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Palästina als Vollmitglied in die UNO aufnehmen

Kolumne von Wolfgang Gehrcke,

Von Wolfgang Gehrcke, Mitglied des Vorstandes und außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

"Unser Ziel bleibt eine Vereinbarung über alle Fragen des endgültigen Status und die Begrüßung von Palästina als ein Vollmitglied der Vereinten Nationen im September 2011. Wir werden dazu beitragen, dieses Ziel in jeder möglichen Art und Weise zu erreichen."

Dies ist nicht etwa der Beginn einer Rede von Linken im Bundestag, dies ist die Erklärung zum Abstimmungsverhalten im Weltsicherheitsrat, abgegeben vom Vertreter Großbritanniens im Namen des Vereinigten Königreichs, der Republik Frankreich und Deutschlands. In dieser Erklärung wird weiter festgehalten: Die israelischen Siedlungen einschließlich der in Ostjerusalem sind nach dem internationalen Recht illegal, ein Hindernis für den Frieden und eine Bedrohung für die Zwei-Staaten-Lösung. Weiter wird erklärt, dass Grundlage für die zwei Staaten die Grenzen vom 4. Juni 1967 sein sollen, dass eine gerechte, faire und einvernehmliche Lösung der Flüchtlingsfrage erzielt werden muss, und dass ein Sicherheitsabkommen angestrebt wird, das Israel vor Terrorismus schützt, weil es die palästinensische Souveränität respektiert und zeigt, dass die Besatzung beendet ist.

Wenn das das Ziel des Weltsicherheitsrates sein sollte und wenn das so genannte Quartett - UNO, USA, EU und Russland - dafür Druck machen würde, gäbe es nur eine logische Schlussfolgerung: Dem Antrag des palästinensischen Präsidenten Abbas, Palästina als Vollmitglied in die Vereinten Nationen aufzunehmen, zuzustimmen. Aber weit gefehlt. Obwohl der Antrag des palästinensischen Präsidenten noch nicht vorliegt, kündigen die USA ihr Veto im Weltsicherheitsrat an und die Bundesregierung schwankt wie ein Rohr im Wind, wie sich Deutschland verhalten soll. Merkel hat früh Nein zum Begehren der Palästinenser gesagt, dann zurück gerudert, und nun wird krampfhaft versucht, auch die anderen europäischen Staaten von einer Zustimmung abzuhalten. Seltsam, denn über 150 Staaten haben sich bisher erklärt, in der Vollversammlung für den palästinensischen Antrag zu stimmen. Weltweit hat die israelische Regierung ihre Diplomaten und Lobbyisten in Marsch gesetzt, gegen den palästinensischen Antrag zu werben. Die Argumente sind nicht überzeugend. Auch das, was die anderen Parteien im Bundestag vortragen, hört sich mehr wie Ausreden, denn wie Einreden an.

Angeblich sei der Gang Palästinas zur UNO ein einseitiger Schritt, dem, so droht der stellvertretende Außenminister Israels, Ayalon, mit einer Nichtigkeitserklärung aller bisherigen Verträge zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde begegnet werden soll. Ein seltsames Argument, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Gründung des Staates Israel auf dem Teilungsplan der UNO fußt, der bekanntlich auch enthält, dass ein Staat Palästina entstehen soll. Ein bis heute uneingelöstes Versprechen. Für mich ist es ein großer Fortschritt, dass auf die zahlreichen Rechtsbrüche der israelischen Regierung nicht mit Gewalt, sondern mit dem Gang zur UNO geantwortet wird.

Ein weiteres Argument ist derzeit, dass eine Erklärung des palästinensischen Präsidenten Abbas nicht besonders wichtig und bindend sei, solange nicht eine palästinensische Einheitsregierung existiert und die Hamas erklärt, dass die israelischen Sicherheitsforderungen respektiert werden. Seltsam, sich zu Friedensverhandlungen von der Hamas abhängig zu machen. Bislang haben gerade die EU und die USA immer argumentiert, dass für internationale Abkommen ausschließlich der palästinensische Präsident zuständig sei. Jetzt soll das plötzlich nicht mehr gelten? Ein durchsichtiges Manöver.

Damit kein Irrtum aufkommt: Ich bin entschieden für eine palästinensische Einheitsregierung und wünsche mir, dass mit der eindeutigen Anerkennung Israels alle Zweifelsfragen nach Grenzverlauf, Hauptstadt und gegenseitige diplomatische Anerkennung vom Tisch kommen. Dazu wäre es natürlich hilfreich, wenn Israel seine Verhandlungsposition einschließlich des Grenzverlaufs endlich auch schriftlich fixiert vorlegen würde. Ein solches Papier gibt es bis heute nicht.

Es wird eingewandt, dass ein Beschluss der UNO keine Verhandlung ersetzt. Richtig, aber ein Beschluss der UNO kann endlich die Tore für erfolgreiche Verhandlungen öffnen. Dazu berufe ich mich auf den US-Präsidenten Obama, der auf der vergangenen UN-Vollversammlung im September 2010 von seiner Hoffnung sprach, "einen unabhängigen, souveränen Staat Palästina, der in Frieden mit Israel lebt" bereits in einem Jahr als neues UN-Mitglied begrüßen zu können. Für die USA, für Deutschland, Europa gilt nun: Hic Rhodos, hic salta. Zeig hier, was du kannst.