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Menschenrechte sind keine Frage der Moral

Im Wortlaut von Cornelia Möhring,

 

Von Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Und wieder wird ein Stück Grundrechte ohne Zimpern abgeschafft – was so langsam zur Alltagsroutine der Großen Koalition gehört, wird für Tausende Frauen große Not bedeuten. Denn die Maßnahmen des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes, das nun plötzlich in ungewöhnlicher Geschwindigkeit durch den Bundestag gepeitscht wird, stellen einen völlig unverhältnismäßigen und sachlich unbegründeten Eingriff in das im Grundgesetz verankerte Recht auf Berufswahlfreiheit (Art. 12 Abs. 1) dar.

 

Gemeint sind damit allen voran die geplante individuelle Anmeldepflicht und die Pflicht zur regelmäßigen gesundheitlichen Beratung bei einer Behörde. Was es für keinen anderen Beruf gibt, wird ausgerechnet dort eingeführt, wo es aufgrund der gesellschaftlichen Stigmatisierung für viele schlicht nicht umsetzbar ist. Denn die Daten können nicht ausreichend geschützt werden, zumal die Prostituierten verpflichtet sind, die Anmeldebescheinigung mit sich zu tragen und auf Wunsch vorzuzeigen. Die Risiken von Erpressung und Zwangs-Outing steigen. Und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich viele Sexarbeiter_innen nicht anmelden und illegal weiterarbeiten werden, dort aber keine Rechte haben oder für Informationsangebote unerreichbar sind.

Nicht umsonst hat der Deutsche Juristinnenbund festgestellt, dass das geplante Gesetz mehr den Eindruck vermittelt, Prostitution eindämmen zu wollen, als die dort Tätigen zu schützen und ihr Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu stärken. So wie es die Große Koalition behauptet.

So passiert es eben, wenn ein paar selbsternannte Sittenhüter auf die Hinweise, Einwände und Forderungen von Beschäftigten und Expert_innen pfeifen. Eben weil es nicht um eine sinnvolle Regulierung geht, sondern um die Verteidigung einer sehr zweifelhaften Moral.

Die Frage, für wen Grundrechte, ja Menschenrechte gelten und für wen nicht, sollte überhaupt keine Frage der Moral sein.

 

linksfraktion.de, 1. Juni 2016