Zum Hauptinhalt springen

NSU-Desaster und mehr

Nachricht von Petra Pau,

Von Rainer Brandt

Am 22. August 2013 wird der Untersuchungsausschuss zum NSU-Nazi-Mord-Desaster seinen Abschlussbericht dem Präsidenten des Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert, übergeben. Eine Plenardebatte dazu ist für den 2. September vorgesehen. Mit dem Ende der laufenden Legislatur erlischt dann auch der Auftrag des Untersuchungsausschusses.

Doch was folgt aus der NSU-Aufarbeitung? Auch darum ging es am 16. August auf einer Podiumsveranstaltung der Fraktion DIE LINKE im Kulturforum Hellersdorf in Berlin. Mit Petra Pau debattierten Ilker Duyan (Türkische Gemeinde Berlin-Brandenburg), Michael Trube (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin) und Dr. Mekonnen Shiferaw (Haus Babylon).

Petra Pau erinnerte an den Ausgangspunkt: „Eine Nazi-Bande war über zehn Jahre lang mordend und raubend durch Deutschland gezogen, unerkannt und unbehelligt.“ So lautet jedenfalls die offizielle Version, schränkte sie ein. Und: Selbst nach 15 Monaten intensiver Untersuchung könne sie bei keinem Tatort zweifelsfrei sagen: „Ja, so muss es gewesen sein. Überall türmen sich Fragezeichen“. Und der Aufklärungswille der Regierung sei höchst verhalten.

Gleichwohl lasse sich das unglaubliche Desaster zusammenfassen. Der Rechtsstaat hat versagt, die rechtsextreme Gefahr wurde durchweg unterschätzt, die Ermittlungen trugen rassistische Züge, die Geheimdienste verhinderten Aufklärung, das Image Deutschland sollte nicht beschädigt werden und die Medien waren zu staatsgläubig. Bei alledem ginge es nicht um einzelne Fehler und peinliche Pannen, sondern um eine Katastrophe mit System.

Die NSU-Dimension habe auch ihn überrascht, räumte Michael Trube (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin) ein. Aber niemand sollte bei alledem ausblenden, dass seit 1990 bereits mehr als 150 Menschen aus rassistischen Motiven ermordet wurden. Zudem habe er ein ungutes Gefühl. Der Verweis auf das Versagen der Sicherheitsbehörden könnte in weiten Teilen der Bevölkerung auch als „Entlastungsfunktion“ in eigener Sache missverstanden werden. Dabei müsse sich auch die Zivilgesellschaft kritische Fragen stellen.

Das sah Ilker Duyan (Türkische Gemeinde Berlin-Brandenburg) ähnlich. Das Vertrauen zu den Sicherheitsbehörden sei in der türkische Community „nahe Null“, Angst grassiere. Aber man sei auch enttäuscht über die mangelnde Solidarität durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft. Die Türkische Gemeinde in Deutschland werde demnächst einen eigenen Bericht zum NSU-Versagen vorlegen und darin auch den „strukturellen Rassismus“ in den Behörden nicht aussparen. DIE LINKE sehe er dabei als wichtigen Partner.

„Ich habe keinen Migrations-Hintergrund.“ Mit dieser Bemerkung überraschte Mekonnen Shiferaw (Haus Babylon) die Anwesenden. Meine Hautfarbe ist sichtbar dunkel und mein Deutsch ist hörbar nicht perfekt, ich habe also einen „Migrations-Vordergrund“. Seit Jahren engagiert er sich für „interkulturelle Kompetenz“. „Mein Hellersdorf ist schön und lebhaft. Ich habe hier sehr viele Freunde.“ Aber immer wieder stoße er auch auf nationalistische und rassistische Dünkel. Er bleibe Optimist, resümierte er, aber mehr und verlässliche staatliche Unterstützung für Initiativen wie „Babel e. V.“ sei überfällig.

Petra Pau stellte in Aussicht: Es wird einen gemeinsamen Bericht des Untersuchungsausschusses geben, mit vielen Übereinstimmungen, von CDU/CSU bis LINKE. Jede Fraktion wird darin aber auch eigene, abweichende oder weitergehende Schlussfolgerungen darlegen. Dazu gehören für DIE LINKE: Die Ämter für Verfassungsschutz sind als Geheimdienste aufzulösen. Die gesellschaftlichen Initiativen für Demokratie und Toleranz sollten von den politischen Fesseln der jeweiligen Regierungen befreit und künftig durch eine unabhängige Bundesstiftung gefördert werden.