Zum Hauptinhalt springen

Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung durch Uranabbau in Niger

Im Wortlaut von Niema Movassat,

In der Debatte um den Atomausstieg stellte die Fraktion DIE LINKE eine Kleine Anfrage bezüglich der Herkunft des Urans, welches in deutschen Atomkraftwerken verwendet wird. Die Antwort der Bundesregierung hierauf fällt äußerst dürftig aus und macht deutlich, dass sie hierzu keine Antworten geben kann oder will. (Drs. 17/6310).

Die Bundesregierung hält an ihrer Verschleierungstaktik zur Herkunft des - über Drittländer - nach Deutschland importierten Urans fest. Der Abbau von Uran birgt größte Gefahren für Mensch- und Umwelt und in vielen Uran abbauenden Staaten, wie Niger und Malawi, ist die effektive Einhaltung von Gesetzen und Auflagen zum Schutze von Mensch und Umwelt nicht garantiert! Radioaktiver Abraum wird unter freiem Himmel gelagert, Grundwasser und Boden werden über Generationen hinweg kontaminiert und die Menschen leiden an durch die Radioaktivität verursachte Krebserkrankungen. Deutschland als Uranimporteur macht es sich zu einfach, die Verantwortung für die Gefahren des Uranabbaus alleine auf die Regierungen der Abbauländer abzuschieben.

Nach dem beschlossenen Atomausstieg in Deutschland beginnt nun der Kampf gegen den international sich verstärkenden Uranabbau und dessen verheerende Folgen für Mensch und Umwelt.

Verschleierungstaktik bezüglich Uranherkunft

Die Bundesregierung kümmert es nicht, woher das in deutschen Atomkraftwerken verwendete Uran stammt und unter welchen Bedingungen es abgebaut wurde und hält lieber an ihrer bekannten Verschleierungstaktik fest (Fragen 9 und 20). Damit billigt sie, dass in den meisten Herkunftsländern Menschenrechts- und Sozialstandards mit Füßen getreten werden.

Durch zwei Tricks macht es sich die Bundesregierung einfach, die ursprüngliche Herkunft des Urans zu verschleiern: So benennt sie unter anderem Frankreich und Großbritannien als „Herkunftsländer“, die in den letzten Jahren zusammen ca. 75% des in Deutschland verwendeten Urans lieferten. Diese Länder bauen bei sich selber jedoch überhaupt kein Uran ab und fungieren somit nur als Zwischenhändler. Dazu der lapidare Hinweis: „Unter ‚Herkunft‘ des Materials wird das Land verstanden, in welchem der letzte Konversionsschritt bei der Verarbeitung des Urans durchgeführt wurde.“ (Fragen 7, 8 und 20a) Zudem sei die genaue Lieferkette vom Herkunftsland bis nach Deutschland für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar, bzw. versteckt sie sich hinter Vertraulichkeit  von privaten Lieferverträgen der Firmen (Fragen 9 und 20c). Die Inhalte dieser Verträge stehen ihr jedoch als Mitglied der Europäischen Atomgemeinschaft offen.

Beteiligung an neokolonialer Politik durch bewusste Verantwortungslosigkeit

Das afrikanische Land Niger steht exemplarisch für eine neokoloniale Politik der Ausbeutung, deren Wurzeln gerade im Urangeschäft sich bis in die Kolonialzeit zurückverfolgen lassen. Obwohl  jährlich etwa 9 Prozent der weltweit abgebauten Menge an Uran aus Niger stammen, zählt der Sahelstaat zu den vier ärmsten Ländern der Welt. Noch vor der Unabhängigkeit des Landes 1960 gründeten die Franzosen als Kolonialmacht die erste Minengesellschaft, die spätere Cogema, die heute unter dem Namen Areva firmiert und in Niger die Tochterfirmen Somair und Cominak betreibt. Auch heute noch gehört der Konzern zu 87% dem französischen Staat. Für 2013 plant Areva, in Niger die größte Uranmine Afrikas zu eröffnen, womit das Land zum weltweit zweitgrößten Uranproduzent aufsteigen wird. Schon seit Jahrzehnten hat dieser Konzern Umwelt- und Menschenrechtsstandards beim Uranabbau mit Füßen getreten (vgl. Greenpeace Report: Left in the dust. ARAVA's radioactive legacy in the desert towns of Niger, April 2010). Besonders pikant: Noch bis Anfang 2009 war Siemens als deutscher Großkonzern direkt am Urangeschäft von Areva beteiligt und sprach sich auch nach seinem Rückzug aus diesem Unternehmen für ein weiteres Engagement in dem Sektor aus. Überdies beteiligten sich 2007 die Deutsche Bank, Unicredit/HVB und LBB an einem Kredit für Areva zur Übernahme des südafrikanischen Bergbauunternehmens UraMin.

Vor diesem Hintergrund macht es sich die Bundesregierung zu einfach, wenn sie die Verantwortung für die Gefahren des Uranabbaus von sich schiebt und erklärt, dass die Einhaltung entsprechender Mindeststandards „vorrangig in der Verantwortung der beteiligten Unternehmen und der betroffenen Länder“ liege (Fragen 2 und 11). Viele der Uran anbauenden Staaten verfügen jedoch nicht über die nötigen Kapazitäten und effektive Instrumente zur Einhaltung von Gesetzen und Auflagen zum Schutze von Mensch und Umwelt.

Die betriebene Augenwischerei über die tatsächliche Herkunft des in Deutschland verwendeten Urans findet ihren Gipfel in einer Aussage auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi). Hier wird die Atomenergie als „quasi einheimische Energie“ gepriesen und somit elegant darüber hinweggesehen, woher das veredelte „deutsche“ Uran eigentlich stammt und unter welchen Bedingungen es abgebaut wurde.

Bestehende Möglichkeiten der Einflussnahme bleiben ungenutzt

Die Bundesregierung erklärt selber, dass sie spätestens seit 2010 über die „Auswirkungen des Uranabbaus in der Republik Niger auf die Gesundheit der Menschen vor Ort, die Umwelt und die wirtschaftlichen Grundlagen der lokalen Bevölkerung“ bescheid weiss und sich seither auch regelmäßig vor Ort hierüber informiert (Frage 1). Über Einfuhrverbote von Uran von Minengesellschaften, die geltende  Umwelt- und Sozialstandards wie die französische Areva im Niger mißachten, wird nicht einmal nachgedacht: „Es bestehen keine speziellen Einfuhrverbote für Uran aus bestimmten Ländern.“ (Frage 11a)

Die von der Bundesregierung gelieferten Zahlen über die Herkunft und Mengen deutscher Uranimporte belegen für 2010, dass der Löwenanteil des nach Deutschland gelieferten Natururans mit 2392,2 Tonnen aus Frankreich und damit weitestgehend von Areva stammt (Frage 20a). Damit ist auch das Druckpotenzial seitens der Bundesregierung zur Einflussnahme auf diesen Konzern etwa durch Einfuhrverbote besonders hoch, bleibt aber bisher ungenutzt.

 

 

Von Niema Movassat, Mitglied im Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung