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Menschen wollen Lösung konkreter Probleme

Im Wortlaut von Andrej Hunko,

Ein Ende der Eskalation der Ukraine-Krise und eine Lösung der sozialen Probleme scheinen in weiter Ferne

Andrej Hunko vor einem besetzten Gebäude der Stadtverwaltung im ostukrainischen Donezk

 

Andrej Hunko berichtet von seinem Ukraine-Besuch im Rahmen einer Delegation des EU-Ausschusses des Bundestages

Während meines Besuchs in den verschiedenen Teilen der Ukraine wird die Krise weiter eskaliert – auch international. Im Osten der Ukraine werden Regierungs- und Polizeigebäude besetzt. Die Akteure treten zwar sehr gut organisiert auf, aber es sind doch maßgeblich Menschen aus der Region, die man ernst nehmen sollte. Dass einzelne Menschen russischer Nationalität führende Rollen übernehmen, heißt dabei nicht gleichzeitig, dass es von Putin geschickte Militärs oder Agenten sind.

Wie reagiert die Regierung in Kiew? Sie spricht von „Terroristen“ und setzt auf Ultimaten und Gewaltandrohungen. Und die Regierungen Deutschlands, der EU und der USA messen wieder einmal mit zweierlei Maß. Janukowitsch wurde zurecht für sein Terrorismus-Vokabular kritisiert und zu einer politischen Lösung aufgefordert. Aber der „Anti-Terror-Einsatz“ von Turtschinow wird politisch vom Westen gedeckt, obwohl dieser sogar das Militär und die neu rekrutierte Nationalgarde einsetzt. Letztere rekrutiert sich maßgeblich aus Maidan-AktivistInnen, die dem rechten Sektor nahestehen sollen.

Gleichzeitig wird Russland auf der internationalen Ebene aufgefordert, seine Truppen an der ukrainischen Grenze zu reduzieren, während die NATO ankündigt „unverzüglich“ mehr Flugzeuge, Schiffe und Soldaten in Osteuropa aufziehen zu lassen. Das ist nicht nur unglaubwürdig, sondern ein weiterer Eskalationsschritt im Kampf um die Ukraine. Dass sich Deutschland zunächst mit einem Schiff und sechs Kampffliegern an der Verstärkung der NATO-Präsenz in Osteuropa beteiligt, ist unverantwortlich.

Vor Ort stellt sich die Sachlage ganz anders da. Die soziale Frage spielt eine große Rolle. Ich finde den russischen Nationalismus ebenso problematisch wie den ukrainischen und begrüße es sehr, dass die Nationenfrage nicht alles überstrahlt. Die große Mehrheit in Donezk ist skeptisch gegenüber der Politik der EU und Russlands und ganz klar unzufrieden mit der De-facto-Regierung in Kiew. Die Beteiligung der Faschisten ist dabei nur ein Kritikpunkt. Die staatlichen BergarbeiterInnen haben seit vier Monaten keinen Lohn erhalten und machen Kiew dafür verantwortlich. Das Gehalt der LehrerInnen wurde von 2000 auf 1200 Hrywnja (also nicht einmal 80 Euro) gesenkt. Dem stehen Erhöhungen der Gaspreise um 70 Prozent und der Energiepreise um 40 Prozent gegenüber.

Die Mehrheit der Menschen ist verunsichert und nicht klar positioniert. Sie wollen eine Lösung der konkreten Probleme – die Frage „Russland oder Ukraine“ steht dabei im Hintergrund. So sind etwa 20 Prozent der Menschen für einen Anschluss an Russland – mit abnehmender Tendenz. Aber rund 70 Prozent wollen ein Referendum über mehr Autonomie. Doch das vom Präsidenten Turtschinow angebotene Referendum bleibt unkonkret und scheint vor dem Hintergrund seiner Eskalation der Gewalt unglaubwürdig. Die Menschen wollen keine weiteren Versprechungen, sondern fordern endlich konkrete Beschlüsse zur Volksabstimmung – und eine friedliche Lösung.

Die Delegation des Bundestages hat leider wenig zu einer friedlichen Lösung beigetragen. Ich finde es bezeichnend, dass die von massiver Verfolgung betroffene Kommunistische Partei nicht zu unseren offiziellen Gesprächspartner gehörte. Ich hatte mich zuvor für einen solches, auch symbolisch wichtiges Treffen eingesetzt.

linksfraktion.de, 16. April 2014