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Nach dem Irak jetzt der Iran?

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. Oskar Lafontaine, fordert in einem Gastkommentar für die Tageszeitung Neues Deutschland die Abrüstung aller Atomwaffen besitzenden Staaten und Sicherheitsgarantien für den Iran, die dieser auch anderen Staaten, insbesondere Israel geben muss.

Die Zeichen mehren sich: Die US-Administration bereitet einen Militärschlag gegen den Iran vor. Der verbalen Aufrüstung in den letzten Monaten folgt inzwischen die reale - ein zweiter US-Flugzeugträger kreuzt im Golf von Oman. Von detaillierten Angriffsplänen mit bunkerbrechenden Bomben ist die Rede. Selbst Abgeordnete des US-Kongresses fühlen sich fatal an die Zeit vor dem Irak-Krieg erinnert. Was 2003 mit Lügen begann, hat den Irak ins Chaos gestürzt, Hunderttausende Unschuldige das Leben gekostet und den Terrorismus gestärkt. Während in den USA vor den Särgen von über 3000 Soldaten die Debatte über diesen Krieg an Schärfe zunimmt, scheint Präsident Bush unbeirrt den nächsten Krieg nach dem gleichen Muster anzusteuern.

Er will die Lebenslüge der westlichen Führungsmacht fortschreiben, es ginge bei seinem Krieg gegen den Terrorismus um Freiheit und Demokratie. Wieder werden Propagandalügen über den „Schurkenstaat“ Iran verbreitet, um dahinter das eigentliche Kriegsziel der von US-Öl- und Rüstungskonzernen getragenen Administration zu verbergen: die strategische Vorherrschaft über die Öl- und Gasvorräte des vorderen und mittleren Orients.

Dafür nimmt der Präsident der USA in Kauf, als ein Kriegsverbrecher in die Geschichte einzugehen, der sich von Afghanistan über den Irak bis zum Iran permanent über das Völkerrecht hinwegsetzt. Denn die Eskalation im Atomkonflikt mit dem Iran ist nur begründbar, wenn man den Atomwaffensperrvertrag missachtet und uminterpretiert. Er erlaubt allen Unterzeichnerstaaten die friedliche Nutzung der Atomenergie und verpflichtet andererseits die Kernwaffen besitzenden Staaten zur Abrüstung. Das haben diese, allen voran die USA, verdrängt.

Einen friedlichen Ausweg aus dem Konflikt gibt es nur auf der Basis des Völkerrechts, das alle Seiten beachten müssen. Es ist klar, dass niemand ein Interesse daran haben kann, dem Iran zur Atombombe zu verhelfen. Doch angesichts der Atomwaffen Indiens, Pakistans und Israels - allesamt strategische Nachbarn des Iran - wird das nur gehen, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden: Die Atomwaffen besitzenden Staaten müssen abrüsten. Der Iran braucht Sicherheitsgarantien, die er auch anderen Staaten, namentlich Israel geben muss. Die friedliche Nutzung der Atomenergie kann dem Iran nicht verwehrt werden.

Wer hingegen die Sanktionsschraube anzieht, setzt letztlich auf die Eskalation des Konfliktes bis hin zum militärischen Angriff. Der hätte für die ganze Region verheerende Konsequenzen. Die deutsche Politik muss deshalb gerade jetzt, da sie die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, aus dieser Logik der Zuspitzung ausbrechen und sich von der US-Außenpolitik lösen. Frühzeitig müssen die Deutschen und die Europäer signalisieren, dass es eine Koalition der Willigen mit ihnen nicht geben wird. Weder direkt noch indirekt.

DIE LINKE. hat deshalb im Bundestag beantragt, dass die Bundesregierung den USA die Nutzung deutscher Flughäfen und des deutschen Luftraumes für einen Krieg gegen den Iran untersagt. Man wird in namentlicher Abstimmung sehen können, ob die Abgeordneten von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen im Gegensatz zum Irak-Krieg diesmal den Mut finden, eine deutsche Kriegsbeteiligung zu verhindern.

Oskar Lafontaine

Neues Deutschland, 24. Februar 2007