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Mehr Stress und Arbeitsdruck für Verkäuferinnen

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Solidarität gefragt / Verkäuferinnen arbeiten schwer und zu ungünstigen Zeiten / LINKE kritisiert Pakt der Bundesregierung mit den Handelskonzernen

 

Die Arbeitgeber wollen die Arbeitsbedingungen im Einzelhandel deutlich verschlechtern und haben die Manteltarifverträge gekündigt. Dabei arbeiten die Beschäftigten dort bereits heute unter großem Stress, körperlich schwer und zu sehr ungünstigen Arbeitszeiten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE hervor. Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, fordert, die Politik müsse eingreifen und die Beschäftigten unterstützen statt weiter auf eine Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse zu setzen.

Stress und Arbeitsdruck haben im Einzelhandel in den vergangen zwei Jahren deutlich zugenommen. Bei den weiblichen Vollzeitbeschäftigten sagen dies 43 Prozent, bei den teilzeitbeschäftigten Frauen 31 Prozent. Das teilte die Bundesregierung auf Anfrage der Linksfraktion mit. Sie beruft sich dabei auf Umfragen der Erwerbstätigenbefragung 2012, die vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Kooperation mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durchgeführt wurde. Danach hat der Einzelhandel hat seine eigenen, besonderen Arbeitsbelastungen. Beschäftigte dort müssen vergleichsweise schnell arbeiten, häufiger eintönige Arbeiten ausführen und sind in ihrer Arbeit stärker reglementiert. Die Bundesregierung schreibt: „Insgesamt sind die Handlungsspielräume der Beschäftigten im Einzelhandel eingeschränkt. Es geben mehr Befragte an, ihre Arbeit nie selbst planen zu können bzw. nie Einfluss auf die Arbeitsmenge zu haben als in anderen Wirtschaftszweigen.“ 26 Prozent der Beschäftigten können nach eigenen Angaben die Arbeitsmenge nie beeinflussen, in den anderen Branchen sind es 21 Prozent. 13 Prozent sagen, sie können die eigene Arbeit nie selbst planen und einteilen. In den anderen Branchen sind es nur 6 Prozent. Beschäftigte im Einzelhandel leiden zudem überdurchschnittlich stark an einer körperlichen Belastung und Erschöpfung.

Ein weiteres Problem ist die deutliche Zunahme atypischer Arbeitszeiten. 2012 arbeiten 2,3 Millionen oder 78 Prozent der Erwerbstätigen im Einzelhandel am Wochenende, Feiertags, Abends oder in der Nacht. 1993 waren es noch 1,7 Millionen oder 61 Prozent gewesen. Zugenommen hat vor allem die Abendarbeit von 27 Prozent im Jahr 1996 auf 54 Prozent in 2012. Und es wird auch immer mehr Feiertags und Sonntags gearbeitet. 1993 traf dies noch auf jeden 17ten zu (6,8%), 2012 schon auf jeden sechsten (17,3%). Die Bundesregierung räumt ein, dass „häufige Samstagsarbeit und Abendarbeit“ zu „gesundheitlichen Beeinträchtigungen“ führt und das „Risiko für physische bzw. psychosoziale Beeinträchtigungen“ erhöht. Zudem würde Arbeit „in den Abendstunden oder an Wochenenden und Feiertagen zu Beeinträchtigungen des Soziallebens führen.“ Trotz dieser Tatbestände sieht die Bundesregierung keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, um die Arbeitszeiten stärker einzuschränken. „Die konkrete Ausgestaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen“ würde „vorrangig den Tarifvertragsparteien bzw. den Arbeitsvertragsparteien“ obliegen.

Sabine Zimmermann greift die Bundesregierung für ihre Untätigkeit scharf an: „Arbeitgeber begehen Tarifflucht oder kündigen Tarifverträge um Arbeitsbedingungen massiv zu verschlechtern und die Bundesregierung redet von Tarifautonomie, die sie nicht antasten will. Das ist eiskalter Zynismus gegenüber den Millionen meist weiblichen Beschäftigten im Einzelhandel.

Die Politik sollte die Beschäftigten und ihre Interessensvertretungen unterstützen. Notwendig ist ein gesetzlicher Mindestlohn und eine erleichterte Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen. Wir müssen auch für einen besseren Arbeitsschutz sorgen und prekäre Beschäftigungsformen wie Minijobs und Leiharbeit zurückdrängen.

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat einen Pakt mit den Arbeitgebern geschlossen zur weiteren Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse auf Kosten der Beschäftigten und ihrer Familien. Das ist nicht hinzunehmen. Erst jüngst teilte die Bundesregierung mit, dass Niedriglöhne im Handel jährlich mit 1,5 Milliarden Euro Hartz IV-Leistungen aufgestockt werden.“

Wie aus der Anfrage an die Bundesregierung ferner hervorgeht wird nur bei der Hälfte aller Betriebe (51 Prozent) die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Gesonderte Zahlen für den Einzelhandel liegen nicht vor.

Ein anderes Problem liegt in der unbezahlten Mehrarbeit. Allein 2012 sei im Einzelhandel unbezahlte Mehrarbeit im Umfang von 615.000 Stunden geleistet worden. Den durchschnittlichen Bruttostundenlohn der Branche (2010: 12,43 Euro) zu Grunde gelegt, entspricht das einer vorenthaltenen Lohnsumme von 7,7 Millionen Euro.

Betriebsräte spielen eine zentrale Rolle bei der Durchsetzung des Arbeitsschutzes wie z.B. Gefährdungsbeurteilungen oder der Vermeidung von unbezahlter Mehrarbeit. In ihrer Antwort lässt die Bundesregierung jedoch ein klares Bekenntnis gegen Arbeitgeber, die Betriebsräte bekämpfen, vermissen. Angesprochen auf den Fall der Modekette H&M, die unbequeme Betriebsräten kündigt, verweist sie auf die laufenden juristischen Verfahren. Einer Einladung des Gesamtbetriebsrates von H&M aus dem vergangen Jahr „um Unterstützung seiner Forderung nach verlässlichen Arbeitszeiten und zur Teilnahme an einer Betriebsräteversammlung“ hätte die „Ministerin aus Termingründen nicht folgen“ können.