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Nichts als Stückwerk

Nachricht von Volker Schneider,

Mit einer Qualifizierungsoffensive gestärkt aus der Krise gehen - mit dieser Ankündigung brachte die Bundesregierung im Februar das Konjunkturpaket II auf den Weg. Die zentrale Idee: Millionen Menschen, die wegen der Wirtschaftskrise in Kurzarbeit gehen, sollen die frei werdende Zeit für Weiterbildung nutzen. Damit sollten sie auch auf die drohende Suche nach einem neuen Arbeitsplatz vorbereitet werden. Nur wenn die Unternehmen während der Kurzarbeit auch für Weiterbildung sorgen, sollten sie ihre Sozialversicherungsbeiträge von den Arbeitsagenturen ersetzt bekommen.

Das klang bestechend einfach, nur: Es funktioniert nicht. Kaum 1 Prozent der Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter befindet sich tatsächlich in Qualifizierungsmaßnahmen. Und selbst diese Maßnahmen sind häufig so stark auf innerbetriebliche Belange orientiert, dass die erworbenen Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt bei Bedarf nur schwer verwendbar sind. Im Juni folgte nun die leise Beerdigung der laut angekündigten Idee: Künftig bekommen die Unternehmen für Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter ab dem siebten Monat die Sozialversicherungsbeiträge voll erstattet - egal, ob in der Zeit weitergebildet wird oder nicht.

Die Fraktion DIE LINKE hat am 25. Juni Expertinnen und Expertinnen zu einem Fachgespräch eingeladen, um die Situation der Weiterbildung und die Krisenmaßnahmen der Bundesregierung kritisch zu durchleuchten. Hermann Nehls aus der Abteilung Bildungspolitik des DGB-Bundesvorstands, Dr. Karsten Schuldt vom Progress-Institut für Wirtschaftsforschung und Peter Petersen, Vorsitzender des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft, Forschung von ver.di Hamburg berichteten, welche Trends und Probleme sich abzeichnen. Gemeinsam mit weiteren Expertinnen und Experten aus der Weiterbildung sowie Fachpolitikerinnen und -politikern wurde diskutiert, wo der drängendste Bedarf zur Nachsteuerung besteht und welche Alternativen es zur Weiterbildungspolitik der großen Koalition gibt.

Dabei wurde auch deutlich: Auch wenn mit dem Konjunkturpaket etwas zusätzliches Geld in die Weiterbildung fließt, so ist trotzdem zu befürchten, dass die Weiterbildungsaktivitäten insgesamt weiter abnehmen. Die Weiterbildungsausgaben der Unternehmen sind bereits in den letzten Jahren deutlich reduziert worden, dies wird sich in der Krise weiter zuspitzen. Dies abzufedern und die Unternehmen gerade in der Krise für die Qualifizierung in die Pflicht zu nehmen - dafür fehlen der Bundesregierung die Instrumente. Vorschläge der Linksfraktion - etwa zur Einrichtung von Branchenfonds - hat sie abgelehnt. Über die drastischen Kürzungen der Arbeitsagenturen hat in den letzten Jahren außerdem ein regelrechter Kahlschlag unter den Weiterbildungsträgern stattgefunden. Damit sind jahrelang gewachsene Strukturen und viel Know-How zerschlagen worden. Wer jetzt mehr Geld in Weiterbildung stecken will, muss zunächst mal überhaupt wieder ein entsprechendes Angebot aufbauen.

Es ist höchste Zeit für einen grundlegenden Kurswechsel in der Weiterbildungspolitik. Die nächste Bundesregierung steht vor der Herausforderung, die Weiterbildungsbeteiligung deutlich zu erhöhen und soziale Ungleichheiten abzubauen. Sie muss die Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen - etwa über Weiterbildungsfonds und Freistellungsregelungen. Die Weiterbildungsausgaben der Arbeitsagenturen müssen dringend wieder deutlich steigen. Damit alle - unabhängig vom Geldbeutel - an Weiterbildung teilnehmen können, brauchen wir ein Erwachsenenbildungsförderungsgesetz, dass aus dem Flickenteppich endlich eine öffentliche Förderung mit System macht. Die Privatisierung der Weiterbildungskosten und Bildungssparmodelle müssen zurückgedrängt werden. An diesen Aufgaben wird DIE LINKE die kommende Bundesregierung messen.