Zum Hauptinhalt springen

Merkel und Schäuble müssen Crashkurs beenden

Im Wortlaut von Sahra Wagenknecht,

 

Von Sahra Wagenknecht, 1. stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Wenn Finanzminister Schäuble und Kanzlerin Merkel ihren Crashkurs gegenüber Griechenland nicht bald beenden, wird die europäische Demokratie schweren Schaden nehmen. „Wir stehen vor der klaren Alternative, Europa zu einigen oder gemäß leidvollen historischen Beispielen wieder in nationalistische Gegensätze zurückzufallen" – diese Warnung des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ist heute aktueller denn je. In der Ukraine-Krise hat sich Kanzlerin Merkel bereits verrannt und muss nun mühsam den Scherbenhaufen aufkehren, der nicht zuletzt durch die aggressive Politik der USA und der EU gegenüber Russland entstanden ist. Nun droht sie sich auch im Umgang mit der neuen griechischen Regierung zu verzocken. In der Ukraine wie in Griechenland hat man viel zu lange die wirklichen Krisenursachen geleugnet, berechtigte Argumente und Interessen ignoriert, auf die falschen Pferde in Gestalt korrupter Oligarchencliquen gesetzt und auf Strukturanpassungsprogrammen beharrt, die einer ökonomischen Kriegserklärung an die Mehrheit der Bevölkerung gleichkommen.

Mit ihrer kompromisslosen Haltung gegenüber der neuen griechischen Regierung hat die Bundesregierung in den letzten Tagen und Wochen nur den Zorn der Griechen gegen Deutschland weiter anheizt, wohingegen der griechische Präsident Tsipras, der mit Hilfsmaßnahmen für die Ärmsten die humanitäre Krise des Landes bewältigen und über Auswege aus der griechischen und europäischen Schuldenkrise verhandeln will, in der eigenen Bevölkerung immer mehr Rückhalt findet. Nach einer aktuellen Umfrage stehen inzwischen knapp 80 Prozent der Griechinnen und Griechen hinter dem moderaten Reformprogramm der neuen Regierung. Einen so hohen Zustimmungswert hat es in einer griechischen Meinungsumfrage noch nie gegeben.

Wenn man die griechische Bevölkerung nicht demütigen oder die Eurozone in einen Scherbenhaufen verwandeln will, muss man jetzt der griechischen Regierung entgegenkommen, die bereits große Zugeständnisse gemacht bzw. angedeutet hat. Die Bundesregierung darf das Land nicht länger wie einen Befehlsempfänger behandeln und ihm gigantische Überschüsse für den Schuldendienst abpressen. Sonst muss sie sich nicht wundern, dass in Griechenland Erinnerungen an die Besatzungszeit hochkommen, unter der die Bevölkerung seinerzeit schwer gelitten hat.


linksfraktion.de, 12. Februar 2015