenausschuss des Bundestages


Es war ein langer Weg, und es waren intensive Verhandlungen nötig bis zur Erarbeitung eines gemeinsamen Untersuchungsauftrag für einen Ausschuss, der „angestoßen insbesondere durch Presseberichterstattung in Folge der Enthüllungen Edgar Snowdens“ die Internet- und Telekommunikationsüberwachung durch die Geheimdienste verschiedener Staaten aufklären sollte. Dieser Antrag lag schließlich am frühen Abend des 13. März vor.

Ein kurzer Blick zurück: Im Sommer 2013 erklärten die damaligen Verantwortlichen der Union die „Affäre“ für beendet, erbaten untertänigst Auskunft von den USA und Großbritannien über deren Überwachungsmaßnahmen in Europa und Deutschland. Sie ließen sich am Nasenring durch die Medien führen und am Ende – als bekannt wurde, dass das Handy der Kanzlerin abgehört wurde – wurde ein „No-Spy“-Abkommen in Aussicht gestellt, das die USA wenige Wochen später schlichtweg ablehnten. In den Monaten seit den ersten Veröffentlichungen aus dem Snowden-Fundus im Juli 2013 bis heute wurde keine einzige Maßnahme der alten und neuen Regierung bekannt, die tatsächlich ein praktischer Schritt zur Aufklärung und vor allem zur Beendigung der exzessivsten Grundrechtsverletzungen gewesen wäre.

Und noch in ihrem ursprünglichen Einsetzungsantrag hielten die Koalitionsfraktionen fest an ihren Versuchen, das (Nicht-)Handeln der Bundesregierung auszuklammern, die Aufklärung im wesentlichen auf Spionageangriffe gegen Regierung und Wirtschaft einzugrenzen und die sichtbar gewordene internationale Kooperation der Geheimdienste auf Kosten von Grundrechten zu leugnen. Und es fehlte die ab Herbst 2013 bekannt gewordene Datenanlieferung von deutschem Boden aus für den Drohnenkrieg der USA vor allem in Afghanistan und Pakistan.

Untersuchungsausschüsse sollen praktisch vor allem ein Instrument der Opposition zur Kontrolle der Regierung sein. Und so war es bis dahin einigermaßen gute Tradition im Bundestag, dass die Mehrheit, die Regierungskoalition also, sich zu einem Antrag der Minderheit verhalten muss, das heißt sie stimmt dem Minderheitenantrag zu oder enthält sich. Sie sorgt jedenfalls dafür, dass die Oppositionsrechte gewahrt bleiben und ein Untersuchungsausschuss auf Basis des Minderheitenantrags zustande kommen kann.

Diesmal war alles anders: DIE LINKE und die Grünen hatten einen weitgehenden Oppositionsantrag vorgelegt und den Koalitionsfraktionen zugeschickt, damit sie diesem mit Ergänzungen oder Änderungen beitreten konnten. Im Schnellverfahren legte die Koalition einen eigenen Antrag mit großen Anleihen bei der Opposition vor. Der sollte wohl ausschließlich dem Zweck dienen, den Vorgaben der Minderheit nicht offensichtlich folgen zu müssen und sich selbst in die Position eines Antragstellers zu bringen.

Und so mussten in den Verhandlungen Stück für Stück die ursprünglichen Beschränkungen des Koalitionsansatzes aufgebrochen werden:

  • Übernommen wurde die Untersuchung des sogenannten systematisierten Ringtauschs, „in dem der jeweils anderen Seite Daten oder Erkenntnisse übermittelt werden, die diese nach dem jeweils am Ort der Datenerhebung geltenden Recht nicht erheben darf“.
  • Ausgeweitet wurde auch die Beschränkung der Untersuchung auf USA/NSA und Großbritannien/GCHQ auf wenigstens  die „5-Eyes“ mit der Option auf Erweiterung bei entsprechenden Anhaltspunkten auf weitere Länder.
  • Ausgeweitet wurde auch der Zeitraum. Das ganze Jahr 2001 gilt als Ausgangspunkt und nicht der 11.09.2001. Nicht der 11.09. war der Ausgangspunkt der Übergriffe, es gibt eine lange Tradition davor, für deren Berücksichtigung zumindest ein Fenster offengehalten wurde.
  • Schließlich rücken auch Stellen des Bundes, Nachrichtendienste oder Behörden wie das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und die Bundesregierung selbst, einschließlich der von ihnen möglicherweise beauftragten privaten Unternehmen deutlicher oder überhaupt in den Mittelpunkt der Untersuchungen. 
  • Natürlich hat auch die mögliche Datenzulieferung zu Drohnenkrieg und anderen US-Praktiken, die deutschen Behörden untersagt sind, Eingang in den Text gefunden.
  • Und auch der Versuch, durch die Beschränkung auf „rechtswidrige“ oder „verdachtsunabhängige“ Datenverarbeitung durch Dienste und Behörden einen Filter vor den Untersuchungsbereich zu schalten, wurde schließlich von der Koalition aufgegeben.

Der Antrag eröffnet der LINKEN und den Grünen große Möglichkeiten, durch Beweisanträge und Zeugenladungen - bis hin zur Ladung von Snowden - ihre Vorstellungen einer umfassenden Aufklärung umzusetzen und nachhaltige Sicherungskonzepte gegenüber solchen routinemäßigen Verletzungen von Grund- und Menschenrechten zu erarbeiten, wie sie im Gefolge der Snowden Veröffentlichungen bekannt wurden.

Es ist allerdings absehbar, dass die Rechte der Opposition in diesem Ausschuss hart umkämpft bleiben werden – vor allem, wenn es darum geht, die Arbeit des Ausschusses auf einem regierungskritischen Kurs zu halten. Aber es kann zumindest um deren formale Geltung keinen Streit geben. Die angestrebte Mitgliederzahl von acht Abgeordneten gewährt der Opposition zumindest das dafür entscheidende Viertel am Ganzen.

 

linksfraktion.de, 15. März 2014