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Mehr Rechte für Patientinnen und Patienten

Rede von Harald Weinberg,

Unnützer Entwurf der Bundesregierung

Harald Weinberg (DIE LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wegen des Entwurfs eines Patientenrechtegesetzes, über den wir heute hier debattieren, klingelt seit Wochen mein Telefon, und das Fax quillt über.

(Zurufe von der FDP: Oh! Heinz Lanfermann (FDP): Schaffen Sie sich E-Mail an!)

Leider ist es nicht überschäumende Begeisterung über diesen Gesetzentwurf, die eine Vielzahl überglücklicher Patientinnen und Patienten zum Telefonhörer greifen lässt, sondern die übergroße Enttäuschung über das, was Sie, meine Damen und Herren von Union und FDP, nach jahrelanger stiller Beratung ausgeheckt haben.

In Ihrem Koalitionsvertrag hatten Sie vor drei Jahren noch von einem Patientenschutzgesetz gesprochen. Es geht aber nicht nur um den Schutz der Patienten, sondern auch darum, ihnen Rechte zu geben, und darum, ihnen Möglichkeiten an die Hand zu geben, dass sie diese Rechte auch durchsetzen können. Die Überschrift des Gesetzentwurfs zeigt, dass Sie unsere Nachhilfe angenommen und dazugelernt haben: aus Patientenschutz- ist Patientenrechtegesetz geworden.

(Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Ihre Nachhilfe brauchen wir nicht!)

Bei den Inhalten haben Sie diese Einsicht leider nicht gezeigt. Wir hätten uns für die Patientinnen und Patienten gefreut, wenn Sie unsere Vorschläge oder, wenn Sie unsere Vorschläge nicht nehmen wollten, die der Grünen oder die der SPD übernommen hätten. Wir hätten uns gefreut, wenn Sie zum Beispiel die erleichterte Regelung bei der Beweislast in den Gesetzentwurf hineingeschrieben hätten.

(Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau!)

Wir hätten uns auch gefreut, wenn Sie die Vorschläge der Betroffenen, also der Patientinnen- bzw. Patientenverbände, in den Gesetzentwurf hineingeschrieben hätten. Stattdessen haben Ihnen die Ärzte- und Krankenhausverbände die Hand beim Schreiben geführt.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): So ein Schwachsinn!)

Da muss man sich nicht wundern, wenn zum Schluss wenig herauskommt, was den Patienten bei der Durchsetzung ihrer Rechte hilft.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Klassenkampf! Immer nur Klassenkampf!)

Deshalb steht in dem Gesetzentwurf jetzt nur das, was bislang auch durch Richterrecht schon geregelt und gültig war.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Stimmt nicht! Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Wiederum falsch! Lesen Sie es doch einmal, bevor Sie etwas Falsches sagen!)

Zum Teil bleiben Sie sogar hinter der bisherigen Rechtsprechung zurück. Gut, die Krankenkassen bekommen ein paar Zusatzaufgaben, wenn es darum geht, Patientinnen und Patienten zu unterstützen.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Aha!)

Das war es aber auch, und das ist aus unserer Sicht deutlich zu wenig.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Worum geht es im Kern eigentlich? Viele Patientinnen und Patienten haben die leidvolle Erfahrung gemacht, dass man als Patient nach einem Behandlungsfehler keine guten Karten hat. Wer schon vor der Behandlung krank war und aufgrund eines Ärztefehlers noch kränker und leidender wurde, der hat es ganz schwer. Er muss sich um seine Genesung kümmern und gleichzeitig gegen ein professionelles Kartell von Ärzteschaft, Krankenhausverwaltung und Ärztehaftpflichtversicherung samt Anwälten und Gutachtern ankämpfen, um die Schuld zu beweisen. Dazu muss der Patient aufzeigen das ist bereits erwähnt worden , dass erstens wirklich eine falsche Behandlung vorliegt und zweitens die Schädigung ursächlich auf die falsche Behandlung zurückzuführen ist. Diejenigen, die das zu begutachten haben, sind wiederum Ärzte und werden von Ärztekammern oder den Ärztehaftpflichtversicherungen bezahlt. Solche Gerichtsverfahren dauern im Übrigen Jahre, oft auch Jahrzehnte. Sehr häufig ist es so, dass die Geschädigten das Ende des Gerichtsverfahrens nicht mehr erleben.

Leider wird den Geschädigten durch den jetzt vorgelegten Entwurf eines Patientenrechtegesetzes kaum geholfen. Es soll keine generelle Erleichterung der Beweislast eingeführt werden. So haben die Geschädigten weiterhin die Beweislast zu tragen, und die Ärzte haben die Beweismittel in den Händen. Nur bei groben Behandlungsfehlern wollen Sie eine Beweislastumkehr einführen. Das ist aber heute schon gängige Praxis vor Gericht. Doch was nun ein grober Fehler ist, wird wiederum durch einen Arzt entschieden.

Sie wollen auch keinen unabhängigen Gutachterpool einrichten. Die Geschädigten werden sich also weiterhin an Schlichtungsstellen und Gutachterkommissionen wenden müssen, die bei den Ärztekammern angesiedelt sind und zum größten Teil für die Ärzte und gegen die Patienten entscheiden.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Oh Gott!)

Es wird nach Ihren Plänen leider auch keinen Härtefall- oder Entschädigungsfonds geben, aus dem Geschädigten schnell und unbürokratisch zumindest eine finanzielle Entschädigung geleistet werden könnte.

Kommen wir zu den individuellen Gesundheitsleistungen ein besonderes Ärgernis für viele Patientinnen und Patienten. Das sind Leistungen, die die Kasse nicht übernimmt und für die die Patientinnen und Patienten beim Arzt extra zahlen müssen: Wenige sinnvoll, die meisten überflüssig, einige sogar schädlich! Auch hier schreiben Sie nur die Verpflichtung zur Aufklärung über mögliche Kosten in den Gesetzentwurf. Das kann doch nicht alles sein. Dabei wissen auch Sie genau: Manche Ärztinnen und Ärzte nutzen IGeL-Leistungen, um ihren Umsatz zu erhöhen. Dafür gibt es sogar spezielle Verkaufstrainings, die bis vor kurzem noch vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert worden sind.

(Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): So ist das!)

Die Linke fordert darum in ihrem Antrag, einen klaren rechtlichen Rahmen zu schaffen, damit die Patientinnen und Patienten nicht über den Tisch gezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehören eine angemessene Bedenkzeit, ausreichende Informationen und unabhängige Beratung über Sinn, Nutzen und Alternativen genauso wie Maßnahmen der Qualitätssicherung. Nichts davon findet sich allerdings in diesem Gesetzentwurf.

Auch bei den Rechten von Patientenorganisationen bleiben Sie sehr schmalbrüstig. Die Patientenorganisationen werden im Gemeinsamen Bundesausschuss, dem wichtigsten Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, weiterhin am Katzentisch sitzen müssen und erhalten noch nicht einmal in Verfahrensfragen ein Stimmrecht. Dass diese darüber verbittert sind, darf Sie nicht wundern.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, ich weiß schon, dass einige von Ihnen sehr wohl zumindest einen Teil unserer Kritik teilen und mit dem Gesetzentwurf recht unzufrieden sind.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Dann sagen sie uns einen!)

Darum appelliere ich an Sie: Setzen Sie sich im weiteren Verfahren lautstark dafür ein, dass dieser Gesetzentwurf noch entscheidende Änderungen erfährt, die im Interesse der Patientinnen und Patienten sind, und nicht so durch das Parlament geht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Edgar Franke (SPD))