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Merkel kapituliert vor der Wahrheit

Im Wortlaut von Steffen Bockhahn,

 

Von Steffen Bockhahn, für DIE LINKE Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeiten des Bundes und in Rostock direktgewählter Bundestagsabgeordneter


Auf gar keinen Fall darf man die Spionageprogramme der USA und Großbritanniens mit den Methoden der Stasi vergleichen. Das meint die Bundeskanzlerin in einem heute erschienenen Interview in der ZEIT. Der wesentliche Unterschied sei, dass die Geheimdienste im Westen durch die Parlamente kontrolliert werden könnten.

Nun ja. Ich bin für DIE LINKE im Bundestag seit 2009 mit der Kontrolle der drei deutschen Geheimdienste beauftragt. Reden darf ich darüber praktisch nicht, denn das wäre Geheimnisverrat. Die Erkenntnisse der Kontrolle bleiben also genauso geheim, wie die eigentliche Arbeit der Spitzel. In schöner Regelmäßigkeit wird tief in die Privatsphäre unzähliger Menschen eingegriffen. Ein paar Abgeordnete erfahren das, wenn es gut läuft. Denn freiwillig - so viel verrate ich - berichten die Dienste vor allem über das, was letzte Woche schon in der Zeitung stand.

Aber das eigentliche Problem ist doch nicht, ob die Methoden sich gleichen oder nicht. Vielmehr muss sich die Kanzlerin an ihrem Anspruch messen lassen, sie sei wegen ihrer Biografie die große Vorkämpferin für die Freiheit, für Demokratie und den sicheren Rechtsstaat. Vor diesem Anspruch hat die Regierung unter Leitung von Angela Merkel offensichtlich kapituliert. Die Neigung für Aufklärung zu sorgen, hält sich doch sehr in Grenzen. Zuerst wird den vermeintlichen Freunden in den Hintern gekrochen und erst dann wird am Rande darüber gesprochen, welche Rechte in Deutschland mit Füßen getreten werden. Das geht so nicht. Alles, was Edward Snowden enthüllt hat, wird als Vermutung zurückgewiesen. Man werde das jetzt prüfen. Herrlich!

Mal ein Gedankenexperiment: Die Deutschen Beamten sitzen bei den Briten und den US-Amerikanern und fragen, ob es stimmt, was Snowden behauptet. Die Briten und die Amerikaner lügen den Deutschen ins Gesicht und behaupten, das sei alles nicht so. In Wahrheit ist es aber doch so und Snowden sagt die Wahrheit. Dann stellt sich die Kanzlerin hin und vertraut den Leuten, die das bundesdeutsche Recht mit Füßen treten, die sämtliche Daten von uns speichern und durchschnüffeln, die unsere SMS und E-Mails lesen, die unsere Facebook-Nachrichten auswerten und Telefone anzapfen? Ich weiß ja nicht, ob das schlau ist.

Es ist nicht richtig, solche Datenmengen zu speichern. Es ist falsch, alle Menschen dieser Welt unter Generalverdacht zu stellen. Es ist unanständig, diese Spitzeleien mit der Angst vor Terroristen zu rechtfertigen.

Methoden wie diese werden auch von Regimen in den arabischen Ländern, in Russland und in China angewendet. Wo ist denn bitte die moralische Überlegenheit des Westens? Wer so agiert, verliert seine Berechtigung, gegenüber diesen Ländern auf die Einhaltung der Menschenrechte zu bestehen. Das ist wohl der größte Schaden. Auch deswegen muss die Bundesregierung aufhören selbst solche Techniken anzuwenden und noch ausbauen zu wollen, und sie muss mit ihren Partnern darüber reden, dass die es auch lassen. Gern sofort und nicht erst nach der Wahl.

linksfraktion.de, 11. Juli 2013