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Offener Brief zum Tag der Bundeswehr

Im Wortlaut von Christine Buchholz, Wolfgang Gehrcke,

An die

Bundesministerin für Verteidigung

Frau Ursula von der Leyen

 

10. Juni 2016

 

Offener Brief zum „Tag der Bundeswehr“

 

Sehr geehrte Frau Ministerin,

 

wir schreiben Ihnen im Namen der Fraktion DIE LINKE. Am 11. Juni 2016 veranstalten Sie zum zweiten Mal einen „Tag der Bundeswehr“. Sie versprechen, den Bürgerinnen und Bürgern die Aufgaben der Bundeswehr „in der Heimat und im Einsatz“ näher bringen zu wollen. Außerdem soll die Armee als attraktiver Arbeitgeber präsentiert werden. In einem Brief haben Sie alle Abgeordneten des Bundestages eingeladen, als Ehrengäste an einem der sechszehn beteiligten Bundeswehrstandorte teilzunehmen.

Wir nehmen diese Einladung nicht an. Der Tag der Bundeswehr ist nicht eine „bunte Mischung aus Zuschauen und Zuhören, aus Anfassen und Mitmachen – und natürlich aus Diskutieren“, wie Sie schreiben. Er ist ein militaristisches Spektakel, das die in der Bevölkerung zu Recht verwurzelten Hemmschwellen gegenüber dem Dienst an und mit der Waffe abbauen soll. Es ist eine Werbeshow, um junge Menschen für künftige Auslandseinsätze zu gewinnen.

Der Tag der Bundeswehr ist Teil einer PR-Offensive, für die Sie mittlerweile fast 100.000 Euro pro Tag ausgeben. Nicht nur junge Erwachsene, auch Minderjährige werden von Ihnen gezielt angesprochen. So waren im vergangenen Jahr wieder Jugendoffiziere und Karriereberater in den Schulen unterwegs und haben insgesamt rund 170.000 Schülerinnen und Schüler für die Bundeswehr zu begeistern versucht. Auch die Konzeption des Tages der Bundeswehr ist ganz auf den Besuch durch Familien ausgerichtet. Sie versuchen, das Militärische zu einem Teil unseres Alltags zu machen.

Dies ist die Kehrseite einer Politik, die in inflationärer Weise auf militärische Interventionen setzt. Denn der Bundeswehr fehlen die Menschen, die bereit sind, für diesen außenpolitischen Kurs ihr Leben zu riskieren. Eine ehrliche Bilanz der zahlreichen Auslandseinsätze zeigt, wie berechtigt diese verbreitete Skepsis ist. So versank Afghanistan in Folge des seit 2001 laufenden Einsatzes in einem nicht enden wollenden Krieg. Mit deutscher Hilfe führen die USA einen Drohnenkrieg, in dem Tausende Zivilisten und Kombattanten per Knopfdruck hingerichtet wurden. Selbst das Nachbarland Pakistan wurde so per Fernbedienung in den Krieg hineingezogen. Folge: Hunderttausende sind gestorben, Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Im Zuge des Bundeswehreinsatzes starben auch über 50 Bundeswehrsoldaten.

Doch wofür? Der neue afghanische Präsident Ghani räumte unlängst ein: „Die menschliche Tragödie der vergangenen 15 Jahre in Afghanistan war, dass mehrere Milliarden Dollar hereingeströmt sind, aber sie wurden nicht dafür verwendet, das Leben der Armen zu verbessern. Wir haben eine räuberische Elite.“

Wir verweigern die Teilnahme am Tag der Bundeswehr nicht aus Respektlosigkeit gegenüber den Soldatinnen und Soldaten. Wir kritisieren vielmehr, dass jedes Jahr bedenkenlos tausende Bundeswehrangehörige in sinnlose und gefährliche Einsätze geschickt werden.

Auf dem Tag der Bundeswehr geht es nicht darum, der Bevölkerung ein ehrliches Bild über die Konsequenzen Ihrer Politik zu vermitteln. Sie sind auch nicht ehrlich, was Ihre Motive angeht. Im Entwurf des neuen Weißbuchs – aus dem in der Presse zitiert wird, ohne dass Sie es für nötig befinden, ihn den Abgeordneten zukommen zu lassen – haben Sie laut Medienangaben formuliert: Deutschland stehe in der Pflicht, „die globale Verantwortung aktiv mitzugestalten“. Vor einem Jahr haben Sie gesagt: „Unsere Interessen haben keine unverrückbare Grenze, weder geografisch noch qualitativ.“

Die Interessen, von denen Sie sprechen, sind nicht die Interessen der Bevölkerung. Es geht um die Interessen der Wirtschaft. Dafür wollen Sie eine Trendwende zur Aufrüstung der Bundeswehr. Und dafür scheint Ihnen offenbar kein Preis zu hoch. Dies zeigt zum Beispiel Ihr Festhalten an der ultra-hochfliegenden Drohne Eurohawk– ein Projekt, bei dem Ihr Vorgänger wegen unkalkulierbarer Kosten „die Reißleine“ zog. Doch Sie haben Vorverträge über einen Eurohawk-Nachfolger in Höhe von 650 Millionen abgeschlossen. Und letzte Woche haben Sie für die Entwicklung des darin einzubauenden Aufklärungssystems erneut fast 300 Millionen Euro gefordert. Dies ist nur ein Beispiel unter vielen. Ihre „Agenda Rüstung“ umfasst 1500 Einzelmaßnahmen, für die Sie in den kommenden Jahren 130 Milliarden Euro verlangt haben.

Das Geld fehlt in den Kommunen. Es fehlt in den Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, in Bibliotheken und Schwimmbädern. Auch an jenen Standorten, an denen Sie das teure Rüstungsgerät am „Tag der Bundeswehr“ ausstellen und anfassen lassen. Sie wollen die Bevölkerung mit dieser Show täuschen, die Ihren Aufrüstungskurs mit ihren Steuern bezahlt, und deren Kinder in den künftigen Kriegen eingesetzt werden sollen.

Was Deutschland braucht, ist kein „Tag der Bundeswehr“, der Werbung für mehr Rüstung macht. Was wir brauchen, ist ein „Tag der Abrüstung“. Eine Einladung dazu nähmen wir gerne an.

 

Mit freundlichen Grüßen,

                                                

      Christine Buchholz                                                                              Wolfgang Gehrcke

Verteidigungspolitische Sprecherin                                                    Leiter des Arbeitskreises      Fraktion DIE LINKE.                                                                        Internationale Politik                                                                                                           der Fraktion DIE LINKE.