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Nein zum dritten Kürzungsdiktat

Kolumne von Sahra Wagenknecht,

Foto: Jakob Huber

 

 

Von Sahra Wagenknecht, Erste stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Laut Albert Einstein ist es eine Definition von Wahnsinn, immer wieder das Gleiche zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten. Nach einem angeblichen “Rettungspaket” in Höhe von 110 Milliarden Euro im Jahr 2010 und Krediten in Höhe von 130 Milliarden Euro im Jahr 2012 soll Griechenland nun ein weiteres Mal „gerettet“ werden: Mit gut 85 Milliarden Euro sollen alte Kredite refinanziert und Banken rekapitalisiert beziehungsweise die griechische Kapitalflucht der letzten Monate finanziert werden, die es ohne die Erpressungspolitik von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble so gar nicht gegeben hätte. Wieder wird kaum ein Cent des Geldes bei der griechischen Bevölkerung ankommen, der man aber trotzdem brutale Kürzungen zumutet. Wieder wird eine Krise nicht gelöst, sondern durch untragbare Kredite lediglich verlängert. Wieder wird die griechische Wirtschaft in eine tiefe Rezession getrieben und durch erzwungene Privatisierungen und andere „Reformen“ noch ärmer und abhängiger gemacht. Wieder wird die soziale Not durch erzwungene Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen und Zwangsversteigerungen weiter verschärft. Wieder werden die Reichen geschont, während die Konzerne von der erzwungenen Rechtlosigkeit der Beschäftigten und Gewerkschaften, die gegen zahlreiche Menschenrechts- und ILO-Konventionen verstößt, sogar noch profitieren. Statt die horrende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, verlangen die Gläubiger von Griechenland sogar weitere Massenentlassungen, was hoffentlich einmal als Ausdruck neoliberalen Wahnsinns in die Geschichtsbücher eingehen wird.

Das angebliche “Rettungsprogramm” für Griechenland ist zum Scheitern verurteilt, das weiß der griechische Premier Alexis Tsipras so gut wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, das weiß Kanzlerin Merkel so gut wie Finanzminister Schäuble. Letztere können es allerdings nicht zugeben, denn es wäre das Eingeständnis, dass ihre Politik krachend gescheitert ist und die zig Milliarden an Steuergeldern, mit denen sie seinerzeit die Banken herausgekauft haben, endgültig verloren sind. Die griechische Schuldenlast ist nicht tragfähig und wird durch das neue Kreditpaket noch unerträglicher. Nach Schätzungen der Gläubiger – die bislang immer zu optimistisch waren – wird die griechische Schuldenquote nächstes Jahr die Rekordschwelle von 200 Prozent überschreiten und selbst im Jahr 2030 noch mit 122 Prozent deutlich über den Maastricht-Kriterien liegen. An einem kräftigen Schuldenschnitt führt also kein Weg vorbei. Einen solchen Schuldenschnitt will die Bundesregierung aber um jeden Preis vermeiden, um nicht zugeben zu müssen, dass es verantwortungslos war, mit europäischen Steuermilliarden die Haftung für die Schulden eines überschuldeten Landes zu übernehmen. Voraussetzung für eine Lösung der Krise ist ein Schuldenschnitt, ein Ende der unsozialen Kürzungsdiktate und ein Aufbauprogramm für Griechenland. Da sich die Bundesregierung jeder dieser Forderungen stur verweigert, wird auch die Frage nach Griechenlands Zukunft in der Eurozone zwangsläufig wieder auf die Tagesordnung kommen.

Das angebliche “Rettungsprogramm” für Griechenland ist ein Anschlag auf die Demokratie. Es missachtet den Willen von mehr als 61 Prozent der Bevölkerung, die in einem Referendum NEIN gesagt haben zu weiteren Kürzungs- und Privatisierungsdiktaten. Es missachtet den Willen der griechischen Regierung, die zum Befehlsempfänger der Troika herabgewürdigt wird. „Die Regierung muss die Institutionen zu sämtlichen Gesetzesentwürfen in relevanten Bereichen mit angemessenem Vorlauf konsultieren und sich mit ihnen abstimmen, ehe eine öffentliche Konsultation durchgeführt oder das Parlament befasst wird,“ so lautet der beschämende Beschluss des EU-Gipfels vom 12. Juli 2015. Die einstige Wiege der Demokratie wurde in ein Protektorat verwandelt, dies zeigt auch die Abstimmung über das „Rettungsprogramm“ im griechischen Parlament: So hatten die griechischen Abgeordneten nicht mal einen Tag lang Zeit, um das 360 Seiten! lange Programm durchzulesen, das die Gläubiger für Griechenland entworfen haben und das in technokratischer Besessenheit alle Einzelheiten des griechischen öffentlichen Lebens bis hin zu Fragen des Verkaufs von Brötchen und Frischmilch regeln soll.

DIE LINKE verurteilt die Erpressungspolitik gegenüber Griechenland, die dem jetzigen Kürzungsdiktat den Weg geebnet hat. Wenn wir Demokratie und sozialer Gerechtigkeit, wenn wir Vernunft und fairem Umgang miteinander in Europa wieder Geltung verschaffen wollen, müssen wir NEIN sagen zu diesem angeblichen “Rettungspaket“, das weiteren Sozialkahlschlag und höhere Schulden, eine weitere Verschleuderung öffentlichen Eigentums und eine sinnlose Verschleuderung weiterer Steuermilliarden bringen wird.