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Niedriglohnfalle Minijob

Im Wortlaut von Sabine Zimmermann,

Millionen Frauen hängen in so genannter geringfügiger Beschäftigung fest. Im Rahmen der Agenda 2010 wurde diese ausgebaut. Zeit für einen Richtungswechsel für mehr gute Arbeit und Gleichstellung mit gleichem Lohn, meint Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Bundestag.

Nun ist es amtlich. Statt eine Brücke in eine existenzsichernde Beschäftigung sind Minijobs eine Sackgasse. "Für mehr als drei Viertel der Frauen im Minijob, die eine qualifizierte Berufsausbildung haben, ist dieser zu ihrer Dauererwerbsform geworden", heißt es in einer vom Bundesfamilienministerium herausgebenden Studie, über die heute die Süddeutsche Zeitung berichtet.

Anders als in vielen anderen Ländern Europas gibt es in Deutschland mit den Minijobs, eine so genannte geringfügige Beschäftigung, die von der vollen Sozialversicherungspflicht ausgenommen ist. Massiv ausgebaut wurde dieser Bereich vor zehn Jahren durch das rot-grüne Reformprogramm der Agenda 2010. Mit dem Hartz II-Gesetz wurde zum 1. April 2003 die Verdienstgrenze für solche Arbeitsverhältnisse auf 400 Euro erhöht und die Beschränkung der Arbeitszeit aufgehoben. Seit dem 1. Januar 2013 liegt die Verdienstgrenze bei 450 Euro.

Die rasante Ausbreitung von Minijobs ist ein Grund für das  vermeintliche bundesdeutsche Jobwunder. Etwa 4,9 Millionen Menschen gingen Ende 2012 einer ausschließlich geringfügigen Beschäftigung nach. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Hinzukommen 2,7 Millionen Menschen, die einen Minijob als Zweitjob haben.

Die negativen Seiten des Minijobs sind dutzende Male belegt und alarmierend. Minijob heißt Minilohn: Acht von zehn Menschen mit einem Minijob arbeiten unterhalb der Niedriglohngrenze von 10,36 Euro in der Stunde. Bei den so genannten Normalarbeitsverhältnissen ist es nur einer von zehn. Geringfügig Beschäftigte leiden unter besonderer Diskriminierung, ihnen werden oft Urlaubs- und Krankengeld vorenthalten. Zu Recht stellt die nun öffentlich gewordene Studie fest, Minijobs seien ein "Programm zur Erzeugung lebenslanger ökonomischer Ohnmacht und Abhängigkeit von Frauen". Viele hängen unfreiwillig in dieser kleinen Teilzeit fest, weil Kinderbetreuungseinrichtungen fehlen.

DIE LINKE engagiert sich seit Jahren für ein Ende der geringfügigen Beschäftigung und fordert diese in reguläre, vollsozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse überzuleiten. Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Lohn, mehr gute Arbeit und mehr Gleichberechtigung. DIE LINKE hat dafür als einzige partei im deutschen Bundestag einen Antrag vorgelegt.

In diesem Jahr fällt der Equal Pay Day auf den 21. März. Er markiert den Tag, bis zu dem Frauen über das Jahresende hinaus arbeiten müssen, um auf den Lohn ihrer männlichen Kollegen zu kommen. Allein 10 Prozent des Verdienstunterschiedes von Frauen und Männern erklärt sich durch die geringfügige Beschäftigung.

Es ist Zeit für einen Richtungswechsel. Auch die Gewerkschaften, Frauenverbände - selbst der Deutsche Juristentag - fordern ein Ende der Niedriglohnfalle Minijob. In Slowenien lehnten vor zwei Jahren in einer Volksabstimmung 80 Prozent der Menschen die Einführung eines Minijobs nach deutschem Vorbild ab. Im Vorfeld hatten sich dort Komitees gegründet, die politisch aufklärten und Aktionen durchführten. Ohne gesellschaftlichen Druck wird es auch bei uns nicht gehen.

linksfraktion.de, 18. März 2013