Zum Hauptinhalt springen

Mit "Indaba" zum Konsens?

Im Wortlaut von Eva Bulling-Schröter,

7. Dezember - Durban-Tagebuch von Eva Bulling-Schröter, Vorsitzende des Umweltausschusses und umweltpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Eva Bulling-Schröter mit Vertretern von Umweltverbänden

Heute wieder ab 7:45 Uhr Delegationsbesprechung. Nun sind auch UmweltministerInnen aus Bundesländern eingetroffen: Anita Tack (Die LINKE) aus Brandenburg, Lucia Puttrich (CDU) aus Hessen und Hans Heinrich Sander (FDP) aus Niedersachsen. Inzwischen liegt ein neuer Text für eine Entschließung vor, wieder mit unzähligen Klammern, also ungeklärten Fragen, zu denen verschiedene Entscheidungsoptionen vorliegen. Die VerhandlerInnen des BMU werden uns morgen mehr dazu berichten.

Es gibt einen sogenannten "Presidential Indaba process" (dort sind ca. 52 Länder beteiligt), die zentrale Teile dieser Entschließung verhandeln. Das Wort "Indaba" stammt aus Afrika. Es beschreibt einen Ratschlag, der zu einem Konsens führen soll. Eigentlich ist das ja Hauptziel von UN-Konferenzen. Ob es besser gelingt, wenn man Begriffe ethnologisch auflädt?   In dieser "Gruppe der Wichtigeren" wird unter anderem die rechtliche Form für eine Vereinbarung intensiver diskutiert. Es geht um die sogenannten "Legal Options": Wie soll ein zukünftiges Abkommen aussehen? Wieder ein Protokoll oder mehrere? Wenn ja, welche Staaten werden verpflichtet? Oder gar kein Protokoll, sondern etwas anderes, beispielsweise ein Bündel von Entscheidungen, so genannten "decisions". Die sind weniger stark verbindlich als eine Konvention oder ein Protokoll zur praktischen Umsetzung dieser Konvention (wie etwa das Kyoto- Protokoll zur Klimarahmenkonvention). Denn "decisions" werden von den nationalen Parlamenten nicht ratifiziert. 

Kein großer Emittent darf ausgelassen werden   Für den Green Climate Fund liegt offensichtlich ein Entwurf einer Rahmensatzung vor und es gibt eine Arbeitsgruppe die Vorschläge machen soll, wie auch private Gelder "gefunden" werden können. Dieser Schwerpunkt verwundert wenig, denn große Industriestaaten weigern sich, konkrete Geldzusagen zu den in Cancún beschlossenen 100 Milliarden Dollar im Jahr zu machen, die der Norden für Klimaschutz und Anpassung im globalen Süden bereitstellen soll. Energischster Verweigerer ist (Überraschung!) die USA.   Irgendwie war das Ganze absehbar, denn was soll diese Staaten dazu treiben, frisches Geld zur Verfügung stellen, wenn sie seit Jahrzehnten nicht einmal das 0,7-Prozent-Ziel am BSP bei der Entwicklungshilfe auch nur annähernd erreichen?
  Nach der Frührunde treffen wir uns erneut mit Umweltverbänden und NGOs, die uns noch einmal ganz deutlich die kritische Situation hier bei der COP klar machen wollen. Sie fordern uns auf, dafür einzutreten, dass Deutschland keinem faulen Kompromiss zustimmt. Sie monieren zudem, dass jetzt viele Länder China unter Druck setzen, während offensichtlich die erwartete Nichtzustimmung der USA still hingenommen wird. Es darf kein großer Emittent einfach ausgelassen werden, so ein Resümee der Runde.    Die Verbände fordern einmal mehr, Deutschland solle wieder die Führungsrolle in der EU übernehmen. Auch mit einem klaren Bekenntnis zu einem bedingungslosen 30-Prozent-Ziel für die Treibhausgas-Reduktion in der EU bis 2020 gegenüber 1990. Umweltminister Röttgen solle sich ferner für die Stilllegung der überschüssigen CO2-Zertifikate einsetzen, die EU-weit seit 2008 im EU-Emissionshandel angefallen sind, und zwar durch die Überausstattung der Industrie sowie krisenbedingt. Dazu hat die LINKE übrigens mehrere Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt, die diese nur sehr ausweichend beantwortet hat. Das Kabinett stellt sich in dieser Sache offensichtlich vor die Industrie und Energiewirtschaft.   Sie bitten uns noch einmal, uns um die Einbeziehung des Schiffs- und Flugverkehrs in den Emissionshandel unter einem Post-Kyoto-Protokoll zu kümmern. Denn wenn dies nicht global unter der UN geregelt werde, dann müsse die EU ein regionales Regelwerk beschließen, welches dann den Wettbewerb verzerren würde, so die Argumentation.   Den Flugverkehr hat die EU ja bereits ins Emissionshandelssystem integriert, wenn auch ziemlich lasch. Startschuss ist das nächste Jahr. Der internationale Seeverkehr, der weltweit immerhin rund fünf Prozent aller Treibhausgasemissionen erzeugt, ist im Klimaschutz dagegen vollkommen ungeregelt. Mit den Geldern, die aus den Versteigerungen der Zertifikate in beiden Bereichen erlöst werden würden, könnten viele Klimaschutzprojekte finanziert, und vielen Menschen geholfen werden.

Es geht um Profit   Wir sprechen auch noch über die beabsichtige Einbeziehung der umstrittenen CO2-Verklappung (CCS) in den nicht weniger umstrittenen Clean Development Mechanismus (CDM). CCS liefe dann als Klimaschutzinvestition für die sich Industrieländer, wenn sie diese in Entwicklungsländern tätigen. Dafür bekämen dann die Staaten oder Unternehmen von der UN Emissionsgutschriften. Diese könnten sie für die Abrechnung eigener Verpflichtungen verwenden oder verkaufen.
  Bekannt wird, dass eine nur 20-jährige Haftung der Unternehmen bei CCS beschlossen werden soll. Das halte ich für wahnsinnig! Ich hoffe, die EU stimmt diesen Dingen nicht zu. Gerade ist in Deutschland ein CCS-Gesetz gescheitert, weil viele Menschen die Gefährlichkeit von CCS sehen, und auch wissen, dass wir dieses Abenteuer definitiv nicht brauchen.
  Verrückt: Ist die CCS-Lobby in der Bundesrepublik vorerst gescheitert, so ist sie nun in Afrika tätig und versucht damit, den Ausstieg aus der Kohleverstromung so lange wie möglich zu verhindern. Wiederum geht es nur um Profit und nicht um die Menschen und ihre Umwelt!


Eva Bulling-Schröter während Gesprächen mit einer brasilianischen Delegation
  Danach treffen wir uns mit ParlamentarierInnen aus Brasilien. Die Delegation hat intern offensichtlich große Differenzen in der Einschätzung des Verhandlungsstandes. Sie erzählen uns noch, dass es Gespräche mit chinesischen Vertretern gab, und sie den Eindruck haben, dass sich China bewegen wird.   Meine Nachfrage nach der umstrittenen Novelle des brasilianischen Waldgesetzes, das zur Verabschiedung in Brasilien ansteht, zeigte einen Konflikt. Der Vorsitzende des Umweltausschuss Brasiliens (Grüne Partei) sieht das Gesetz wesentlich negativer als die anderen Abgeordneten. Vor allem rügt er eine vorgesehene Amnestie für all diejenigen, die in den letzen Jahren illegal Wald abgeholzt haben. Allerdings halte er das Gesetz auch nicht für so schlimm, wie Umweltverbände dies hier bei uns in Deutschland tun würden. Natürlich müsse nachgebessert werden.
  Interessant ist dann noch die Information, dass in Brasilien Thyssen Krupp ein Stahlwerk betreibt, dass solch massive CO2-Ausstöße hat, dass es - so die Meinung des Vorsitzenden - in Deutschland nie genehmigt worden wäre. Da irrt er.

Deutschland bewirbt sich um den Sitz des Green Climate Fonds   Anschließend besuche ich eine Veranstaltung im EU-Pavillon zum Thema "Pflanzenöle und deren Nutzung". Es geht dort um die regionale Nutzung in landwirtschaftlichen Motoren, vor allem in Traktoren. Die Firma John Deer stellt inzwischen einen solchen mit Pflanzenöl betriebenen Traktor serienmäßig her. Diese Öle vom Acker können regional genutzt werden, was gerade in Entwicklungsländern sehr sinnvoll ist. Bei uns in Deutschland wurde der Markt allerdings durch die Beimischungspflicht systematisch kaputtgemacht. Agroenergien sind nun vor allem ein Thema für die großen Mineralölkonzerne, denen eine Chance mehr zur Profitmacherei in die Hand gegeben wurde – zu Lasten von Umwelt und Menschen. Denn im Gegensatz zum regionalen und begrenzten Einsatz von Pflanzenölen, geht der Quoten-getriebene Boom bei Agrodiesel und „Biosprit“ zunehmend auf Kosten der biologischen Vielfalt (Tropenwaldabholzung, Grünlandumbruch), der Ernährungssicherheit (Tank oder Teller?) sowie von vertriebenen Kleinbauern und Indigenen Völkern.   Im High Level Segment ist nun Umweltminister Norbert Röttgen mit seinen drei Minuten Redezeit an der Reihe. Er stellt die Position Deutschlands sehr sachlich und, wie ich finde, ohne Emotionen dar. Er spricht über die Chancen und Notwendigkeiten - leider nichts Neues. Neu für die interessierten ZuhörerInnen ist vielleicht, dass sich Deutschland für den Sitz des Green Climate Fonds bewirbt. Dafür wird die Bundesrepublik 40 Mio. Euro springen lassen.