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»Mindestlohn nutzt allen«

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Klaus Ernst, Mitglied der Bundestagsfraktion und Vorsitzender der Partei DIE LINKE, zur Mindestlohn-Konferenz am 16. Juli in Gelsenkirchen, zu den Gründen für die geforderte Höhe von 10 Euro und den Auswirkungen der Einführung des Mindestlohns

Am Samstag werden Sie in Gelsenkirchen mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern sowie betroffenen Kolleginnen und Kollegen über weitere Schritte zur Einführung eines Mindestlohns diskutieren. Warum gibt es in Deutschland – im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern Europas - noch immer keinen Mindestlohn?

Klaus Ernst: Obwohl eine überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger für die Einführung eines flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns ist, wird dieser von der Bundesregierung geblockt. Das und die massive Ausweitung des Niedriglohnsektors haben in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass die Reallöhne in der Bundesrepublik um 4,5 Prozent gesunken sind. Nur zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum sind sie in Norwegen die Reallöhne um 25,1 Prozent, in Korea um 18,3 und selbst in Österreich um 2,7 Prozent gestiegen. Mit dieser Politik hängt die Bundesregierung den Beschäftigten bei uns die Rote Laterne um.

Was sind die Gründe für diese enorme Ausweitung des Niedriglohnsektors in Deutschland, der ja mittlerweile fast ein Viertel aller Beschäftigungsverhältnisse umfasst?

Insbesondere die Hartz-Gesetze. SPD und Grüne, später auch Union und FDP, haben mit ihrer Politik dem Lohndumping den Weg bereitet. Leiharbeiter dürfen schlechter bezahlt werden als ihre fest angestellten Kolleginnen und Kollegen. Die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung hebelt den Kündigungsschutz aus und macht die Beschäftigten erpressbar. Ebenso die Mini-Jobs, mit denen Unternehmen Arbeitsplätze in schlecht bezahlte Jobs umwandeln. Schließlich die Kürzung des Arbeitslosgeldes I und Hartz IV. Damit werden die Menschen gefügig gemacht, jeden noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen.

DIE LINKE im Bundestag fordert in ihrem Antrag einen Mindestlohn von perspektivisch zehn Euro die Stunde. Wie kommt die Fraktion auf diese Höhe?

Ein entscheidender Gedanke muss sein: Löhne, die so niedrig sind, dass der Staat sie aufstocken muss, sind in meinen Augen sittenwidrig. Wir haben die Bundesregierung deshalb gefragt und sie hat uns geantwortet: Ein Alleinstehender muss mindestens 7,26 Euro die Stunde verdienen, um mit einem Vollzeitjob aus Hartz IV rauszukommen. Ebenso muss man 9,46 Euro die Stunde verdienen, um nach 45 Jahren im Alter eine Rente über der Grundsicherung zu erhalten. Unter 7,26 Euro die Stunde subventioniert der Staat die Löhne, unter 9,46 subventioniert er die Rente. 10 Euro Mindestlohn ist also das Minimum.

Welche Effekte hätte die Einführung eines Mindestlohns noch?

Das ein Mindestlohn nicht automatisch Jobs vernichtet, haben Erfahrungen aus anderen Ländern gezeigt. Wer das behauptet, will vor allem Angst unter den betroffenen Beschäftigten schüren. Das ist unverantwortlich. Vielmehr hat eine aktuelle Studie gezeigt, dass ein Mindestlohn von 10 Euro für 7,7 Millionen Menschen mehr Einkommen bedeuten würde. Insgesamt 26,4 Milliarden Euro mehr Lohn würden ausgezahlt werden. Die öffentlichen Kassen würden mit der daraus entstehenden Einkommensteuer, den höheren Sozialbeiträgen, eingesparten Transferleistungen etc. um insgesamt 12,8 Milliarden Euro entlastet werden. Ein Mindestlohn nutzt also allen.

Inwieweit gehört die Mindestlohn-Forderung zum Markenkern der LINKEN?

DIE LINKE begreift sich entweder mit allen Konsequenzen als Partei der Arbeit und der arbeitenden Menschen, oder ihre Zukunft ist begrenzt. Arbeitende Menschen sind in meinen Augen alle, die von Erwerbsarbeit abhängig sind, um sich und ihre Familie zu ernähren - Beschäftigte, Erwerbslose, Studierende und Auszubildende, aber auch Rentnerinnen und Rentner. Für diese Menschen müssen wir Politik machen – eine Politik für gute Arbeit, gute Löhne, gute Renten und Sozialleistungen.

linksfraktion.de, 14. Juli 2011