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Merkels Bildungsrepublik lässt weiter auf sich warten

Im Wortlaut von Birke Bull-Bischoff,

Von Birke Bull-Bischoff, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion

Viele der im Bildungsabschnitt des Koalitionsvertrags angekündigten Vorhaben der alten und neuen Koalitionspartner (sofern die SPD-Basis so entscheidet) sind kleine Schritte in die richtige Richtung. Doch die Vision von der einst von Merkel ausgerufenen Bildungsrepublik Deutschland wird wieder verfehlt – zu wenig ambitioniert und halbherzig erscheinen die gesteckten Ziele, sie packen das Problem nicht an der Wurzel, eine systemische Verbesserung hin zu mehr Chancengerechtigkeit, Durchlässigkeit und Vergleichbarkeit und bundeseinheitliche Rahmenformulierungen zur Sicherung der sozialen, materiellen und personellen Lehr- und Lernbedingungen, Beitrags- bzw. Gebührenfreiheit bleiben aus.

Natürlich freuen sich die Länder und Kommunen über jeden Cent mehr vom Bund für die Bildung angesichts der zum Teil desolaten Lage. 2 Milliarden Euro für den Ganztagsschulausbau und ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter sind da auch schon eine Hausnummer und nicht einfach nichts. Nur: Angesichts der 32,4 Milliarden Euro Sanierungsstau bei Schulen, 50 Milliarden bei den Hochschulen und weitere 4,5 Milliarden Euro bei den Kitas, Mangel an Erzieher*innen und Pädagog*innen – allein im Grundschulbereich fehlen bis 2025 etwa 105.000 Lehrkräfte – lassen die gesetzten Ziele an Ernsthaftigkeit und Ehrgeiz zweifeln.

Kooperationsverbot aufheben, Gemeinschaftsaufgabe Bildung ins Grundgesetz!

Nun soll das Kooperationsverbot insofern weiter gelockert werden, als der Bund den Ländern jetzt Finanzhilfen für die Bildungsinfrastruktur aller Kommunen, nicht mehr nur den finanzschwachen, geben kann. Klingt soweit gut und ist auch wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Aber die Tücke steckt wie immer im Detail: Die Lockerung bezieht sich eben nur auf infrastrukturelle Aspekte im Bildungsbereich und „kann“ ist nun mal eine Formulierung von Freiwilligkeit.

DIE LINKE fordert dagegen die Aufhebung des Kooperationsverbots für den gesamten Bildungsbereich und die Verankerung einer Gemeinschaftsaufgabe Bildung im Grundgesetz. Bund und Länder würden in gemeinsamer Bildungsverantwortung die Umsetzung von Inklusion, Erfordernisse digitaler Bildung (und eben nicht nur Infrastruktur) etc. in den Blick nehmen können. Das wäre ein echter kooperativer Bildungsföderalismus.

Digitalpakt halbherzig

Etwas konzeptionslos und als Werbegag erscheint der Digitalpakt als eines der Koalitionsschmankerl daherzukommen. Nach Wankas Ankündigungen im Herbst 2016 jubelten alle angesichts des versprochenen Geldsegens von 5 Milliarden Euro. Dann setzte das Vertrösten auf die nächste Wahlperiode ein. Nun ist sie da mit dem Ergebnis: 3,5 Milliarden Euro und der Rest in der nächsten Legislatur. Im Rahmen dessen übernimmt der Bund auch lediglich infrastrukturelle Aufgaben.

Keine halben Sachen bei der Novellierung des Berufsbildungsgesetzes

Ein positiver Schritt ist das Ziel, eine Mindestausbildungsvergütung im Berufsbildungsgesetz zu verankern. Damit nimmt die zukünftige GroKo eine linke Forderung in ihren Vertrag mit auf (keine der drei Parteien hatte das vorab gefordert). Aber: Mal davon abgesehen, dass im Koalitionsvertrag keinerlei Aussage zur Höhe der Vergütung getroffen wird, zeigt sich an dieser Stelle die Halbherzigkeit, in Bezug auf Chancengleichheit wirklich ernsthaft etwas bewegen zu wollen. Denn letztlich handelt es sich auch nur um die Ausbildungsberufe, die unter das Berufsbildungsgesetz fallen. Alle anderen Ausbildungen, etwa die nach Landesgesetz geregelten, wären davon ausgenommen.

DIE LINKE fordert neben einer solidarischen Umlagefinanzierung für eine für alle geltende Mindestausbildungsvergütung und für ein elternunabhängiges Mindestausbildungsgeld für anerkannte Schulberufe. Schulgeld für die Ausbildung an beruflichen Schulen in den Vollzeitberufen muss abgeschafft werden. Doch dazu verliert der Koalitionsvertrag kein Wort. Denkt man an die Erfahrungen aus der Einführung des Mindestlohns zurück, lässt das auch wenig Positives erwarten. Während sich die GroKo in der letzten Legislatur davor drückte, notwendige Nachjustierungen im  Berufsbildungsgesetz vorzunehmen, legte DIE LINKE umfassende Handlungsoptionen zur Nachbesserung vor, etwa die Verankerung einer Mindestausbildungsvergütung, Mitbestimmung der Azubis in den Betrieben, keine Beschäftigung, die über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinausgeht, die Einrichtung von Beschwerdestellen, die ein niedrigschwelliges und barrierefreies Beschwerdemanagement ermöglichen, sowie einen geeigneten Betreuungsschlüssel von Ausbildern und Azubis.

Bedauerlich ist darüber hinaus, dass inklusive Bildung, Lehreraus- und Weiterbildung, Grundbildung und Alphabetisierung, Sprachförderung sowie Schulsozialarbeit entweder gar keine Erwähnung finden oder völlig unterbelichtet in blumigen Worten abgehandelt werden. DIE LINKE hat dazu Vorschläge unterbreitet: So fordern wir u.a. die Verankerung von Schulsozialarbeit im SGB VIII, und unsere Verbesserungsvorschläge zur Umsetzung Inklusion in der Kita, Schule, in der beruflichen und Hochschulbildung finden sich in unseren Anträgen zum Thema (Drucksachen-Nr. 18/8420, 18/8421, 18/8889 und 18/9127, alle PDF) wieder.

Fazit: eher lau als wow…

Der erste Eindruck des großen Wurfs in der Bildungspolitik seitens des Bundes in einer Fortführung der GroKo verpufft an vielen Stellen durch viel Prosa ohne Konkretes oder gar eine finanzielle Untersetzung. Zu wenig ist klar, was die Länder und Kommunen gegenfinanzieren müssen. Sicher sind viele Ansätze im Koalitionsvertrag richtig, aber sie sind zu dünn, als dass sie dazu beitragen werden, die Schieflagen des Bildungssystems und der Chancenungerechtigkeiten endlich spürbar beseitigen.  

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